Gemäss Zahlen der Vereinigung kantonaler Gebäudeversicherungen (VKG) werden die meisten Brandfälle in der Landwirtschaft hierzulande durch Blitzeinschläge verursacht. Häufiger als der direkte Blitzeinschlag (wenn der Blitz ein Gebäude trifft), sind indirekte Blitzeinschläge als Brandursache. Dabei wird kein Gebäude getroffen, der Blitz verursacht aber eine Überspannung an elektrischen Installationen und Geräten, die ein Feuer entfachen kann.
Gegen beides kann man sich und sein Hab und Gut schützen. Die BauernZeitung hat der Gebäudeversicherung Bern (GVB) 11 Fragen zum Schutz vor Blitzeinschlägen in der Landwirtschaft gestellt:
1. Blitzschutz ist obligatorisch für grössere landwirtschaftliche Gebäude (Volumen über 3'000 m3). Erreicht ein durchschnittliches Bauernhaus oder Stall diese Grösse, oder was muss man sich unter dieser Grössenangabe vorstellen/ was wird da zusammengerechnet?
Bei 3000m3 handelt es sich um eher grössere Bauernbetriebe. Zum Volumen zählen gemäss schweizweit gültigen Brandschutzrichtlinien der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) aber nicht nur Betriebsbauten (z.B. Stallungen), sondern auch anstossende Silos und Wohnbauten.
2. Blitzschutz ist auch obligatorisch für Gebäude, in denen explosive Stoffe verarbeitet oder gelagert werden (z. B. Mühlen).
a) Gilt im Falle der Mühlen das Mehl als explosiver Stoff?
Ja. Da Mehl besonders fein gemahlen wird, gilt es sogar als hoch explosiv. Schon ein einzelner elektrischer Funke kann ein Mehlstaubkorn entzünden. Bei der anschliessenden Explosion wird weiterer Mehlstaub aufgewirbelt, der sich ebenfalls entzündet und explodiert – eine gefährliche Kettenreaktion beginnt. Angst vor dem Backen in der heimischen Küche muss aber niemand haben. Denn damit es zu Mehlexplosionen kommen kann, ist ein dichtes Gemisch aus Mehlstaub und Luft erforderlich – wie in einer Mühle. Entsprechend müssen diese mit einem Blitzschutzsystem geschützt werden.
b) Was ist mit Gebäuden, in denen Pflanzenschutzmittel gelagert werden?
Pflanzenschutzmittel gehören zu den feuergefährlichen Stoffen. Werden diese in einem Gebäude gelagert bzw. wird damit gearbeitet, muss dieses Gebäude mit einem Blitzschutzsystem geschützt werden. Ausschlaggebend sind dabei die Lagermenge und die Art des Lagerguts.
c) Wie sind die Bestimmungen für Biogas-Anlagen?
Um Biogas herzustellen, benötigt man je nach Grösse eine gewisse Anzahl Fermenter. Diese gelten als feuer- und/oder explosionsgefährdet und benötigen deshalb ein Blitzschutzsystem.
d) Wie schützt man einen Stall am besten und gibt es Unterschiede je nach Tierart, die darin lebt (z. B. Poulethalle vs. Milchvieh-Laufstall)?
Wir empfehlen für Ställe in der Regel ein Maschennetz. Bei dieser Variante werden alle Dachkanten mit einer Fangeinrichtung geschützt. Das Blitzschutzsystem funktioniert so wie ein Faraday-Käfig. In jedem Fall (unabhängig der Tierart) empfehlen wir, zusätzlich ein inneres Blitzschutzsystem mit Potenzialausgleich anzubringen (Aufhebung von Spannungsdifferenzen in Metallteilen).
3. Blitzschutz ist auch obligatorisch für Gebäude, die topografisch exponiert sind.
a) Landwirtschaftliche Betriebe stehen häufig auf Anhöhen/Hügeln oder weit entfernt von anderen Gebäuden. Heisst das, sie sind besonders oft topografisch exponiert?
Topografisch exponierte Gebäude erfordern nicht immer ein Blitzschutzsystem. Ausschlaggebend ist die Art der Nutzung, die Anzahl beherbergter Personen (dauernd oder saisonal) und die Wetterlage (Wind, Blitzdichte etc.).
b) Wie finde ich heraus, ob die Lage meines Betriebes als topografisch exponiert gilt?
Das findet man durch eine Risikoanalyse heraus. Durchgeführt wird diese durch die zuständige Fachstelle. Bei Landwirtschaftsbetrieben sind dies die Feueraufseher der jeweiligen Gemeinde.
c) Sind Blitzschläge deshalb die häufigste Ursache für Brände in der Landwirtschaft?
Im Kanton Bern wird jeder dritte Feuerschaden durch einen Blitz verursacht. Viel häufiger sind dabei indirekte Blitzschläge als direkte Blitzschläge ins Gebäude.
4. Was sind eigentlich Blitzschutzanlagen?
a) Gehört dazu noch mehr als diese Art Antenne auf dem Dach und dem Draht zum Boden?
Ja, ein Blitzschutzsystem ist mehr als nur das. Unterschieden wird dabei zwischen dem äusseren und dem inneren Blitzschutz. Das äussere Blitzschutzsystem besteht aus einer Fangeinrichtung, einer Ableitungseinrichtung und einer Erdungsanlage.
b) Kann man auch im Inneren eines Gebäudes etwas zum Schutz vor Blitzen tun – z. B. an elektrischen Geräten?
Ja, auch dafür kann man etwas tun. Hierbei handelt es sich um ein inneres Blitzschutzsystem. Dieses besteht aus einem Potenzialausgleich, einem Überspannungsschutz und/oder einer elektrischen Isolation gegenüber dem äusseren Blitzschutzsystem. Bei neu installierten Blitzschutzsystemen oder grösseren Erweiterungen muss ab dem 1. Januar 2020 ein Überspannungsschutz angebracht werden. Dieser schützt technische Einrichtungen vor den Auswirkungen von Blitzströmen und transienten Überspannungen. Wir empfehlen deshalb unbedingt auch bestehende äussere Blitzschutzsysteme um einen Überspannungsschutz zu erweitern.
5. Eine Blitzschutzanlage sollte in Stand gehalten und dazu kontrolliert werden.
a) Einerseits gibt es dazu periodische Kontrollen – durch Fachleute, nehme ich an?
Ja, blitzschutzpflichtige Gebäude (z.B. Landwirtschaftsbetriebe mit über 3000m3) sollten alle 10 Jahre durch kontrollberechtigte Firmen überprüft werden. Für den äusseren Blitzschutz sind das Personen, welche die Ausbildung «Fachperson äusserer Blitzschutz VKF» oder eine gleichwertige Ausbildung absolviert haben. Für die Kontrolle des inneren Blitzschutzes benötigen die Fachpersonen eine Berechtigung gemäss NIV (Niederspannungs-Installations-Vorschriften).
b) Andererseits sollte man auch selbst kontrollieren: Wie oft, worauf gilt es zu achten und welche Schäden können auftreten?
Gebäudeeigentümer oder Anlagebetreiber sollten regelmässig die Ableitungseinrichtungen an den Hauswänden und soweit ersichtlich auch die Fangeinrichtungen auf dem Dach kontrollieren. Hat beispielsweise ein Blitz unbemerkt eingeschlagen, zeigt sich das an gelösten Drähten oder ausgerissenen Klemmstellen.
c) Kann man diese Schäden selbst beheben oder braucht es dazu eine Fachperson?
Schäden an Blitzschutzsystemen sollten grundsätzlich immer durch Fachpersonen behoben werden.
d) Wenn ja, wo findet man so jemanden?
Anerkannte Blitzschutzfachfirmen findet man am besten online. Um Interessierten die Suche zu erleichtern, haben wir ein Anerkennungs-Label geschaffen. Alle von uns anerkannten Fachfirmen finden Sie hier: https://www.gvb.ch/de/tipps-fuer-hauseigentuemer/blitzschutz/fachfirmen-blitzschutz/fachfirmen-suche-blitzschutz/).
6. Schützen Blitzschutzanlagen nur vor direkten Einschlägen oder auch indirekten?
a) Die Drähte führen einen direkten Blitzeinschlag in den Boden – wird er dadurch nicht zu einer Art indirektem Einschlag und kann entsprechend durch Überspannung Schäden an Geräten mit möglicher Brandfolge anrichten?
Ein äusseres Blitzschutzsystem schützt Gebäude bei direkten Blitzschlägen. Die in die Erdungsanlage abgeleitete Energie kann jedoch über Leitungen, welche ins Gebäude führen (z.B. Netzzuleitungen), Überspannungen in den Elektroinstallationen verursachen, was unter Umständen auch zu einem Brand führen kann. Um das zu verhindern, braucht es den inneren Blitzschutz. Seit der aktuellen Ausgabe der Niederspannungs-Installations-Norm (kurz NIN 2020) sind Überspannungsschutzeinrichtungen unerlässlich und müssen bei jedem neu installierten Blitzschutzsystem oder bei grösseren Erweiterungen eingebaut werden. Dadurch kann das Risiko eines Blitzschadens auf ein Minimum reduziert werden.
7. Kann man sich gegen Blitzeinschläge (direkte/indirekte) versichern?
a) Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine Gebäudeversicherung im Schadensfall die Kosten übernimmt?
Gebäudeschäden durch Blitzeinschläge (direkt und indirekt) sind im Kanton Bern über die obligatorische Gebäudeversicherung versichert.
b) Gegen welche Kosten durch Brände kann man sich versichern (z. B. wenn Tiere sterben, Gebäude oder Maschinen beschädigt oder zerstört werden)?
Grundsätzlich kann man alle Kosten versichern. Während Gebäudeschäden in den meisten Kantonen obligatorisch zu versichern sind, besteht bei Tieren und Fahrhabe in den meisten Kantonen keine Versicherungspflicht; sinnvoll ist der Abschluss einer Feuerversicherung aber in jedem Fall.
8. Sind Rauchmelder auch in Bezug auf Blitzeinschläge sinnvoll?
Unbedingt, denn entsteht beispielsweise durch einen Blitzschlag ein Brand, wird dieser frühzeitig angezeigt.
a) Falls ja, sollte man sie überall (im Wohnhaus, im Stall, einem Fahrzeugunterstand) installieren?
Rauchmelder sollten in potenziellen Fluchtwegen und überall dort angebracht werden, wo die Möglichkeit besteht, dass ein Brand ausbrechen kann. Wie viele angebracht werden sollen, ist nicht gesetzlich geregelt. In den Bedienungsanleitungen für Rauchmelder geben die Hersteller jedoch an, wie viele Quadratmeter durch einen Melder abgedeckt werden.
b) Gibt es auch Sprinkleranlagen für landwirtschaftliche Gebäude, was kosten sie und machen sie überhaupt Sinn?
Sprinkleranlagen sind in jeder Nutzung denkbar. Insbesondere in landwirtschaftlichen Bauten mit Stroh- und Heulager (Gefahr von schnellanlaufenden Bränden). Da die Installation einer solchen Anlage eine geeignete Wasserzuleitung und eine Sprinklerzentrale voraussetzt, sind die Investitionskosten relativ hoch. In den schweizerischen Brandschutzrichtlinien wurde deshalb auf eine Installationspflicht verzichtet. Wir begrüssen jedoch freiwillige Installationen und beteiligen uns mit 30 Franken pro Sprinklerkopf (weitere Informationen: https://www.gvb.ch/de/expertenwissen-zum-brandschutz/gesetzlicher-brandschutz/finanzbeitraege/brandmelde-und-sprinkleranlagen/).
9. Verursacht eine Blitzschutzanlage laufende Kosten (Unterhalt/Kontrollen)?
Ja, denn die Anlage muss periodisch kontrolliert werden (alle 10 Jahre) und allenfalls wieder Instand gesetzt werden.
10. Wie viel kostet eine Blitzschutzanlage für einen Neubau?
Grundsätzlich muss von 0.5 Prozent der Gesamterstellungskosten eines Gebäudes ausgegangen werden. Die Kosten sind dabei abhängig von der topografischen Lage, sowie verschiedenen baulichen Faktoren wie die Grösse, die Dachform, der Anzahl Dachfenster, Balkone etc. Wir übernehmen bis zu 2'500 Franken der Installationskosten an einem neuen äusseren Blitzschutzsystem (weitere Informationen: https://www.gvb.ch/de/tipps-fuer-hauseigentuemer/blitzschutz/kostenbeitrag/).
11. Muss ich als Bauherr selbst dafür sorgen, dass der Brandschutz beim Bauprojekt berücksichtigt wird, oder macht das z. B. der Architekt oder Bauleiter?
Ein Bauherr, gegebenenfalls vertreten durch einen Architekten oder Bauleiter, ist verantwortlich für die Umsetzung der Brandschutzvorschriften. Eigentümer und Nutzer von Gebäuden und Anlagen sind zudem über die gesamte Lebensdauer der Bauten verpflichtet, die baulichen, organisatorischen sowie personell notwendigen Massnahmen zur Gewährleistung der Brandsicherheit zu treffen bzw. zu unterhalten.
a) Was sind die Folgen, wenn es bei nicht vorschriftsmässigem Brandschutz zu einem Feuerschaden kommt?
Kommt es zu einem Feuerschaden, können wir im Kanton Bern eine Leistungskürzung vornehmen und/oder ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft auslösen.