Ein feiner Kräuterduft liegt in der Luft. Soeben hat Susanne Kohler 20 Liter «Emmentaler Wandertee» gemacht, die 40 abgefüllten Halbliterflaschen stehen in einer Kiste zum Weiterliefern bereit. Den Tee kocht sie jeweils in einem Glühweintopf. Am Rezept tüftelte sie immer wieder herum, auch der Zuckergehalt wurde reduziert. Trotzdem soll er aber noch fein schmecken. «Ich musste viele Versuche machen, bis ich zufrieden war», sagt sie und schmunzelt.
Verkauf via Regionallabel
Auch im Kräuterschöpfli riecht es wunderbar, vor allem nach Minze. Hier stehen hübsche Blechbüchsen mit abgefüllten Teekräutern, schön angeschriebene Beutel mit offenem Tee oder auch Packungen mit Teebeuteln. Es ist allerdings kein Lädeli – die Tees werden vor allem über das Label «Ämmitaler Ruschtig» vermarktet. Den Wandertee kann Susanne Kohler an Weihnachtsmärkte liefern, an die Brauschüür Zollbrück BE (Brauerei und Bierbar) und neu auch an eine Bar in Bern. «Ich hätte nicht erwartet, dass dieser Tee so Erfolg hat», freut sich Susanne Kohler.
Sie habe eigentlich kein Werbebudget dafür. Die Mund-zu-Mund-Propaganda scheint zu wirken. Susanne Kohler stammt nicht von einem Bauernhof, aber sie wuchs ganz in der Nähe auf. «Beim Tanzen im Bären Sumiswald», sagt sie auf die Frage, wo sie denn ihren Mann kennengelernt habe. Nach der Schule machte sie die kaufmännische Ausbildung und arbeitete im Büro. Als es «ernst wurde» mit Res und ihr, besuchte sie die Bäuerinnenschule am Waldhof.
Seit 25 Jahren lebt sie nun auf dem Biohof Kohler in der unteren Tanne, etwas ausserhalb von Weier im Emmental BE. Schon die Schwiegereltern bauten für Ricola Kräuter an. Susanne Kohler und ihr Mann führten diesen Betriebszweig fort. Die eigenen Teemischungen kamen erst später dazu. Heute werden auf dem Hof noch rund zwei Aren Pfefferminze angebaut, dazu kommen einige Beete mit Sorten, von denen sie nur kleine Mengen für ihre Teemischungen braucht, Spitzwegerich beispielsweise oder Frauenmantel. Die anderen Sorten kauft sie ein.
Kleiner, feiner Betrieb
Da der Anbau von Kräutern für Ricola sehr wetterabhängig ist, haben Kohlers diesen reduziert, sie liefern noch die Blüten der knapp 200 Holunderbäumchen für die bekannten Täfeli. Daneben konzentriert sich Susanne Kohler nun auf ihre eigenen Teemischungen. Die tragen urchige Namen wie «Gotthelfs Chrütertee» oder «Langnauer Märittee». Dazu schaut sie unter der Woche, wenn ihr Mann als Lastwagenfahrer unterwegs ist, zu den Mutterkühen.
Die Mastschweine, der Ackerbau und die Maschinen sind das Ressort ihres Mannes. «Wir sind ein kleiner, aber feiner Familienbetrieb», betont die 56-Jährige. Die drei Kinder sind erwachsen und aus dem Haus. Wenn es viel zu tun gibt, helfen Susanne Kohlers Eltern mit, die Schwiegermutter, die unten im Haus wohnt, bringt sich vor allem beim Etikettieren der Teemischungen ein. «Es ist mein Ziel, dass wir alles innerhalb der Familie machen können.» Mai bis Dezember sind die arbeitsintensivsten Monate bei den Teekräutern.
Nach dem Ernten kommt das Dörren, was je nach Menge auf dem Hof oder ausserhalb gemacht wird. «Ich liebe die Arbeit mit den Kräutern», sagt Susanne Kohler. «Es ist eine dankbare Arbeit, die auch noch fein riecht, und ich bin glücklich, etwas gefunden zu haben, womit ich mich hier zu Hause verwirklichen kann.»
Traum von der Wüste
Jetzt im Januar und Februar ist für sie eine eher ruhige Zeit angebrochen. Sie geht gerne mit der Familie Ski fahren. Hofhündin Ayla hat sechs Junge bekommen, die es zu betreuen gilt, und sie hat auch immer wieder einiges für ihre Teemischungen vorzubereiten. «Das Tagesgeschäft läuft das ganze Jahr durch.»
Wenn sie etwas Zeit übrig hat, liest Susanne Kohler sehr gerne. Oder sie träumt von vergangenen und zukünftigen Reisen, einem Hobby von ihr und ihrem Mann. Die beiden waren schon auf verschiedenen Kontinenten unterwegs, «aber die Wüste fehlt uns noch», sagt sie, und die Reiselust ist ihr anzusehen.
Wenn sie nicht unterwegs ist, dann kommt die Welt zu ihr: Seit zwei Jahren steht das «Sorglos-Hüsli» neben Kohlers Hof, ein fassähnliches Häuschen, wo gerade mal zwei Betten und ein kleiner Tisch drin Platz haben. Dusche und WC sind nur ein paar Schritte entfernt. Dort können Touristen übernachten, was vor allem von Velofahrern der Herzroute, aber auch von Wanderern gerne genutzt wird. Natürlich stehen im Hüsli auch Teemischungen bereit, und es riecht fein nach Pfefferminze.
Renate Bigler-Nägeli