"Gerechtes Arbeiten und Handeln ist nur bei einer guten Vernetzung möglich", erklärt Lorenz Laubscher, während er seine Zöglinge in einem klimatisierten Raum präsentiert. Weisse schmale Stämme tragen intensiv gelb leuchtende hohe runde Dächer – Limonenseitlinge schiessen aus Pilzblöcken mit Bio-Substrat. Auch Austernseitlinge ziehen Laubschers in den umgebauten Schweineställen von Lorenz Laubschers Bruder in Walperswil BE.

Die Ställe kann er zu einem guten Preis von ihm mieten. Dafür helfen er und seine Frau bei Bedarf auf dem Betrieb des Bruders mit. Dieser hat Milchkühe, Kirschen, Zwetschgen und etwas Ackerbau.

Immer wieder aufstehen

"Früher habe ich bei einer grossen Versicherungsgesellschaft gearbeitet", erzählt Lorenz Laubscher. Plötzlich merkte er aber, dass die Produkte, welche er verkaufte, nicht handfest sind, sondern eher "Luft". Er wolle die Leute doch nicht anlügen, meint der grosse stämmige Mann und schaut ganz traurig. In seinen braunen Augen ist viel Lebensfreude zu entdecken, doch auch eine grosse Kraftlosigkeit. "Man muss immer wieder aufstehen, wenn man im Leben einen Rückschlag erleidet", sagt Laubscher. Vor einigen Jahren erlitt er einen schweren Autounfall. "Heute bin ich zu 50 Prozent arbeitsunfähig und kann nur noch begrenzt körperlich arbeiten. Deshalb konzentriere ich mich vor allem auf die Vermarktung der Pilze, während meine Frau  die Kultivierung und Pflückarbeit übernimmt", meint Laubscher, seine Stimme ist rau und weich gleichzeitig. Er erinnert an einen Lehrer, wenn er spricht und zeigt und erklärt.

Nicht zu warm und nicht zu kalt

"Die Pilze geben schon viel Arbeit, wir ernten zweimal pro Tag", so Lorenz Laubscher während er behutsam Pilzgruppe für Pilzgruppe aus den Blöcken dreht. Dazu komme das Management für das Wachstum. Die Pilze mögen es feucht und warm. Ist es aber zu warm, so wachsen sie zu schnell und Laubscher kriegt nicht alle verkauft. Selber kultivieren Laubschers neben Limonen- und Austernseitlingen gelegentlich auch Shiitake und Kräuterseitlinge. Dazu importiert er Champignon, Eierschwämme, Steinpilze, Trüffel und weitere Pilze aus dem Ausland. Die Waren verkauft er auf verschiedenen Märkten und Hofläden in der Region Bern.

Den Markt immer im Blick behalten

"In der Schweiz werden noch viel zu wenig Pilze gegessen", so Lorenz Laubscher. Es seien rund 1,5 Kilogramm pro Person und Jahr. In anderen Ländern ist der Konsum viel höher. Etwa seien es in China 15 Kilogramm und in Japan, Südkorea oder Singapur sei der Konsum noch viel höher. "Der Markt in der Schweiz hat Chancen, grösser zu werden", ist sich Laubscher sicher. Die ganze Marktbearbeitung zehrt aber auch an der Energie des 55-jährigen Landwirten. Man müsse immer dran bleiben, Kontakte knüpfen, Events und Degustationen organisieren. Die ganze Familie unterstützt ihn rege beim Pilzprojekt, das noch im Aufbau ist. Seine Frau Madeleine hilft auf dem Markt und mit der Aufzucht der Pilze. Und auch die vier Kinder unterstützen das Projekt.

So vernetzt wie das Wurzelwerk eines Pilzes

Ein gutes Beziehungsnetz zu haben hilft, denn gerade nachmittags seien die Schmerzen oft so stark, dass er sich hinlegen müsse, erzählt Lorenz Laubscher. Doch der Pilz-Bauer ist nicht ein Mensch, der gerne ruht. Er hat Projekte und Beziehungen in der ganzen Welt. Laubscher hat zudem ein Netzwerk von christlichen Freunden über den Planeten verteilt. Wie das Wurzelwerk eines Pilzes ist er vernetzt. Und er weiss vieles über Pilze, das er gerne weitergibt. 

Das Hobby zum Beruf gemacht

Und dann gibt es da noch das Hobby von Lorenz Laubscher. Auch in seiner Freizeit bekommt er nämlich nicht genug von Pilzen. Er durchstreift die Wälder und sucht die wilden Pilze. Im Frienisberg ist der Burgunder Trüffel heimisch und von guter Qualität, auch gibt es jede Menge Steinpilze, diverse Röhrlinge, Eierschwümmli, Trompetenpilze und Chratarellen.

Auch Madeleine Laubscher ist beim Pilzeln dabei. Unter dem gigantischen Blätterdach Wald entfernen sie sich voneinander und finden sich immer wieder. "Lorenz", hört man eine laute Stimme durch die Bäume rufen, "hier sind Goldröhrlinge", ruft Madeleine Laubscher. Der Bauer bewegt sich durch das Dickicht in ihre Richtung und
redet und erklärt dabei ununterbrochen. "Im Moment ist das Klima gerade nicht so gut für Pilze", so der Fachmann. Es sei zu trocken und die Pilze würden die Bise nicht vertragen.

Nach 13 Mal Probieren schmeckt es meist

Zur Frage, ob denn die Saison gut sei, meint er bestimmt: "Pilze haben immer Saison". Darüber müsse die BauernZeitung jetzt endlich einmal berichten. Zu jeder Zeit im Jahr gebe es Pilze, nur die Beliebten finde man halt eher im Herbst. Laubscher würde sich freuen, wenn auch andere Pilze eher mal auf den Teller kämen. Die Leute seien sich einfach nicht so gewohnt, andere Pilze als Champions zu essen. "Wenn man etwas 13 Mal probiert hat, so hat man es gern", argumentiert der Pilzfreund. Langsam füllt sich Laubschers Holzkörbchen mit Pilzen – Maronenröhrlinge, Rotfussröhrlinge, Goldröhrlinge, Steinpilze, Frauentäublinge, Boviste. Immer wieder wandert ein Pilz ganz unbemerkt in das Körbchen der anderen. Der Pilzbauer ist ein passionierter Schenker. Bei jeder Gelegenheit ist er frei zu geben. So würde die Welt in seiner Vorstellung funktionieren. Wenn alle viel geben würden, hätten auch alle mehr. Auf den Märkten zum Beispiel werden neben Pilzen auch Früchte Eier und Wurstwaren verkauft. Und Laubscher geht  dabei gerne mal ein Tauschgeschäft ein.