Mit einem lauten «Juchz» grüsst Maya Würsch vor ihrer Alphütte ins Tal hinunter, als der Besuch von der BauernZeitung den Berg hinaufkommt. Die lebensfrohe und bodenständige Älplerin Maya Würsch verbringt bereits ihren fünften Alpsommer in der Fritschehütte auf dem Obersihl im Schwyzerischen Studen.
Lebensschule auf der Alp
Wenn Maya Würsch nicht gerade auf der Alp ist, arbeitet die gebürtige Nidwaldnerin in Luzern als Sozialarbeiterin. Im Jahr 2006 war sie zum ersten Mal einen Sommer auf der Alp. Das war im Wallis. Zu zweit schauten sie zu etwa 200 Stück Rindvieh, führten eine Käserei und bedienten einen Ausschank. Diese Monate seien für sie eine richtige Lebensschule gewesen. Sie habe von der damaligen Älplerin alles gelernt, von Seilbahn bedienen bis «Schilter» fahren oder dem Umgang mit den Tieren. Zudem mache sie als Sozialarbeiterin eigentlich dasselbe bei Mensch und Tier, sie beobachte und schaue, was zu tun sei. 2013 habe sie dann auf der Internetseite «zalp.ch» ein Inserat geschalten und dadurch die Familie Holdener, für welche sie nun bereits den fünften Alpsommer zum Vieh schaut, kennengelernt. Maya Würsch hatte vor ihrem ersten Alpsommer einen Älplerkurs absolviert. Dort lerne man von der Klauenpflege bis zur Tiergesundheit sehr viel Hilfreiches. Sie schaue auch dem Klauenschneider immer zu und lerne dabei viel. Auf die Alp könne grundsätzlich jeder, auch ohne Ausbildung – sie empfiehlt dies aber niemandem.
Der weise alte Mann
Die Alp Obersihl gehört zur Gemeinde Studen und ist vom Ochsenboden her zu Fuss erreichbar. Die Alp liegt am Wanderweg Richtung Sihlseeli-Saaspass. Die Alpen im Obersihl sind nicht per Auto erreichbar. Das erste Stück über die steilen Treppen muss zu Fuss absolviert werden. Die Älpler haben eine Seilbahn für das Material bis ins Untersihl, dort haben sie auch einen Schilter und einen Jeep, mit denen sie das Material bis zu den Hütten fahren oder zum Beispiel den Tierarzt abholen können. Die Weiden der drei Bauernfamilien, welche im Obersihl eine Alp besitzen, beginnen im Untersihl und werden mit 200 Stück Rindvieh bestossen. Im Obersihl teilt Maya Würsch die Weiden mit einer weiteren Bauernfamilie. Der Nachbarsälpler ist bereits 74 Jahre alt, hat Milchkühe und macht eigenen Käse. Er sei für sie der «weise alte Mann», sagt Maya Würsch, er gebe ihr viele hilfreiche Tipps, sein Wissen sei enorm und er könne genau sagen, wie es am besten sei.
Später Aufzug in diesem Jahr
Maya Würsch hütet 46 Tiere und ist von der Bauernfamilie Maja und Thomas Holdener aus Studen über den Sommer fest angestellt. Die meisten Tiere, welche über den Sommer gehütet werden, gehören Familie Holdener. Von zwei weiteren Bauern aus der Region betreut die Älplerin noch neun «Black Angus» und zehn braune Rinder. Sie ist jeweils zehn bis elf Wochen auf der Alp, alles in allem sei die Alpzeit relativ kurz. Dieses Jahr sei sie eine Woche später z’Alp gegangen, am 22. Juni war der Alpaufzug. Das Problem war, dass lange sogar im Untersihl noch Schnee lag. Sie hätten mit dem Schilter gar nicht rauffahren können, um Material zu transportieren und um zu «hagen». Mit dem Zäunen sind die Älpler vor rund einer Woche fertig geworden. Mit den mobilen Zäunen, welche bis auf 2000 m ü. M. gehen, sind sie jedoch weiterhin beschäftigt. Im «Chräloch», wo die Sihl entspringt, wird es noch einen mobilen Zaun geben.
Die «Fritschehütte» ist sehr bescheiden, sie hat eine kleine Küche, wo auf dem Feuer gekocht wird, fliessend Wasser, einen grossen Küchentisch für Gäste und einen Schlafraum mit mehreren Betten im oberen Stock. Die Alphütte hat einen Telefonanschluss und seit 2017 sogar Solarstrom. Sie müsse sich erst noch an das Elektrolicht gewöhnen, sagt Maya Würsch. Vorher hatte sie immer mit einer Öllampe oder mit Kerzen Licht gemacht. Es sei aber auch wichtig, dass Erneuerungen kommen.
Es gibt verschiedene Gäste
Das Älplern müsse einem schon gegeben sein, sagt Maya Würsch. Sie hat des Öfteren Gäste, die bei der Arbeit mithelfen und in der Hütte übernachten. Sie freut sich immer sehr über den Besuch, geniesst aber auch die Ruhe, wenn die Gäste wieder abreisen. Es gebe Gäste, die seien es sich gewohnt, in einer Hütte zu schlafen, für diese sei es ganz klar, dass man am Vorabend das Wasser aufsetzen müsse. Für andere hingegen sei dies ungewohnt und ganz neu, zu Hause komme das heisse Wasser ja ganz einfach aus dem Wasserhahn. Dies sei dann eher anstrengend, da sie auch noch viel anderes zu tun hat und nicht immer schauen könne. Heute würden viele Dinge als selbstverständlich angesehen. In der Alpzeit gibt es verschiedene Phasen, manchmal hat sie mehr und manchmal weniger Zeit, um mit Gästen vor der Hütte zu sitzen und die Natur und die Tiere zu bestaunen. Die Herausforderung für einen Älpler oder Senn sei, mit der Natur umzugehen, von Unwetter bis zu extremer Hitze und Trockenheit könne alles vorkommen. Man müsse sich halt zu wissen helfen, denn man sei manchmal ganz alleine.
Rettung per Helikopter
Maya Würsch hat einen guten Zugang zu ihren Tieren, sie kennt die Namen von fast allen ihren Rindern und Kühen. Sie geht jeden Tag auf die verschiedenen Weiden, um zu schauen, ob es ihnen gut geht und um zu zählen. Leider hätten sie fast jeden Sommer einen Helikopterflug – sei es ein abgestürztes Tier oder ein verletztes oder krankes Tier, das nicht mehr zu Fuss ins Tal könne. Es sei immer wieder faszinierend und genial, wie schnell die Flughelfer das alles erledigen würden.
Immer wieder Neues
Maya Würsch würde auf keine andere Alp gehen, das ist für sie ganz klar. Die Gegend mit dem Quellgebiet der Sihl gehört zu ihr. Mit dem Besitzerpaar Maja und Thomas habe sich eine spezielle Zusammenarbeit mit viel Vertrauen entwickelt. Auch mit den Nachbarsälplern hat sie sehr guten Kontakt. Zudem lerne man auf der Alp jedes Jahr etwas dazu. Auch ihre Nachbarsälpler, welche zum Teil bereits 35 Jahre hier oben im Sihl seien, hätten von diesen Erfahrungen berichtet. Maya Würsch mag vor allem die Rindviecher wegen ihren Augen und dem Wesen. «Ich kann mir nicht vorstellen, auf eine Alp mit Schafen und Ziegen zu gehen. Rinder und Kühe sind bodenständige und massige Tiere, was mir gefällt», so Maya.
Klimawandel spürbar
Die Älpler im Obersihl nehmen wahr, dass es oft heftig und schnell regnet, der Boden könne dies gar nicht aufnehmen. Die Gegend verändere sich, es habe viel mehr Steine in den Weiden. Das Bachbett sei viel grösser geworden, es wurde ausgeschwemmt. Auch die Hitzewellen seien auf den Alpen stark zu spüren.
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