Das Anliegen der Frauen - ein momentan heiss diskutiertes Thema. Kurz vor dem Frauenstreik am 14. Juni wurden am Mittwoch auf dem Bundesplatz in Bern auch die Bäuerinnen ins Licht gerückt. Mit einer Postkarten-Verteilaktion wurde die politische Kampagne "Bäuerinnen-Appell" offiziell gestartet.
Unterschätzte Schätze der Frau
Swissaid und der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) spannen für ein gemeinsames Vorhaben zusammen. Die beiden Parteien wollen mit einer politischen Kampagne die gesellschaftliche Stellung und die politische Mitbestimmung von Bäuerinnen stärken. Der Appell richtet sich sowohl an die Politik und die Wirtschaft als auch an die Gesellschaft. Ziel des Projekts sei es, schlussendlich eine Verhaltensänderung zugunsten der Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen. Dafür müsse man aber auch die Männer ins Boot holen und in die Diskussion miteinbeziehen, meinte Christine Badertscher, eine der Initiantinnen. Frauen in der Landwirtschaft arbeiten viel, in machen Fällen sogar mehr als die Männer, sagt Badertscher am Mediengespräch. Bäuerinnen tragen einen wesentlichen Teil zur Lebensmittelproduktion bei. Dennoch werden die Leistungen der Bäuerinnen oftmals unterschätzt und nicht in angemessener Weise anerkannt, machte Anne Challandes, die Präsidentin des SBLV, deutlich. Den Bäuerinnen fehle es an politischer Repräsentanz und an sozialer Absicherung. So wären 70 Prozent der insgesamt 45'000 Frauen in der Landwirtschaft nicht sozial abgesichert. Ein Missstand, den es zu bekämpfen gilt, finden die Initiantinnen der Kampagne.
Sorgen über Sorgen
Über die Besorgnisse der Bäuerinnen weiss auch Patrizia Schwegler, Geschäftsführerin des bäuerlichen Sorgentelefons, Bescheid. Analysen der anonymen Gespräche über die letzten 20 Jahre geben Hinweise auf die Situation der Bäuerinnen. So greifen Frauen prozentual öfter zum Telefon als Männer. Die Anzahl Anrufe habe sich in den letzten Jahren leicht gesteigert. Die Altersgruppe von 30 bis 39 Jahren sei überproportional vertreten. Dabei dominiere die Problemstellung "Generationenkonflikte". Auch der Gesrpächsbedarf rund um Themen wie Eheprobleme, Trennung und Scheidung sei bei Frauen höher als bei Männer. Schwegler vermutet, dass Trennungen und Scheidungen grössere finanzielle Auswirkungen auf Frauen haben. Auch sei es für Bäuerinnen schwierig nach einer Scheidung eine neue Stelle zu finden, da bei der einspannenden Arbeit auf dem Hof kaum Zeit für das Pflegen von sozialen Kontakten bleibe, so die Geschäftsführerin.
Bäuerinnen weltweit
Was die Stellung der Bäuerinnen betrifft, seien die Frauen im ländlichen Gebiet überall auf der Welt benachteiligt, findet Badertscher. Auch Challandes sieht trotz den unterschiedlichen Lebensverhältnissen in verschiedenen Ländern Gemeinsamkeiten. Die Mitbestimmung der Frauen in bäuerlichen Organisationen sei auch in Ländern wie Tschad oder Myanmar essentiell für ein selbstbestimmtes Leben, so Badertscher. Hinzu kommt, dass der Zugang zu Landnutzungsrechten oder Bildung für Bäuerinnen nicht oder nur wenig vorhanden ist. Deshalb fordert Swissaid, dass die Ernährungssicherheit und somit auch die Situation der Bäuerinnen zu Schwerpunktthemen für die Botschaft der internationalen Zusammenarbeit für die Jahre 2021 bis 2024 erklärt werden. Die beiden Parteien rufen zur Unterstützung des Bäuerinnen-Appells auf. Bis zum internationalen Tag der Frau im ländlichen Raum am 15. Oktober wollen die Initiantinnen 20'000 Unterschriften sammeln.