Meine Traktorfahrkünste sind eine bescheidene Sache. Zu meinen Heldentaten in den Anfängen meiner Karriere gehört eine Episode mit einem Pflug, den ich neben dem Flugplatz auf der Einzelradbremse so zackig wendete, dass ich fast eine Botschafterlimousine zum Cabrio machte. Und es gab offenbar schon früher nasse Sommer, denn einmal schaffte ich es bei drohendem Gewitter, Traktor und Heupresse im Moos zu versenken.
Aber dazu hatte ich immer meinen Bruder, der wusste, wie man ein Gebläse entstopft, den Motor entlüftet und abgefahrene Rückspiegel wieder montiert. Er war es auch, der eines Tages die Pneus seines Traktors mit dem Winkelschleifer bearbeitete und mit Gewichten herumexperimentierte. Mit leuchtenden Augen erzählte er vom Tractorpulling und wie viel Spass das mache, seinen Traktor bis ans Limit zu fahren, herauszufinden, was wie funktioniert. Bald hatte sein Traktor einen Überrollbügel und verschiedene Räder zur Auswahl, die je nach Witterung und Anspruch zum Einsatz kamen.
Magische Anziehungskraft
Ich verstehe auch heute noch nicht viel von Traktoren, und doch zieht es mich jedes Jahr fast magisch nach Zimmerwald, wenn dort die zurechtgemachten Traktoren den Bremswagen über die Piste ziehen. Das Tractorpulling hat seine eigene Faszination. Und was sich in den vergangenen 25 Jahren seit der ersten Austragung des Tractorpulling in Zimmerwald technisch alles getan hat, lässt auch Laien staunen.
Wie jeweils die Kommentatoren mit Begeisterung, Insiderwissen und fachkundigen Kommentaren dem Publikum erklären, warum der eine weiter kommt als der andere, das zieht einen in den Bann. Da heisst es dann schon mal: «Es erschliesst sich uns nicht, warum er den Allrad nicht eingeschaltet hat, ob es Absicht ist oder ein Versehen.» Oder: «Nimm vielleicht doch das nächste Mal einen kleineren Gang.» Und irgendwann im Laufe des Wochenendes sehe dann sogar ich, ob der Allrad drin ist oder die Gruppe zu gross.
Wer fährt in welchem Gang, mit welcher Pneugrösse? Wie viel Luftdruck und wie viel Wasser sind im Pneu, wie sind die Gewichte verteilt? Mann, Frau und Kinder, die am Pistenrand stehen, beginnen zu verstehen, was diejenigen, die ziehen, schon lange wissen. Bei einigen Traktoren kann man die Entwicklung von Gefährt und Fahrern seit Jahren mitverfolgen.
Technisch raffinierte Schmuckstücke
Oftmals kommen dann nicht nur technische Finessen dazu, nein, die Zugfahrzeuge werden zu wahren Schmuckstücken umgebaut, umlackiert und verchromt. Klar ist es ein Volksfest, klar trifft man sich, trinkt ein Bier, redet über Gott und die Welt, fachsimpelt. Und ja, die Traktoren blasen teilweise eine Menge Rauch, manchmal gar Flammen in den Himmel. Die Erinnerungsbilder, die dann entstehen, sind schon fast ein wenig romantisch – auf eine sehr landwirtschaftliche Art.
Doch dieses Treiben hat natürlich auch seine Gegner – wie überall, wo ein paar mutige Menschen Verantwortung zu tragen bereit sind, wird das von Unwissenden kritisch beäugt. Umso mehr, wenn ein paar Menschen ein ausgefallenes Hobby pflegen. Das war dann wohl auch der Grund, dass der Grosse Rat des Kantons Bern über ein gefordertes Verbot von Tractorpullings befinden musste. Einfach nur so zum Spass mit Traktoren herumzufahren, schien einigen unverständlich, ja unnötig.
Keine reine Spassveranstaltung
Doch schnell war im Grossrat bei der Debatte klar: Die Gegner haben ganz offensichtlich noch nie ein Tractorpulling aus der Nähe gesehen. Entsprechend sprachlos und mutlos agierten sie dann, als ihren an den Haaren herbeigezogenen Argumenten echte Fakten und Zahlen gegenübergestellt wurden. Als sie merkten, dass es eben nicht nur eine Spassveranstaltung ist, sondern dass da viel Wissen und Können dahinterstecken, war die Sache rasch gegessen. Auch war bald klar, dass die Bodenverdichtung eines Tractorpulling eben nicht grösser ist als die eines Turnfestes, eines Festivals oder eines Schwingfestes. Und spätestens als im Rat alle merkten, dass die Debatte letztlich nicht nur um das Hobby von ein paar Bauern geht, sondern auch um die eigene Freizeitgestaltung, konnte die Motionärin im Schlusswort nur noch um ein paar Sympathiestimmen bitten.
Das Desaster wäre zu verhindern gewesen, wenn man im Vorfeld vielleicht einmal in Zimmerwald am Pistenrand gestanden wäre. Oder man hätte mit den Veranstaltern des Tractropulling Zimmerwald, der Familie Guggisberg, darüber reden können, was es alles braucht, bis ein Traktor den Bremswagen über die Piste ziehen kann. Wie viel Pflege die Piste bekommt, damit der Wettkampf für alle Fahrer beste Bedingungen bietet. Und das Gelernte setzen die Fahrer schliesslich auch zu Hause auf ihren Feldern um.
Die wissen dann: Je kritischer die Lage, desto sensibler muss der Gasfuss agieren. Die richtige Gruppe oder der richtige Gang entscheidet, wie viel Kraft der Traktor hat, und die Auflagefläche des Pneus entscheidet, ob man sie auf den Boden bringt oder nicht. Wer das richtige Mass nicht findet, der «verlochet» sein Gefährt im Boden, so wie ich damals die Heupresse.
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