MilchmarktEmmi macht erstmals über 4 Mrd Fr. Umsatz und will der Schweizer Milchbranche «Sorge tragen»Mittwoch, 1. März 2023 Die neue CEO von Emmi hat am Mittwoch erstmals die Geschäftsdaten präsentiert. Zwar ist ihre Amtszeit noch kurz. Trotzdem sind bereits erste stilistische Retouschen nach der Ära Urs Riedener spürbar. Demarmels betonte in ihren Ausführungen die Bedeutung des Miteinander-Vorgehens in der Firma und die Bedeutung einer guten Kultur. Wir haben sie im Gespräch unter anderem gefragt, ob auch die Milchproduzenten in das Wohlfühl-Programm einbezogen werden.

Frau Demarmels, Sie legen offenbar grossen Wert auf die Firmenkultur.

Ricarda Demarmels: Meine Aufgabe ist es, einen Rahmen zu schaffen innerhalb welchem jede und jeder die beste Arbeit machen können. Wir leben in einer Welt, in der es immer schwieriger wird, gute Leute zu finden. Unternehmen, die guten Leuten eine Plattform geben, um etwas Sinnvolles zu machen, werden auch die besten Leute gewinnen. Unsere starke Kultur ist auch ein Alleinstellungsmerkmal am Arbeitsmarkt.

«Unternehmen, die über eine starke Kultur des Miteinanders verfügen, wachsen überdurchschnittlich schnell und profitabel.»

Sie spüren den Fachkräftemangel auch?

Den spüren wir überall, ja. Es ist teilweise schwierig, Leute für Schicht- und Wochenendarbeit zu gewinnen, aber wir spüren es auch in den Hauptsitz-Funktionen. Ich glaube aber, dass Emmi da sehr gut positioniert ist. Wir haben soeben auch eine Auszeichnung erhalten als zweitbester Arbeitgeber der Branche. Die vielen jungen Leute, die hochmotiviert bei uns beginnen, stimmen mich sehr optimistisch. Wir setzen uns auch sehr stark ein für Lernende und durften letztes Jahr den Rekordwert von 50 jungen Menschen bei uns begrüssen.

Bündnerin mit HSG-Abschluss
Die gebürtige Bündnerin (Jahrgang 1979) und HSG-Absolventin Ricarda Demarmels ist seit Juni 2019 Chief Financial Officer (CFO) der Emmi Gruppe sowie Mitglied der Konzernleitung. Vor ihrem Wechsel zu Emmi amtierte sie als CFO der ebenfalls börsenkotierten Orior und bekleidete verschiedene Führungs- sowie Beratungsfunktionen im Beteiligungs- und Strategieberatungsgeschäft. Aufgewachsen ist Demarmels in Andeer. Sie hat zwei Töchter und lebt in der Zentralschweiz. 

Ist der Fokus auf Unternehmenskultur und Wohlfühlambiente Ihr Alleinstellungsmerkmal als CEO?

Ich bin überzeugt, dass die «weichen» Faktoren die harten Faktoren sind. Unternehmen, die über eine starke Kultur des Miteinanders verfügen, wachsen überdurchschnittlich schnell und profitabel. Wenn Menschen am Montagmorgen gerne zur Arbeit kommen, erzielen sie auch die besten Ergebnisse. Emmi ist diesbezüglich durchaus ein Vorzeigeunternehmen.

Haben Sie seit Ihrem Antritt Baustellen entdeckt, wo es Verbesserungen braucht?

Ich bin überzeugt, dass Emmi richtig aufgestellt ist. Mit der Diversifikation haben wir einen Trumpf, der immer wichtiger wird und uns in einer Welt, die sich immer schneller dreht, auch Stabilität verleiht. Jeder ist bei uns Unternehmer im Unternehmen. Natürlich können wir immer besser werden. 

«Die Milchproduzenten sind zentrale Partner unserer Wertschöpfung, denen wir Sorge tragen.»

Wie wichtig ist Ihnen die Lebensqualität der Milchproduzenten, ihrer wichtigsten Aktionäre? Emmi zahlt ja nicht den besten Preis…

Diese sind zentrale Partner unserer Wertschöpfung, denen wir Sorge tragen. Sie stehen am Ursprung unserer Produkte. Emmi zahlt einen überdurchschnittlichen Milchpreis.

In der Milchbranche ist der Strukturwandel doppelt so gross, wie in der übrigen Landwirtschaft, was tun Sie weiter im Dienste der Produzenten?

Wir setzen uns dafür ein, dass die Milch immer wieder neu interpretiert wird, über die ganze Klaviatur der Konsumententrends. Unser Fokus ist es, die Kunden am Regal mit und für hochwertige Schweizer Milchprodukte zu begeistern.

Wie?

Bestes Beispiel dafür ist der ungebrochen positive Trend bei Emmi Caffe Latte. Hier lancieren wir diesen März mit «Fun Lattes» zwei neue Varietäten für ein jüngeres Kundensegment. Den Proteinbereich bedienen wir mit «Emmi Energy Milk», die wir immer wieder neu interpretieren. Aufgrund der Pandemie ist auch das Bedürfnis für gesunde Ernährung gestiegen, das decken wir unter anderem mit Actifit ab. Wir sind permanent dran, unsere Marken und Milchprodukte zu zelebrieren. Und auch international versuchen wir, den guten Namen der Schweizer Milch weiter zu untermauern, das reicht hin bis zu «Fonduebäumen» im mexikanischen Detailhandel.

Der Käse hat nach zwei Boomjahren einen schweren Stand. Gibt es Rezepte, wie Sie die Verkäufe verbessern wollen?

Einerseits gibt es eine Normalisierung nach den Rekordwerten in den Pandemiejahren. Der zweite Aspekt ist, dass die international höheren Preise für Schweizer Käse, verstärkt durch den Euro-Wechselkurs gerade in preissensitiven Märkten wie Deutschland im wichtigen Thekengeschäft zusätzlich unter Druck geraten sind. Auch hier setzen wir uns mit Kopf und Herz für neue Absatz- und Markenkonzepte ein, indem wir diese Käse neu interpretieren. Beispiele sind unsere Kaltbach-Spezialitäten oder auch der «Scharfe Maxx» der Käserei Studer. Ein anderes Beispiel ist die 2022 erworbene Firma Athenos, die führende Feta-Herstellerin in den USA, das verschafft uns Zugang zu neuen Kanälen auch für die Vermarktung von Schweizer Käse in den USA.

«Nachhaltigkeit und Standortgerechtigkeit werden mittelfristig Alleinstellungsmerkmale für die Schweizer Milchwirtschaft sein»

Nachhaltigkeit ist für Sie ein grosses Thema, wie wollen Sie auf Netto Null kommen?

Wir stehen mit der ganzen Branche hier noch am Anfang. Bei den Scope 3-Reduktionen wollen wir den Treibhausgasausstoss um 25 Prozent senken. Es gibt eine wachsende Einigkeit in der Branche, hier mit weiteren Fortschritten die Zukunftsfähigkeit zu stärken. Dazu wolle auch wir beitragen. Das Projekt Klimastar Milch ist dabei für uns wie auch die Branche eine wichtige Initiative. Hier sehen wir viel Unterstützung und Zustimmung auf allen Stufen. Nachhaltigkeit und Standortgerechtigkeit, mit denen wir Milch auf dem Grasland produzieren können, werden in der mittleren Frist Alleinstellungsmerkmale für die Schweizer Milchwirtschaft sein.

Sie möchten also Milch vor allem vom Grasland ohne Kraftfuttereinsatz?

Wir möchten unseren Beitrag dazu leisten, dass die Milchwirtschaft nachhaltiger sein kann. Wir sind überzeugt, dass dies am Markt und bei den Konsumenten die Nachfrage nach Milchprodukten stärkt und auch einen Mehrwert haben wird.

«Am Schluss des Tages müssen die Mehrpreise vom Markt bezahlt werden.»

Sind Sie bereit, die Anstrengungen der Bauern diesbezüglich preislich zu honorieren?

Am Schluss des Tages müssen die Mehrpreise vom Markt bezahlt werden. Es muss uns gelingen, das gemeinsam zu realisieren. In den Herausforderungen, denen wir uns alle stellen müssen, liegen auch viele Chancen.

Der Rohstoffmangel ist kein Thema, das Sie beschäftigt?

Wir haben gesehen, dass die Milchproduktion im zweiten Halbjahr wieder zugenommen hat. Das ist auch gut so und wir werden dem Sorge tragen. Wir glauben an den Standort Schweiz für die Milchverarbeitung. Mit der Eröffnung unserer neuen Käserei in Emmen und der damit verbundenen Rekordinvestition von 50 Mio Fr. haben wir hier ein klares Zeichen gesetzt.   

Noch kurz zu Ihrem Background. Sie kommen eher aus der Ernährungsindustrie. Haben Sie trotzdem etwas Dreck an den Stiefeln?

(lacht) Das versuche ich zu vermeiden. Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen, als Kinder haben wir bei den Bauern mit dem Eimer im Stall Milch geholt. Ich bin eine stolze Schweizerin und eine stolze Emmianerin. Ich habe sehr viel Respekt vor dem, was unsere Milchproduzenten jeden Tag leisten. Zu Beginn meiner CEO-Tätigkeit habe ich mir deshalb bewusst die Zeit genommen und einen unserer Milchbauern besucht. Der Besuch liess bei mir den Respekt vor meiner Aufgabe noch einmal wachsen. Wir haben alle zusammen eine grosse Verantwortung, dass dies auch weiterhin alles gut funktioniert. Dafür werde ich mich mit Kopf und Herz einsetzen.