AboPassion für die Tierhaltung spielt auf Schweizer Familienbetrieben eine grosse Rolle – auch, was die Kosten angeht. WirtschaftlichkeitLeidenschaft statt Lohn prägt vielerorts die Schweizer MilchproduktionMontag, 28. Oktober 2024 Grüne, saftige Wiesen, weitläufige Alpflächen auf denen Kühe weiden. So das Bild, welches oftmals vermittelt wird. In der Realität sieht die Produktion anders aus, dies ist den Landwirten und Landwirtinnen bewusst. Milchproduktion findet nicht nur auf Weideflächen und in der Bergzone statt. Betriebe positionieren sich irgendwo zwischen einer Hochleistungsstrategie und einer Vollweidestrategie. Und auf hundert Milchproduktionsbetrieben findet man hundert Strategien, die zwischen den beiden «Extremen» liegen.

Hervorragende Futterqualität im Tal

Der Betrieb in der Talzone: Hier wird Futter von hervorragender Qualität produziert. Auch stehen Ackerflächen für den Anbau von beispielsweise Silomais und Futtergetreide zur Verfügung. Die durchschnittliche Milchleistung der Tiere beträgt über 10'000 kg Milch pro Kuh und Laktation. Um dies zu erreichen, wird die Energiedichte der Ration durch den Einsatz von Maissilage erhöht. Zwangsläufig entsteht ein Ungleichgewicht zwischen Energie und Protein in der Ration. Die Folge davon ist der Einsatz von Eiweisskomponenten, welche in Form von Kraftfutter auf dem Betrieb zugeführt werden. Ebenfalls werden Leistungsfutter eingesetzt, um einerseits diese hohen Leistungen zu erreichen und andererseits die Tiere mit Hochleistungsgenetik anforderungsgerecht zu füttern. Die Kraftfutter werden hocheffizient und gezielt den Tieren zugeteilt. Kann ein solcher Betrieb ressourcenschonend produzieren?

Keine Kraftfutterkomponenten in der Hügelzone

Der Betrieb in der Hügelzone: Das Futter ist im Vergleich zum anderen Betrieb von minderer Qualität, es stehen kaum Ackerflächen zur Verfügung und die Tiere werden beinahe ausnahmslos auf der Weide gefüttert. Die Milchleistung der Tiere ist dementsprechend tiefer, dafür wird in diesem System auf die Zufütterung von Kraftfutterkomponenten verzichtet. Es wird also kein Getreide verfüttert, welches grundsätzlich auch für die menschliche Ernährung eingesetzt wird. Auch ist die Ration zu einem Grossteil des Jahres mehr oder weniger ausgeglichen. Im Herbst entsteht jedoch ein Überangebot an Protein, was aber nicht mit einem Überschuss im anderen Produktionssystem gleichzusetzen ist, da hier das Protein aus dem Wiesenfutter stammt. Im Vergleich zum Hochleistungsbetrieb braucht dieser Betrieb für dieselbe Milchmenge mehr Kühe und mehr Fläche. Produziert dieser Betrieb ressourcenschonend?

Eine allgemeine Empfehlung wäre falsch

Leider ist es kompliziert. Gerne würde eine allgemeine Empfehlung ausgesprochen werden, was aber schlicht und einfach falsch wäre. Bei beiden Situationen kommt es darauf an, welche Ressourcen betrachtet werden. Jeder Betrieb muss situativ beurteilt werden. Erst dann kann herausgefunden werden, ob und wo Potenzial vorhanden ist. Folgende Ressourcen können wir beispielsweise betrachten:

Kraftfuttereinsatz: Dieser soll in jedem Fall möglichst tief gehalten werden. Kraftfutter setzt sich auch aus Futtermitteln zusammen, die in der menschlichen Ernährung eine Wertigkeit hätten. Mit dem Einsatz der gängigsten Kraftfuttermittel entsteht also eine Nahrungsmittelkonkurrenz zum Menschen. Hinzu kommt, dass für die Produktion dafür Fläche benötigt wird, die vom Betrieb ausgelagert wird.

Boden: Hier wäre ja der Grundsatz, möglichst wenig Fläche zu verbrauchen, um eine Einheit Milch zu produzieren. Zu unterscheiden ist zusätzlich noch, ob es sich um eine Fläche handelt, die auch beackert werden könnte. Wird also Fläche beispielsweise in der Talzone für die Milchproduktion genutzt, soll wohl die Milchproduktion pro Fläche maximiert werden.

Treibhausgase: Bei den Treibhausgasen verhält es sich ebenfalls nicht eindeutig. Werden die Treibhausgase betrachtet, die total von einer Kuh verursacht werden? Oder werden die Treibhausgase betrachtet, die für ein Kilo Milch verbraucht werden. Beides legitime Ansichtsweisen. Dies führt aber zu unterschiedlichen Resultaten, was eine Diskussion schwierig macht.

Hinzu kämen selbstverständlich noch weitere Ressourcen, wie beispielsweise Arbeitszeit oder finanzielle Mittel. Wie weiter also? Oftmals wird versucht, ein System gegen ein anderes auszuspielen. Führt dies zum Erfolg? Wohl kaum. Zu viel steckt hinter dem Produktionssystem; Tradition, Emotionen oder persönliche Ansichtsweisen kommen dazu. Anstatt dass Landwirte mit verschiedenen Systemen sich gegenseitig die Schuld zuschieben, sollten sich jeder Betriebsleiter und jede Betriebsleiterin folgende Fragen selber stellen: Welche Ressourcen beansprucht mein System? Gehe ich schonend mit diesen Ressourcen um? Welche Massnahmen kann ich treffen, um mein System nachhaltiger zu gestalten und Ressourcen zu schonen?

Arbeitet jeder Betrieb an seinem System, optimiert dieses, ist kritisch und ehrlich zu sich selber, ist ein grosser Schritt nach vorne möglich. Milch wird dann im System nachhaltiger produziert. Und eine effektiv nachhaltigere Produktion ist besser als der Streit, wie diese auszusehen hat.

Raphael Albisser ist Lehrer und Berater am BBZN Hohenrain.