Hochstammbäume prägen die Landschaft. Umso mehr fällt es auf, wenn sie absterben. Tote oder umgestürzte Hochstamm-Obstbäume lassen sich in letzter Zeit vermehrt beobachten, das bestätigt Philipp Gut, Leiter der Fachstelle Spezialkulturen am Solothurner Bildungszentrum Wallierhof. Dass alte Bäume absterben, sei erstmal normal, räumt Gut ein. «Je nach Art und Sorte können Hochstämmer 50 bis über 100 Jahre alt werden», erklärt er. Damit sie ihr Maximalalter erreichen, brauchen sie aber Pflege – und die bekommen sie heute häufig nicht mehr.

Trockenheit, Pflege und Standort 

«Kurzzeitig hat die wiederholte Trockenheit der letzten Jahre den Bäumen zugesetzt», meint Philipp Gut. Auf Dauer fehle es an der nötigen Pflege, sprich einem altersgemässen Schnitt und der Bekämpfung von Krankheiten oder Schädlingen. «Heute hat man Hochstamm-Obstbäume vor allem für das Landschaftsbild und die Biodiversität. Die Ernte ist nur noch selten lohnend und das Wissen um die richtige Pflege grosser Bäume ist weniger verbreitet als früher», führt der Berater aus. Hinzukomme, dass Hochstämmer nicht immer an einen passenden Standort platziert werden, sondern eher dort, wo sie nicht im Weg stehen. Das verkürzt ebenfalls die Lebensdauer der Bäume.

 

Extensiv gepflegte Hochstämmer als Reservoir für Krankheiten und Schädlinge

Dass wenig gepflegte Hochstamm-Bäume für auf Ertrag ausgelegte Niederstamm-Anlagen zum Problem werden, weil sich von ersteren Kirschessigfliegen ausbreiten können, verneint René Meier. «Neben einer Hecke oder am Waldrand ist der Druck viel grösser. Das ist nicht vergleichbar mit einer Gruppe Hochstämmer in der Nachbarschaft», erläutert er seine Erfahrungen.

 

Die Früchte machen Hochstämmer nicht rentabel

Ein guter Fruchtbehang ist kein Zeichen für die Vitalität eines Obstbaums, denn «auch unter Stress werden noch viele Früchte produziert.» Um die Äste von dem hohen Gewicht zu entlasten, habe man früher mit dutzenden von Stützen pro Baum nachgeholfen. «Es ist schade, dass es immer mehr Hochstämmer aufgegeben werden», findet Gut. Die hohen Lohnkosten seien oft zu hoch, als dass überhaupt noch geerntet werde, da die Früchte sowieso nicht als Tafel- sondern höchstens als Mostobst verkauft werden können.

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Weidende Tiere direkt unter dem Baum schaden Hochstämmern und können sie in relativ kurzer Zeit absterben lassen. (Bild jsc)

Grosse Bäume für die Biodiversität lohnen sich

Obwohl sie erntetechnisch kaum mehr attraktiv sind, können sich Hochstämmer lohnen – nämlich als Gewinn für die Biodiversität: Man kann sie als Biodiversitätsförderflächen BFF I und/oder II anmelden. «Pro Baum gibt es 13.50 Franken bei BFF I und 31.50 bei BFF II. Hinzukommen mögliche Vernetzungs- und Landschaftsqualitätsbeiträge», erklärt René Meier vom Brunnenhof in Metzerlen SO. Meier hat selbst Hochstamm-Bäume, verkauft deren Obst im Hofladen und ist auch beim Amt für Raumplanung des Kantons Solothurn tätig. «Bei BFF I besteht in den ersten 10 Jahren eine Pflicht zum Baumschnitt, bei BBF II muss zuerst alle zwei, dann alle drei Jahre geschnitten werden», erläutert er. Ab einem gewissen Alter würden die Bäume aber so langsam wachsen, dass man kaum mehr mit der Säge arbeiten müsse. «Ohne Schnitt sehen die Hochstämmer bald aus wie Savannen-Bäume: Sie werden ausladend und tragen viele Früchte, kippen aber bei einem Sturm um oder grosse Äste brechen ab», warnt der Solothurner.

Auch tote Bäume werden gefördert

Ab einem Stammdurchmesser von 20 Zentimeter oder mehr auf Brusthöhe werden die Beiträge für BFF II auch nach dem Absterben noch bezahlt. «Ein Stamm alleine reicht aber nicht, er muss schon noch als Baum erkennbar sein», stellt René Meier klar. Alte Bäume zu ersetzen ist ebenfalls erwünscht, damit auf einer Parzelle ein altersdurchmischter Bestand entsteht. «Vor allem im Sinne von BFF II sollten auf der gleichen Fläche junge, mittlere und alte Hochstämmer stehen», erklärt der Obstbauer. Ohne entsprechenden Nachwuchs würden die Hochstamm-Bäume auf Dauer schliesslich ganz aus der Landschaft verschwinden.

Dass die Beiträge mit BFF II viel höher sind als mit BFF I ist seiner Meinung nach absolut richtig. «Entweder macht man das mit BFF II oder man lässt es besser bleiben».

Keine Pflicht zur Ernte 

Früher habe es noch eine Erntepflicht für Hochstämmer gegeben, erinnert sich René Meier. Heute besteht eine solche weder für BFF I noch II. «Gerade ältere Bauern haben Mühe damit, wenn man die Früchte einfach hängen lässt», räumt er ein. Er schliesst sich aber der Meinung Philipp Guts an, dass man heute eben akzeptieren müsse, dass Hochstämmer primär für die Landschaft und Biodiversität gepflanzt und gepflegt werden und nicht mehr für die Ernte. Das Obst komme der Bioidiversität schliesslich auch zugute.

«Viele Landwirte sind sich nicht bewusst, was der Aufwand für die Pflege von Hochstamm-Bäumen umfasst – und was man dafür bekommt», beobachtet Meier. Trotz dem Pflegeaufwand und reduzierten Graserträgen unter dem Schatten der Baumkrone seien grosse Bäume als BFF II wirtschaftlich rentabel.

 

Das gehört zur Pflege von Hochstämmern

  • Standortwahl je nach Ansprüchen des Baumes.
  • Altersgerechter Baumschnitt (angepasst an Art und Sorte).
  • Mäuse von Beginn weg bekämpfen, damit sie keine grosse Population aufbauen können. Dazu empfiehlt René Meier, die Nager mit Fallen, Gas oder Gift unschädlich zu machen. Auch die Baumscheibe chemisch freizuhalten würde funktionieren, das ist aber bei BFF nur in einem entsprechenden Projekt erlaubt. Weiter helfen Sitzstangen für Raubvögel. Dies allerdings nur, wenn das Gras kurz gehalten wird: Vögel, Füchse oder Katzen jagen keine Mäuse im hohen Gras.
  • Kein Vieh direkt unter den Baum lassen. «Ist ein Baum nicht an weidende Tiere gewöhnt, kann ihn das innerhalb eines Jahres umbringen», erklärt Philipp Gut. Auch schwere Maschinen über den Wurzeln schaden Hochstämmern. Beides ist weniger ausgeprägt auf steinigen Böden.
  • Massvolles Spritzen mit entsprechend zugelassenen Mitteln ist auch bei BFF I und II erwünscht, damit die Bäume gesund bleiben. «Je nach Jahr ist der Krankheits- und Schädlingsdruck unterschiedlich», meint René Meier. 2020 habe man etwa Blattläuse bekämpfen müssen, in anderen Jahren gab es wegen viel Regen eher Schorfbefall. «Bis zu drei Spritzungen pro Jahr reichen meist», so Meier. 

Wie man einen Hochstamm-Baum richtig schneidet ist eine kleine Wissenschaft. «Sicher sollte man die Krone auslichten und schwere, lange Äste zurückschneiden», nennt Philipp Gut die Grundsätze. Kurse zum Baumwärter dauerten früher etwa 40 Tage, «das Wissen kann man nicht in zwei Sätzen zusammenfassen.»