Der in einer Senke am Frienisberg liegende Lobsigensee hat eine bewegte Geschichte: Bereits in der Mittel- und Jungsteinzeit vor rund 6’000 Jahren siedelten am See Menschen, wie gefundene Pfahlbaustrukturen beweisen. Im 19. und 20. Jahrhundert wurde das Gebiet entsumpft, es wurden Drainagen angelegt und der Seepegel abgesenkt, um Kulturland zu gewinnen und Torf abzubauen. 1955 wurde der See dann unter Naturschutz gestellt und 2011 fand das Gebiet aufgrund der Funde von Pfahlbauten im See auch den Weg ins Inventar des Weltkulturerbes der UNESCO.
Des einen Freud, des anderen Leid
In den letzten Jahrzehnten setzte dann wieder eine Gegenteilige Entwicklung ein: Das kleine Gewässer wuchs. «Das Gefälle zwischen Lobsigen und Lyss, wo das Wasser des Lobsigensee hinfliesst, ist grundsätzlich zu gering – abgesehen von trockenen Jahren wie diesem fliesst mehr Wasser in den See als über den Lyssbach wieder abfliesst», erklärt Simon Heimberg, der in unmittelbarer Nähe zum See seinen Landwirtschaftsbetrieb bewirtschaftet. Das Wasser «frass» zwar langsam, aber doch beständig immer mehr Land. Und dann kam auch noch der Biber und entdeckte das Gebiet für sich. Seit Jahren baut er fleissig Dämme am Abfluss des Lobsigensees, was Flora und Fauna einerseits zwar gut gefällt, auf der anderen Seite aber noch mehr gutes Weide- und Ackerland überflutet.
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Vorprogrammierte Interessenskonflikte
Die Landwirtschaftsbetriebe rund um den See fingen in der Folge an, dieses Gebiet mit Ökoflächen extensiv zu bewirtschaften. «Wir haben die Zäune immer weiterzurückgezogen, weil im durchweichten Boden die Trittschäden der weidenden Tiere das Land immer mehr in Mitleidenschaft zogen», erklärt Simon Heimberg. Irgendwann wurde die Bewirtschaftung dann durch den Kanton gesteuert: «Jedes Jahr kam ein neues Drohnenfoto mit dem aktuellen Zaun und dem neuen Zaunperimeter – jedes Jahr wurde neu bestimmt, bis wo wir weiden durften», führt der Landwirt weiter aus. Frustration machte sich breit und eine Lösung war dringend nötig. Die vielen auf kleinem Raum aufeinanderprallenden Interessen sollten die Suche nach einer von allen Parteien mitgetragenen Lösung aber schwierig gestalten. So gingen rund 10 Jahre ins Land, ohne das etwas passierte.
Schnelle Lösung gesucht
Plötzlich habe es aber gedrängt, sagt Simon Heimberg. «Die Landwirtschaftliche Nutzfläche sollte so korrigiert werden, dass alles Land um den See, welches keinen landwirtschaftlichen Nutzen hat – sprich Land, das nicht zumindest einmal im Jahr gemäht wird – und alles Land, wo Wasser liegt, aus der Landwirtschaftlichen Nutzfläche gestrichen werden sollte», erklärt er. Das brachte Bewegung in die Sache und schliesslich lud das Amt für Naturförderung und der Wasserbauverband Lyssbach, der für den Hochwasserschutz und die Gewässersanierung entlang des Lyssbachs zuständig ist, alle Bewirtschafter zu einem Informationsabend ein. Auf dem Tisch lag die Idee einer extensiven Weidebewirtschaftung und es wurden verschiedene Tiere vorgestellt, die als geeignet eingeschätzt wurden.[IMG 3]
Zielgerichtetes Engagement
«Nichts tun war nicht länger eine Option und da mein Stall sowieso am nächsten zum See liegt, war für mich klar, dass ich mich beteiligen musste», erzählt Simon Heimberg und engagierte sich in der Folge stark für die vorgeschlagene Lösung. Zusammen mit dem Kanton und anderen Bewirtschaftern wurde Land abgetauscht, damit am See eine zusammenhängende Weide entstand: «Ich habe 1,5 Hektaren eigenes Ackerland eingeworfen, damit eine Bewirtschaftung möglich wurde und das Projekt endlich vorwärtskam.» Und obwohl er dafür nun unproduktives Land am See bewirtschaftet, so darf er doch nun immerhin alles Land in der Landwirtschaftlichen Nutzfläche angeben, welches nicht das ganze Jahr mit Wasser überflutet ist. «Das war die Bedingung, die ich hatte – sodass ich nicht, wenn ich schon am See eine solch extensive Fläche habe, zusätzlich an einem anderen Ort noch Ökoflächen machen muss», erklärt Simon Heimberg.
Weiter recherchierte er geeignete Weidetiere und organisierte dann in Eigenregie elf Wasserbüffel, welche diesen Sommer schliesslich im Rahmen des Pilotprojekts am Lobsigensee weideten. «Niemand wusste, ob das funktionieren würde und ob sich die Büffel auch wohlfühlen würden», erläutert der Junglandwirt. Zwischen Weide und See sei es so bodenlos und derart sumpfig, dass Bedenken im Raum standen, dass die Tiere stecken bleiben könnten.
Simon Heimberg bewirtschaftet in Lobsigen einen Landwirtschaftsbetrieb mit 24,5 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche. Auf rund 11 Hektaren baut der Junglandwirt Ackerbaukulturen wie Raps und Weizen an – auf der restlichen Fläche betreibt er Futterbau und weidet rund 25 bis 30 Aufzuchtrinder, Mast- und Galtkühe.
Fürs Terrain prädestiniert
[IMG 4]Tatsächlich fühlten sich die Wasserbüffel am Lobsigensee aber sofort pudelwohl. Die Tiere seien sehr ruhig und zahm, was sicher auch mit den Besitzerinnen zu tun habe, die sehr nahe an den Tieren dran seien. «Daneben sind die Büffel aber grundsätzlich sehr gemütlich und auch nicht so ‹schnäderfrässig› – sie fressen wirklich fast alles und haben auch das Schilf relativ schnell entdeckt», erzählt Simon Heimberg. Rund um den See sei es mittlerweile sehr aufgeräumt. Sollte das Projekt weitergeführt werden, müssten aber doch noch einige Punkte angepasst werden, meint Simon Heimberg weiter. So müssten wohl Bäume für Schatten gepflanzt, Kratzmöglichkeiten geschaffen und eine Lösung für frisches Trinkwasser gefunden werden.
Aktuell gehe die Wasserbüffelweide auch noch nicht ganz rund um den See und unter anderem darum musste Simon Heimberg auch im Wasser einen Zaun erstellen. Da der Viehweidezaun aber durchs Schilf geht, ist es nicht möglich Strom auf den Elektrozaun zu geben, da der Stromkreis durch den Kontakt mit dem Schilfgras ständig unterbrochen würde. «Als dann nicht mehr so viel Futter da war, zog es die Büffel ständig zum Schilf hinter dem Zaun und sie drückten den Zaun um – so musste ich in den letzten Wochen mehrere Male den Zaun reparieren und die Büffel durchs Wasser watend zurücktreiben und das war dann schon mühsam», erklärt Simon Heimberg.
Offene Punkte klären
Zukünftig ist die Weide um den ganzen See geplant. Der Wasserbauverband Lyssbach und der Kanton Bern haben den einen Teil des Landes gekauft, der andere Teil gehört der Gemeinde Seedorf. Mittels Pacht sollte Simon Heimberg so nächstes Jahr den ganzen See respektive das ganze Land darum mit den Büffeln bewirtschaften können. So sehe er eine zukunftsträchtige Lösung nur ohne Zaun respektive einfach mit einem Zaun rundum, der Weide und See miteinschliesst. «Und dann wird alles, was innerhalb dieses Perimeters ist, der Natur überlassen – so ungefähr stelle ich mir die zukünftige Bewirtschaftung vor», meint Simon Heimberg. Daneben müsse man sich auch sich und ergänzt: «Wir müssen einfach einen gemeinsamen Nenner finden und das wird sicher eine Herausforderung – aber nicht unmöglich.» Schliesslich setze eine Lösung wie am Lobsigensee voraus, dass jede Bäuerin und jeder Bauer, jede betroffene Partei Federn lasse.
Dieses Projekt sei so darum auch nur zustande gekommen, weil die verschiedenen betroffenen Landwirte und die anderen involvierten Parteien mitgemacht hätten: «So konnten wir wenigstens etwas realisieren – sonst hätte jeder verloren», meint Simon Heimberg. Es seien halt sehr viele Parteien involviert und die behördlichen Mühlen mahlten nur langsam. Für die Zukunft wünsche er sich darum eine möglichst unkomplizierte und schlanke Lösung. «Aber das bringen wir sicher an einem runden Tisch zustande», ist der Landwirt überzeugt.
Wasserbüffel am Lobsigensee etablieren
Grundsätzlich könne er sich die Weiterführung mit den Büffeln aber gut vorstellen, unter dem Strich müsste das Vorhaben für ihn einfach eine Nullrunde geben – die Wasserbüffel müssten also selbsttragend sein. Er müsse nun abwarten, wie sich das Projekt weiterentwickle. Danach entscheide er dann, in welcher Form er allenfalls eine Herde haben wolle. Hat das Projekt Zukunft, so könne er sich auch vorstellen, ganz auf Wasserbüffel umzustellen. «Das würde aber langsam und schrittweise passieren», meint Simon Heimberg.
Denn das würde eine Herde von rund dreissig Tieren bedeuten und würde voraussetzen, dass er je nach Zusammensetzung der Herde jedes Jahr fünf bis acht Tiere oder mehr verkaufen könnte. «Das bedarf dann aber noch genauen Abklärungen, denn einerseits habe ich keine Erfahrung mit Direktvermarktung und andererseits müsste ich zuerst prüfen, ob Büffelfleisch hier in der Region überhaupt gefragt ist», erklärt der Landwirt. Vorerst sei nun aber geplant, dass er die drei tragenden Büffelkühe, die sich aktuell auf seinem Betrieb befänden, kaufe und für nächstes Jahr selbst eine kleine Herde aufzuziehen versuche.