Die Auflösung des Schweizer Bierkartells im Jahr 1991 bedeutete eine Initialzündung für die hiesige Braubranche: Der Fall des Kartells kurbelte den aufkommenden Craft-Bier-Trend an und die Schweizer Brauereien erlebten eine nie dagewesene Entwicklung.
In der Folge stieg die Zahl der Brauereien und Mikrobrauereien rasant an: Ein Jahr vor der Auflösung des Bierkartells waren in der Schweiz 32 Brauereien registriert – heute sind es über 1500 registrierte Brauereien, wobei vor allem die kleineren bis mittelgrossen boomen. So hat die Schweiz mit 146 Brauereien pro Million Einwohner die grösste Brauereidichte in Europa.
Tag des Schweizer Bieres
Jedes Jahr, jeweils am letzten Freitag im April, feiert die Schweiz ihr Bier. An diesem Tag soll das Handwerk der nationalen Braukunst geehrt und das Schweizer Bier mit seiner ganzen Vielfalt wertgeschätzt werden. Zugleich stellt dieser Feiertag auch den Start in die bierige Saison dar und die Schweizer Brauereien warten an diesem Tag mir vielen tollen Aktivitäten auf.
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Biervielfalt lohnt sich
Auch der Bierkonsum ist ungebrochen: Zwischen 1997 und 2017 hat der Bierkonsum im Vergleich zu anderen alkoholischen Getränken um knapp 20 Prozent zugenommen. Letztes Jahr wurden in der Schweiz 4,7 Millionen Hektoliter Bier konsumiert – rund 53 Liter pro Person.
Der Bierbrautrend hat zu einer unglaublich grossen Auswahl geführt und diese zunehmende Biervielfalt und neuen Geschmackserlebnisse dürften der Branche auch neue Konsumentinnen und Konsumenten gebracht haben. Erhebungen des Bundeamts für Statistik im Rahmen der Schweizerischen Gesundheitsbefragung zeigen beispielsweise, dass Bier auch bei Frauen immer beliebter wird.
Ausserdem beweist die Branche mit Blick auf die sich ändernden Konsumentenbedürfnisse durchaus Fingerspitzengefühl: So wird viel an speziellen Aromen und Mischungen getüftelt, um beispielsweise der zunehmenden Nachfrage nach Biermischgetränken gerecht zu werden oder Konsumentinnen und Konsumenten mit einer Glutenunverträglichkeit abzuholen. In den letzten zehn Jahren hat sich ausserdem die Nachfrage nach alkoholfreiem Bier verdoppelt und auch dies zeigt sich in den Regalen der Detailhändler.
Eines aber ist über alle Bierstile hinweg zu beobachten: Der Trend zu lokalen Bieren ist unverkennbar. Und das hat auch Auswirkungen auf den hiesigen Anbau von Hopfen und Braugerste. Hopfen und Malz sind nebst Wasser und Hefe die wichtigsten Zutaten für Bier. Malz, gekeimtes Getreide, liefert dem Bier die Stärke, während ihm der Hopfen sein Aroma verleiht. Doch Malz und Hopfen für die Schweizer Bierproduktion werden grösstenteils importiert.
Hopfen
Wildhopfen kommt ursprünglich aus feuchten Bergtälern Südwestasiens. Heute wird Hopfen in über 50 Ländern kultiviert und weltweit existieren über hundert Hopfensorten. Hopfen gedeiht allerdings nur zwischen dem 35. und 55. Breitengrad, weil hier die langen Tage im Sommer die Voraussetzungen für die Blüte erfüllen. Der Hopfen wächst bis zu 30 Zentimeter innerhalb 24 Stunden und erreicht eine Höhe von sieben Metern oder mehr. Die Pflanzen wachsen immer rechtswindig.
Für 100 Liter Bier sind etwa 100 bis 150 Gramm Hopfendolden notwendig. Bei der Qualität unterscheidet man grundsätzlich zwischen Aroma- und Bitterhopfen. Aromahopfen enthalten mehr ätherische Öle. Diese sind für das feine Hopfenaroma im Bier verantwortlich. Bitterhopfen haben einen höheren Gehalt an Bittersäuren, die dem Bier den angenehm bitteren Geschmack verleihen. Die Aromahopfen sind tendenziell teurer als die Bitterhopfen.
Schweizer Hopfen
Weltweit wird auf einer Fläche von über 62’000 Hektaren Hopfen angebaut. Mit einer Fläche von gut 25’000 Hektaren befinden sich die grössten Hopfenanbaugebiete in den USA, knapp dahinter folgen die Anbaugebiete in Deutschland. So ist die Hallertau in Bayern das grösste zusammenhängende Hopfenanbaugebiet der Welt. Dagegen fällt der Anbau in der Schweiz mit knapp 20 Hektaren sehr bescheiden aus. Anbauflächen befinden sich unter anderem im zürcherischen Stammertal, im aargauischen Fricktal sowie in den Kantonen Solothurn und Thurgau.
«Wen der Hopfen einmal gekratzt hat, den lässt er nicht mehr los.»
Hallertauer Sprichwort
Aufgrund der begrenzten Mengen importieren die Schweizer Brauereien 90 Prozent des Hopfenbedarfs – ausserdem ist der Hopfen aus dem Ausland bedeutend günstiger. Mit dem Aufwind und der Entwicklung in der hiesigen Brauszene, gekoppelt mit dem zunehmenden Trend von regionalen Produkten, setzen Brauereien aber vermehrt auch auf hiesigen Hopfen. Unter anderem für das «Quöllfrisch» der Brauerei Locher oder das «Eidgenoss» der Brauerei Falken wird Hopfen aus Schweizer Anbau verwendet.
Hanf statt Hopfen
Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW forscht an einer neuen Braurezeptur für Bier: Amandine André vom Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation hat das Potential von Hanfblüten erkannt, die heute bei Industriehanf als Abfallprodukt anfallen. Hanf und Hopfen gehören zur gleichen botanischen Familie und so schmeckt Hanf wie Hopfen ziemlich bitter. Hanf ist aber wärmeresistenter und kommt mit der Klimaerwärmung besser zurecht als Hopfen. Hanf braucht laut der ZHAW-Forscherin ausserdem kaum Dünger, Pestizide oder Bewässerung.
Zwar existieren bereits heute im Handel sogenannte «Hanfbiere», dabei wird der Hanf aber nicht als Ersatz, sondern zusätzlich zum Hopfen beigesetzt und die Biere weisen in der Regel einen typischen Hanfgeschmack auf. Das Ziel des ZHAW-Forschungsprojekt ist es allerdings, Hopfen durch Hanf zu ersetzen und ein Produkt zu kreieren, dass schlussendlich wie ein herkömmliches Hopfenbier schmeckt.
Nach mehreren Jahren Suche nach geeigneten Hanfsorten und dem richtigen Rezept, zeigen erste Versuche nun vielversprechende Ergebnisse. So können bis zu Dreiviertel des Hopfens mit Hanf ersetzt werden, ohne die Bitterkeit zu beeinträchtigen – allerdings braucht es gleichzeitig drei- bis viermal mehr Hanf als Hopfen, um eine vergleichbare Bitterkeit zu erreichen. Daneben muss auch der Kochprozess etwas angepasst werden und der Hopfen darf erst kurz vor Ende des Kochprozesses beigeben werden und nicht schon 90 Minuten vorher wie beim Hopfen, da sonst die Bitterintensität abnimmt. Bei ersten Blinddegustationen der ZHAW-Hanfbiere konnten die Testpersonen bei der einen Rezeptur keinen Unterschied zwischen dem Versuchsbier und dem klassischen Lagerbier feststellen.
Durch die Verwendung von Hanfblüten verspricht sich die ZHAW ein nachhaltigeres Bier und für die Schweizer Brauereien weniger Abhängigkeit von Hopfenimporten.
Regionales Malz aus regionaler Braugerste
Auch der Anbau von Braugerste wurde schon vor Jahrzehnten aus der Schweiz verdrängt und lange Zeit bauten die Schweizer Bäuerinnen und Bauern nur noch sehr wenig Braugerste an. So wurde auch das aus der Braugerste gewonnene Malz zum Bierbrauen grösstenteils importiert. Seit gut 10 Jahren widmen sich aber wieder ein paar Landwirtinnen und Landwirte mehr dem Anbau der anspruchsvollen Kultur und zuletzt hat der Anbau von Braugerste eine Fläche von über 250 Hektaren erreicht. Die Mehrheit des Getreides musste für das Vermälzen jedoch aus- und wieder eingeführt werden, denn dieser für das Bierbrauen so wichtige Schritt, passierte nach wie vor hauptsächlich im Ausland.
Bei den Brauereien steigerte sich zuletzt aber nicht nur die Nachfrage nach hiesigem Hopfen, sondern auch nach regionaler Braugerste, die in der Schweiz verarbeitet wird. So baute die Schweizer Mälzerei AG mit Unterstützung der IG Mittellandmalz in Möriken-Wildegg im Kanton Aargau eine Produktionsanlage und seit Anfang 2022 wird dort nun Braugerste vermälzt. Die Produktionsanlage in Möriken-Wildegg ist mit einer Mälzungsanlage ausgestattet, die über drei 10-Tonnen-Trommeln verfügt und jährlich rund 1’500 Tonnen Malz produzieren soll. Die Schweiz benötigt mehr als 70’000 Tonnen Braumalz jährlich – rund 98 Prozent stammen also nach wie vor aus dem Ausland.
Die IG Mittellandmalz strebt den Ausbau dieser regionalen Wertschöpfungskette an und hat sich zum Ziel gesetzt, dass Anteil an Schweizer Malz dereinst auf rund zehn Prozent zu erhöhen. Schweizer Malz kostet im Moment aber noch bis zu dreimal so viel wie importiertes Malz. Nichtsdestotrotz garantiert der Trend zur Regionalität die Nachfrage nach heimischem Malz.
Braugerste und Malz
Die Gerste verleiht dem Bier Geschmack und Farbe. Für Braugerste eignen sich nur zweizeilige Sommergersten. Gute Sorten sollen ertragreich sein und müssen weitere wichtige Kriterien erfüllen. Neben der Sorte spielen Düngung und Pflanzenschutz wichtige Rollen für die Eignung der Gerste zum Bierbrauen. Ein wichtiger Punkt ist beispielsweise der optimale Proteingehalt, der unter anderem für die Schaumqualität des Bieres verantwortlich ist: Erhält die Gerste Stickstoff zur falschen Zeit, bildet sie vermehrt Eiweiss und zu viel Eiweiss ist für helle, schlanke und süffige Biere ungeeignet. Auch die Qualität muss stimmen, denn die Kriterien nicht erfüllt sind, kann kein gutes Bier gebraut werden und die Gerste wird zu Futtergerste deklassiert.
Die Braugerste wird dann zu Braumalz weiterverarbeitet. Malz ist nichts anderes als Getreide, meist eben Gerste, das kurz zum Keimen gebracht und wieder getrocknet wurde. Mit diesem Vorgang wird die im Korn enthaltene Stärke in Malzzucker umgewandelt und für die spätere Gärung zu Alkohol verfügbar gemacht. Für einen Hektoliter Lagerbier sind etwa 21 Kilogramm Gerste beziehungsweise 17 Kilogramm Malz notwendig.