Michael Gygax fährt gerade mit der Spritze über sein Rapsfeld. «Auf den höchsten Pflanzen habe ich mehr als 20 Rapsglanzkäfer gezählt, auf den kleineren auch über 10 Exemplare», schildert der Landwirt aus Deisswil BE das Ergebnis seiner Klopfproben. Es ist bereits die zweite Behandlung, die Gygax durchführt: Letzte Woche setzte er Acetamiprid ein (Gazelle), diesen Montag dann – mit Sonderbewilligung – Blocker, ein Pyrethroid. «Bei diesem warmen Wetter ist der Raps die letzten Tage stark gewachsen und der Wirkstoff aus Gazelle hat sich verdünnt», begründet der Berner den erneuten Einsatz.
Keine Seltenheit
Die Lage präsentiert sich derzeit überall ähnlich, sagt Simon Binder vom Strickhof in Lindau ZH – mehr als 20 Käfer pro Pflanze seien heuer keine Seltenheit. «Wir hatten einen sehr frühen Einflug des Rapsglanzkäfers», gibt er zu bedenken. Das Problem sei, dass nur noch wenige Mittel zur Verfügung stehen und diese teilweise etwas schwächelten in der Wirkung. «Dieses Jahr ist der Glanzkäferdruck im Vergleich zu den letzten Jahren massiv, zudem spielt das Wetter nicht mit», fährt er fort. Der Raps brauche wegen der kalten Nächte länger, bis er blüht. «Wenn schon früh viele Glanzkäfer an den Blütenknospen nagen und nur noch Wirkstoffe mit nicht ganz voller Wirkung zur Verfügung stehen, wird es schwierig», so Binder. Acetamiprid und Spinosad haben gemäss dem Fachmann je eine teilweise Kontakt- und Frasswirkung. Letztere tritt naturgemäss erst verzögert ein und durch neuen Zuflug könne es passieren, dass man trotz Behandlung nicht unter die Schadschwelle von 10 Käfern pro Pflanze komme. Das Pyrethroid Etofenprox im Mittel Blocker hingegen wirke als Kontakt- und Atemgift auf Insekten und habe daher einen starken «Knock-Down-Effekt». Aufgrund des Gefahrenpotenzials für Gewässer dürfen Pyrethroide im ÖLN nur mit Sonderbewilligung angewendet werden. Eine solche wird nur erteilt, wenn vorgängig ein Mittel verwendet worden ist, das im ÖLN frei einsetzbar ist. Eine optimierte Applikationstechnik (z. B. Wasser-Aufwandmenge von min. 300 l/ha, Brühe ansäuern, Zugabe Netzmittel) könnten die Wirkung und damit die allgemeine Effektivität der Behandlung verbessern, bemerkt Binder.
«Mehr als 20 Käfer pro Pflanze sind keine Seltenheit»
Simon Binder, Strickhof
Regen macht es schwierig
Mit dem Tonmineral Kaolin steht auch eine biologische Bekämpfungsmethode (zugelassen in Bio, Extenso und IP-Suisse) zur Verfügung, seine Anwendung sei aber einerseits aufwändig und andererseits derzeit durch die Witterung erschwert: «Es regnet alle zwei Tage und da Kaolin, wenn die weisse Schicht auf den Blättern wieder abgewaschen ist, erneuert werden muss und man wegen den nassen Böden nicht wöchentliche Durchfahrten machen kann, ist die Anwendung in diesem Jahr anspruchsvoll», so Simon Binder. Bei Spinosad und Etofenprox verbinde sich der Wirkstoff im Gegensatz dazu mit der Wachsschicht der Blätter und weise daher eine gewisse Regenfestigkeit auf. Acetamiprid verteile sich systemisch in der Pflanze, wodurch die Nachwirkung bei Regen länger erhalten bleibe.
Immerhin entschärft sich die Situation in absehbarer Zeit, denn in frühen Lagen sind bereits erste offene Rapsblüten sichtbar. «Sobald die Blüten geöffnet sind, bekommt der Glanzkäfer den gesuchten Pollen quasi auf dem Serviertablett und muss nicht mehr die Knospen aufbeissen», erklärt Simon Binder. Schäden sind durch die Käfer dann nicht mehr zu erwarten, sie wirken sogar als Bestäuber. Ein Insektizideinsatz in blühende Bestände ist denn auch verboten. Der Blühbeginn ist allerdings schwierig auf den Tag genau zu prognostizieren. «Letztes Jahr dauerte es wegen der nasskalten Witterung sehr lange», erinnert sich der Fachmann, «dieses Jahr hingegen stehen die Chancen gut, dass uns auf Ostern bereits viele Rapsfelder mit einer Blütenpracht erfreuen.»
Abends eine Option
Auch bei späteren Feldern kann man auf eine baldige Blüte hoffen, doch bei überschrittener Bekämpfungsschwelle kann vorgängig nochmals ein Insektizid nötig sein. Eine nicht immer einfache Entscheidung, zumal das Wetter in punkto Wind und Befahrbarkeit Grenzen setzt. Um bei einigermassen windstillen Verhältnissen und trotzdem während der Aktivitätszeit der Rapsglanzkäfer zu spritzen, wäre eine Behandlung in den Abendstunden eine Option, meint Simon Binder. Nach Erdfloh und Stängelrüssler sei der Glanzkäfer quasi einer der letzten grosse Widersacher für den Raps. «Den Erdfloh haben die Kulturen gut überstanden und den Rüsslern sind sie praktisch davongewachsen», stellt Binder fest. Er nehme an, dass wer seinen Bestand bisher insektizidfrei habe führen können, wohl eher auf die rasche Blüte hofft bzw. Surround (Kaolin) einsetzt und keine Abmeldung vom Bundesbeitrag für Verzicht auf Pflanzenschutzmittel im Ackerbau (Fr. 800.–/ha für Raps) vornimmt. Nicht zuletzt habe der Raps ein grosses Kompensationsvermögen und sei sehr kräftig aus dem milden Winter gekommen.
Die Untersaat wirkt
Würde er nicht Spritzen, bliebe in seinem Fall wohl wenig zu ernten, schätzt Michael Gygax. Nachdem er 2023 seinen Raps Extenso und im Rahmen eines HAFL-Projekts angebaut hat, fährt er dieses Jahr eine intensivere Strategie. «Letztes Jahr war unser Raps auf einer Anhöhe, heute im Moos, wo viel Raps angebaut wird und der Schädlingsdruck höher ist», erklärt Gygax. Nach wie vor setzt er aber auf eine Untersaat, die sich erneut bewährt habe. So konnte der Landwirt gegen Erdfloh und Stängelrüssler auf eine Behandlung verzichten und «mehr Unkraut als andere habe ich auch nicht im Raps», ergänzt er. Der Buchweizen in der Untersaat sei regelrecht gelöchert worden, während die Kulturpflanzen nur vereinzelt Schäden an den Seitentrieben davongetragen hätten. «Ich gehe davon aus, dass der Raps sich davon erholt», ist Gygax zuversichtlich