«Auch Wasser wird zum edlen Tropfen, mischt man es mit Malz und Hopfen», behauptet ein altes Sprichwort. Während das Wasser im Schweizer Bier aus hiesigen Quellen stammt, werden die veredelnden Zutaten Hopfen und Malz nach wie vor in beträchtlichen Mengen importiert.
Zunehmende Vielfalt in der Schweiz
Die Schweizer Bierlandschaft ist in den letzten Jahren zunehmend vielfältiger geworden. Zählte das Land im Jahr 2010 noch rund 300 Brauereien, hat sich deren Zahl bis heute fast verfünffacht: Der Schweizer Brauerei-Verband listet aktuell ganze 1432 steuerpflichtige Brauereien. Zu den traditionell erhältlichen Biersorten sind neue hinzugekommen; so erfreuen sich beispielsweise fruchtige Pale Ales im englischen Stil wachsender Beliebtheit. Der Bierkonsum von Herrn und Frau Schweizer ist jedoch in der jüngsten Vergangenheit mit jährlich rund 55 Litern pro Kopf konstant geblieben.
Steigt der Bedarf?
Während das Thema «Swissness« in den letzten Jahren ins Bewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten gerückt ist, werden die meisten Schweizer Biere noch immer mit ausländischem Gerstenmalz hergestellt. Zunehmend brauen jedoch einzelne, zumeist kleinere Brauereien auch mit Braugerste aus Schweizer Anbau. Von einem eigentlichen Trend mag Christoph Lienert, der stellvertretende Direktor des Schweizer Brauerei-Verbandes, jedoch zumindest aktuell noch nicht sprechen: «Der Wunsch nach Schweizer Zutaten mag da sein, explizit formuliert wird er aber von den Bierkonsumenten bislang nicht. Biere, die ausschliesslich aus Schweizer Zutaten hergestellt werden, gibt es vereinzelt; es handelt sich dabei aber aktuell noch immer um Nischenprodukte.»
Zahlen zum Schweizer Anbau fehlen
Tatsächlich werden in der Schweiz nur kleine Mengen an Braugerste angebaut. Zum Bierbrauen lassen sich zwar sowohl Sommer- als auch Wintergerste verwenden. Offizielle Zahlen zu Anbauflächen und Erträgen lassen sich jedoch keine finden, wie Daniel Erdin, Leiter des statistischen Dienstes des SBV (Agristat) bestätigt. Weil die Anbauflächen klein sind und die Flächen bezüglich Direktzahlungen wie alle anderen Gerstenflächen behandelt werden, wird Braugerste vom Bundesamt für Statistik bislang nicht gesondert erfasst. «Das wird vermutlich auch so bleiben, bis die Braugerste eine grössere Bedeutung erlangt oder bezüglich der Direktzahlungen anders behandelt wird als die übrigen Gerstenkulturen», sagt Erdin.
Appenzeller Pioniere im Anbau
Die ersten Schweizer Gehversuche beim Anbau von Braugerste unternahm die Appenzeller Brauerei Locher bereits zu Beginn der Neunzigerjahre. «Das war keine Marketingidee und auch keine Reaktion auf Kundenwünsche», sagt Verwaltungsratspräsident Karl Locher dazu. «Uns ging es um die Förderung der Berglandwirtschaft und um ökologischere Alternativen zur Importgerste.» Lochers Versuche im auf 800 m.ü.M. gelegenen Appenzell waren so erfolgreich, dass sich bald mehrere Bergbauern meldeten, die Gerste für die Brauerei anbauen wollten. Im Jahr 2003 ist die Brauerei schliesslich eine Partnerschaft mit der Bergbauerngenossenschaft Gran Alpin eingegangen, sodass heute bereits über 50 Produzenten aus den Schweizer Berggebieten Gerste für die Brauerei Locher anbauen. Den gesamten Bedarf des Brauhauses können sie jedoch bei weitem nicht abdecken.
Förderung des Schweizer Anbaus
Die Brauerei Locher ist nicht der einzige Abnehmer von Gran Alpin. Auch die Bündner Brauerei BierVision aus Monstein und die Biereria Engadinaisa aus Tschlin beziehen ihre Gerste aus Schweizer Berggebieten. Gran Alpin liefert ihnen ausschliesslich Sommergerste, da die Genossenschaft nur auf Flächen produzieren lässt, die auf über 1000 m.ü.M. gelegen sind. Diese kommen für den Anbau von Wintergerste nicht in Frage. Anders präsentiert sich die Lage im Mittelland. Die IG Mittellandmalz, ein Verein, der es sich zum Ziel gesetzt hat, Bauern und Brauer zusammenzubringen, lässt ganzjährig Braugerste produzieren. Die IG ist jüngst eine Partnerschaft mit IP Suisse eingegangen, die in Zusammenarbeit mit Denner ein «Chäferli-Bier» lancieren will. «Daraus erklärt sich die sprunghafte Zunahme der Anbaufläche in diesem Jahr», erklärt Dominik Füglistaller von der IG Mittelandmalz. Von den rund 79 ha, welche die IG betreut, entfallen fünfzig auf diesen neuen Vorstoss. Auf den übrigen 29 ha lässt die IG 8 ha Sommer- und 21 ha Wintergerste anbauen.
Bald auch Schweizer Malz?
Obwohl in der Schweiz zunehmend mehr Braugerste angebaut wird, kann man beim Braumalz nicht von einem reinen Schweizer Produkt sprechen. Damit das Korn zum Brauen verwendet werden kann, muss es vermälzt werden. Dazu lässt man das Korn kontrolliert keimen, sodass Enzyme aktiviert werden, die während des Brauens Stärke und Eiweisse abbauen. Da in der Schweiz lediglich eine kleine Mälzerei in der Westschweiz existiert, muss die gesamte Schweizer Braugerste im Ausland vermälzt werden. Dies soll sich bald zumindest teilweise ändern: Unter dem Slogan «Regiomalz – Schweizer Getreide gemälzt in der Schweiz» will ein junges, dreiköpfiges Team eine Mälzerei in der Zentralschweiz aufbauen. «Uns geht es in erster Linie darum, die Wertschöpfungskette in der Schweiz zu schliessen. Unser Ziel ist es, ein glaubwürdiges, lokales Produkt herzustellen, das trotz leicht höherer Preise auf dem Markt konkurrenzfähig ist», sagt Mit-Initiator Johannes Hunkeler.