Neue Köpfe und ein Abschied
Mit Applaus wurde Urs Müller verabschiedet, der auf Ende Jahr in Pension ging. Die Leitung seiner Gruppe Beratung Obst, Beeren Gemüse übernimmt ab 1. Februar Andrea Marti. [IMG 2] Ralph Gilg ehrte den neuen Obstfachmann mit Meisterprüfung, Roman Henauer und die drei Thurgauer Obstfachleute EFZ, die 2023 abgeschlossen hatten: Kim Leuzinger aus Dozwil, Jeannine Reller aus Berneck und Beat Streckeisen aus Berg. Martina Häberlin ist Nachfolgerin von Colette Ammann und führt nun das Sekretariat des Thurgauer Obstverbands beim VTL. Eine Gedenkminute gab es für den kürzlich verstorbenen Jean Bötsch aus Salmsach. Er hatte massgeblich zur Gründung des Thurgauer Obstverbands beigetragen.

Wie könnte es auch anders sein: Der Pflanzenschutz war auch an der Thurgauer und St. Galler Obstfachtagung ein Thema. Jede Firma präsentierte zum Saisonstart neue Mittel, die auf Makroorganismen wie Schlupfwespen, Nematoden oder etwa Algenpräparaten beruhen. «‹Spray and pray› – also sprühen und beten, dass es wirkt», brachte es Reto Leumann vom BBZ Arenenberg auf den Punkt. Wirksame neue Mittel gibt es nicht und altbekannte darf man oft nur mit Sonderbewilligungen ausbringen.
«Wir wollen die gleichen Bedingungen wie die ausländischen Produzenten», schob Ralph Gilg, Präsident des Thurgauer Obstverbands, nach und erinnerte an die Zwetschgensaison 2023. Diese fiel für einen Teil der Schweizer Betriebe aufgrund des Zwetschgenwicklers miserabel aus.
Um die Zwetschgen zu schützen, wären mit den hierzulande zugelassenen Mitteln mehrere Pflanzenschutzbehandlungen nötig gewesen. Aber zugelassen sind nur zwei Behandlungen. Nicht zugelassen – auch in der EU nicht – ist das Mittel Insegar. Aber im Ausland konnte man durch eine Notzulassung Pflaumen und Zwetschgen schützen – und notabene in die Schweiz importieren. Darum fordert Gilg gleich lange Spiesse. An eine Antiresistenz-Strategie sei kaum mehr zu denken.
Ändert sich die Situation nicht, werde der Zwetschgenanbau aufgegeben, warnte Gilg. Aber der Pflaumenwickler sei nur die Spitze des Eisbergs, so Gilg. Pflanzenschutz scheint ein Kampf gegen Windmühlen zu sein, denn es tauchen immer wieder neue Schädlinge und Krankheiten auf, beispielsweise die Kelchfäule.

Kelchfäule in der Ostschweiz

«Meldungen von Kelchfäulebefall häuften sich in der Ostschweiz, insbesondere bei krebsanfälligen Sorten», sagte Richard Hollenstein vom LZSG Flawil. In manchen Anlagen gab bis zu 20 Prozent Schäden. Verantwortlich dafür seien verschiedenste Schaderreger. Symptome treten oft erst im Juni/Juli auf oder sogar erst im Lager. Tatenlos stehen die beiden Obstbauberater Richard Hollenstein und Reto Leumann diesem Problem nicht gegenüber. [IMG 4] Sie machten eine entsprechende Eingabe an das Forum Obst. Auch sind sie im Austausch mit der niedersächsischen Obstversuchsanstalt in Esteburg (D), wo man sich mit der Kelchfäule schon länger herumschlägt. Ebenso testeten Hollenstein und Leumann 2023 an zwei Anlagen, welche Strategien wirken. Anfällige Sorten seien Cox Orange, Kanzi, Rubens, Gala und Braeburn. Wichtig sei, den Krebsdruck in den Parzellen zu senken. «Der Krebs muss weg», legte Richard Hollenstein den Landwirten nahe.

Robuste Sorten umstritten

Eine Lösung scheint der Anbau von robusten Sorten zu sein, den der Bund mit Strukturverbesserungsbeiträgen fördert. Aber gleich drei namhafte Redner äusserten sich dazu sehr kritisch. «Das ist eine marktverzerrende Massnahme und kann den Mostobst-Hochstammanbau massiv einschränken», sagte er. Auch der Thurgauer Regierungsrat Walter Schönholzer doppelte nach, ebenso wie Jimmy Mariethoz, Direktor Schweizer Obstverband. Nicht desto trotz sind schon Gesuche für 13 ha bei der Thurgauer Genossenschaft für landwirtschaftliche Investitionskredite und Betriebshilfe (GLIB) eingetroffen.

Kritik an Bundesbern ist berechtigt, aber manchmal müsste die Branche selbstkritischer sein. Mit der Branchenlösung «Nachhaltigkeit Früchte» trägt sie selbst dazu bei, dass die Anforderungen steigen. Reto Leumann sprach von einem «Anforderungs-Dschungel». 2022 musste man für «Nachhaltigkeit Früchte» 30 Punkte auf der Checkliste erreichen, nun sind es schon 50 Kontrollpunkte. «Je höher die Anforderungen, desto stärker steigen der zeitliche und der monetäre Kontrollaufwand», sagte er.

Auch verwies Leumann auf die IP-Suisse, die neue Massnahmen zur Förderung der Biodiversität im Obstbau einführen will. Mitte Januar war noch immer nicht entschieden, was gelte. Neu sei Biodiversität gesamtbetrieblich. Bekannt sind einzelne Massnahmen wie mehr Biodiversitätsförderfläche (BFF) als beim ÖLN verlangt wird, die BFF angrenzend an eine Obstparzelle, ein Teil in Qualitätsstufe 2 (Q II) und Hochstammbäume gemäss der Fructusliste.

Nachwuchs steigt ein

Trotz aller Schwierigkeiten finden die St. Galler und Thurgauer Obstbaufamilien Erfüllung in ihrem Job und auch kostendeckende Einkommen. Anders wäre es nicht zu erklären, dass sich junge Hofnachfolgerinnen und -nachfolger dafür begeistern und den Ausbildungsweg auf sich nehmen. Ralph Gilg ist denn auch stolz darauf, dass neun von 14 Absolventen der BLS 1 aus dem Kanton Thurgau stammen.


Pflichten, Rechte und Arbeitssicherheit

[IMG 5] In der zweiten Hälfte des Vormittags ging es nicht mehr um Pflanzengesundheit, sondern um Arbeitsrecht und Wohlergehen von Bauernfamilien und ihren Angestellten. Darüber referierte Monika Schatzmann. Sie leitet beim Schweizer Bauernverband den Fachbereich Agrimpuls und zählte prägnant die Pflichten des Arbeitgebers auf:

  • Die Lohnabrechnung (Bruttolohn inklusive Zulagen und Abzüge) muss monatlich erstellt und dem Mitarbeiter eine Kopie ausgehändigt werden.
  • Massgebend für die Einstufung in die Lohnklasse ist nicht die Ausbildung, sondern die Funktion.
  • Zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gehört nicht nur eine Schutzausrüstung fürs Spritzen, sondern der Betriebsleiter muss auch Konflikte unter Mitarbeitenden regeln.
  • Ferner muss der Betriebsleiter von sich aus über Änderungen beim Normalarbeitsvertrag (NAV) oder bei den Sozialversicherungen informieren. Das gilt auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, beispielsweise was die Nichtberufsunfallversicherung betrifft.
  • Bei befristeten Arbeitsverträgen muss im Vertrag das Eintritts- und Austrittsdatum stehen sein oder der Hinweis «Apfelernte».
  • Für die Stellenmeldepflicht sind ab 2024 sind nur noch Hilfskräfte im Gemüse- und Obstbau meldepflichtig.
  • Aushilfen im Obstbau haben zum Teil viele kleine Pensen bei verschiedenen Arbeitgebern. Wenn das Jahreseinkommen des Angestellten tiefer als Fr. 2300.– ist, ist es nicht AHV-pflichtig, Der Mitarbeiter kann aber bei jedem seiner Chefs verlangen, dass abgerechnet wird.