Sobald es das Wetter nach dem 15. Juni zulässt, werden in der Schweiz die Ökowiesen im Talgebiet gemäht. Der späte Schnittzeitpunkt an sich schont bereits die Wiesenbewohner, denn so wird einem Teil der Schmetterlinge und Bodenbrütern ermöglicht, ihre Entwicklung abzuschliessen. Auch Feldhasen und Rehe sollten bis Mitte Juni ihren Nachwuchs gross gezogen haben können.
Trotzdem ist es mit der gesetzlich vorgeschriebenen späten Mahd noch nicht getan. Denn beim Mähen können je nach eingesetzter Maschine und Vorgehensweise viele Tiere ihr Leben verlieren.
Rehkitze sind nicht auszuschliessen
Kurt Altermatt, Präsident der Revierjagd Solothurn gibt zu bedenken, dass es auch nach dem 15. Juni immer noch vereinzelt Rehkitze in Wiesen gibt, die noch nicht flüchten. Das gehe manchmal bei der Bewirtschaftung vergessen. Massnahmen wie regionale Jäger zu verständigen, Verblenden und Abschreiten seien daher auch beim Mähen von Ökoflächen nicht zu vernachlässigen.
Mehr Informationen zur Rehkitzrettung finden Sie hier.
Tipps zur schonenden Mahd von Biodiversitätsförderflächen
1. Möglichst wenig Überfahrten: Bei jeder Fahrt werden Kleintiere und Insekten überrollt. Hier helfen grössere Arbeitsbreiten.
2. Fluchtwege offen lassen: Mobile Wiesenbewohner flüchten vor der Mähmaschine dorthin, wo noch Gras steht. Das kann man ihnen ermöglichen, in dem man
- von innen nach aussen mäht und einen Randbereich stehen lässt
- oder von aussen nach innen mäht und de Mitte stehen lässt
- oder in Streifen mäht und den letzten Streifen stehen lässt
- Empfohlen werden zwischen 5 und 10 Prozent der Fläche als Altgras stehen zu lassen.
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Von innen nach aussen mähen: So flüchten die Wiesentiere in die «richtige» Richtung. (Grafik Agridea)
3. Schonendes Gerät einsetzen: Keine Mähaufbereiter (verboten bei QII), Mulchgeräte (verboten auf BFF) oder Saugmäher auf Ökowiesen einsetzen. Motorbalkenmäher sind schonender als Rotationsmäher, da sie keine Sogwirkung erzeugen.
4. Grosse Schnitthöhe wählen: Nach der Mahd sollten möglichst mehr als 8, besser 10 bis 12 Zentimeter hohe Grasstoppeln stehen bleiben. Bei Motorsensen ist die Schnitthöhe schwer zu kontrollieren, es wird oft zu tief gemäht.
5. Frühmorgens oder abends mähen: Empfohlen wird, an Schönwettertagen zur Schonung von Bienen und Reptilien wie Eidechsen oder Blindschleichen vor 7 Uhr oder nach 18 Uhr zu mähen.
6. Gut besuchte Wiesen stehen lassen: Sitzt pro Quadratmeter Fläche mehr als eine Biene auf den Blüten, sollte die Mahd noch verschoben werden.
7. Gestaffelt mähen: Grosse Flächen sollte man nicht auf ein Mal mähen, sondern gestaffelt. Z. B. zwei Drittel mähen und dann drei Wochen später erst den Rest. Eine Staffelung macht auch überbetrieblich Sinn, wenn Bäuerinnen und Bauern den Schnittzeitpunkt von aneinandergrenzenden Ökowiesen absprechen.
8. Lange Mahdintervalle: Damit Bodenbrüter ihre Jungen aufziehen können, brauchen sie ein mähfreies Zeitfenster von sechs Wochen. Je mehr Zeit zwischen den Schnitten liegt, desto besser können sich Kleintiere vermehren.
9. Rückzugsstreifen rotieren: Beim nächsten Schnitt die stehengelassenen Bereiche mähen und andere dafür auslassen (Verbuschung vermeiden). Das gilt auch für Herbstmahd: Ein Altgrasstreifen sollte in den kalten Monaten zum Überwintern stehen bleiben.
Das ist beim Mähen vorgeschrieben
BFF QI:
- Mindestens 1x pro Jahr mähen
- Frühestens am 15. Juni (Tal- Hügelzone), bzw. 1. Juli (Bergzonen I und II), oder 15. Juli (Bergzone III und IV)
- Mulchen ist verboten
- Schnittgut muss abgeführt werden (Ast- und Streuehaufen für Tiere sind erlaubt)
Zusätzlich für QII:
- Mähaufbereiter sind verboten
Für Vernetzungsbeiträge gelten zusätzlich kantonale Vorgaben!
Altgrasstreifen richtig einsetzen
Im ersten Jahr sind Altgrasstreifen auf frisch angesäten Wiesen laut Bioaktuell nicht empfehlenswert, da dies den Pflanzenbestand verschlechtern kann. In Hochstamm-Anlagen können Streifen mit hohem Gras zudem Mäuse anlocken, weshalb man sie nicht direkt unter den Baumreihen stehen lassen solle. Das sei besonders wichtig bei jungen Bäumen.
Das lebt in einer Ökowiese
In Biodiversitätsförderflächen wie Ökowiesen leben auf verschiedenen Höhen zwischen Grashalmen, Blumen und Kräutern unterschiedliche Tiere:
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Für Insekten und Kleintiere in einer Ökowiese bedeutet das Mähen Lebensgefahr und eine buchstäblich einschneidende Veränderung ihres Lebensraums. (Bild Agridea)
- Braunkehlchen: brütet von Mai bis An fang August in blumenreichen, vielfältigen und extensiv genutzten Wiesen.
- Blindschleiche: hält sich bevorzugt im verfilzten Gras und in Grashaufen auf.
- Grasfrosch: lebt im Sommer in feuchten Wiesen und Wäldern.
- Radnetzspinne: wohnt, frisst und vermehrt sich in der Wiese; hängt Netze im hohen Gras auf und überwintert im Eistadium.
- Marienkäferlarve: Larve und ausgewachsener Käfer ernähren sich von Blattläusen.
- Bockkäfer: ernähren sich ausgewachsen oft von Blütenpollen; bei einigen Arten entwickelt sich die Larve im Tot holz, bei anderen in Stengeln von Kräutern.
- Honigbienen und Wildbienen: sammeln während der ganzen Vegetationszeit Pollen und Nektar auf Blüten von Nutz- und Wildpflanzen.
- Wiesenschaumzikade: Larve entwickelt sich in Schaumgebilde an Wiesenpflanzen.
- Sichelwanze: Räuberische Wanze, die hauptsächlich in mageren Wiesen lebt und kleine Insekten jagt.
- Schmetterlinge, Dickkopffalterraupe: frisst Gräser, verpuppt sich in Blattröhrchengespinst in Bodennähe.
- Schmetterlinge, Schachbrettfalter: die Raupe frisst Gräser, der Schmetterling saugt Nektar von violetten Blüten wie Flockenblumen, Witwenblumen oder Disteln.
- Schmetterlinge, Puppe eines Widderchens: verpuppt sich im Juni in Kokon an Halmen.
- Heuschrecken: an Blättern und Halmen in der Wiese; Eier meist im Boden, Larven im Frühjahr, ausgewachsene Tiere ab Juli-August.
- Hummel: nistet z. T. am Boden und trägt zur Aufzucht der Larven Pollen und Nektar ein; besucht häufig Pflanzen von extensiv genutzten Wiesen.
- Laufkäfer: meist bodenlebende tagoder nachtaktive Käferarten.
- Schwebfliegenlarve: Larve frisst Blattläuse in der Krautschicht; ausgewachsenes Tier häufig auf Blüten.