[IMG 4]Es gibt quasi alles «… des Jahres», von der Pflanze über den Sportler bis zum Reptil. Birdlife kürt jeweils einen Vogel des Jahres, doch zum 25. Jubiläum dieses Titels überlässt der Verband die Wahl allen Interessierten: Noch bis Ende Oktober kann online abgestimmt werden.

Keine gefährdeten Arten

Fünf Vogelarten stehen zur Auswahl und es sind – anders, als man es vielleicht erwarten würde – keine seltenen. Vielmehr sind es häufige Bewohner von Gärten, Wäldern oder strukturreichem Kulturland, namentlich Grünspecht, Kleiber, Schwanzmeise, Mönchsgrasmücke und Rotkehlchen. Birdlife begründet die Auswahl damit, dass diese Arten eben erfreulicherweise zu den 40 Prozent der nicht gefährdeten Brutvögel in der Schweiz zählen. «Es ist wichtig, dass den Vögeln und ihren Lebensräumen stets Sorge getragen wird – auch den häufigen», schreibt der Verband. Damit ist der Mahnfinger zwar bereits erhoben – aber immerhin ist die Wahrscheinlichkeit gross, bei einem Spaziergang oder im heimischen Garten einem potenziellen Vogel des Jahres 2025 zu begegnen – oder ihn zumindest zu hören.

Hier können Sie den Vogel des Jahres 2025 wählen

Turner mit Balancierschwanz

[IMG 2]Das eher aggressiv veranlagte und alles andere als menschenscheue Rotkehlchen haben wir Ihnen an dieser Stelle bereits vorgestellt. Die Schwanzmeise ist zwar ähnlich klein, aber im Gegensatz zum Rotkehlchen äusserst sozial: Wie die Vogelwarte schildert, verbringen die schwarz-weiss-braunen Vögel das ganze Jahr in Gruppen, schlafen gemeinsam und helfen sich ab und zu gegenseitig bei der Brutpflege oder wenn es einen Feind abzuwehren gilt. Ihren Namen hat die Schwanzmeise von ihren langen Schwanzfedern, die ihr zum Balancieren dienen. Dank ihrer kleinen Grösse und ihres geringen Gewichts können diese Meisen bis in die äussersten Zweige turnen und dort Insekten und Spinnen erbeuten, wo grössere Vögel nicht hinkommen. Fast ein wenig geschwätzig wirkt die Schwanzmeise, zirpt sie doch in einem fort vor sich hin und bleibt so mit ihren Artgenossen in Kontakt. In den Bau ihrer Nester investieren diese Vögel wochenlange Arbeit; das Resultat ist eine mit Federn und Haaren gepolsterte Kugel.

Chamäleon mit Federn

[IMG 3]Was sein Nest angeht, setzt der Grünspecht auf Holz und hämmert sich seine Unterkunft wie andere Spechtarten auch in alte Bäume. Alternativ bezieht er bestehende Baumhöhlen, die mit Holzspänen ausstaffiert werden. Grünspechte gelten als in ihrer Verwandtschaft am stärksten auf Ameisen spezialisierte Art. Pro Tag vertilgt ein Vogel bis zu 2000 Ameisen, indem er seinen Schnabel in die Erde stösst und seine bis zu zehn Zentimeter lange Zunge wie ein Chamäleon als Hilfsmittel einsetzt. Ameisen dienen dem grün gefiederten Specht mit der roten Kappe aber nicht nur als Nahrung, sondern auch zur Körperpflege: Beim sogenannten «Einemsen» lassen Grünspechte Ameisen über ihren Körper laufen. Sie hinterlassen dort Ameisensäure, die den Vogel vor lästigen Parasiten schützt.

Dank seiner eher ungewöhnlichen Färbung und einer Körperlänge von bis zu 33 cm fällt ein Grünspecht deutlich mehr auf als die kleine Schwanzmeise. Oft verrät sein lachender Ruf die Anwesenheit eines Grünspechts. Im Flug ist er daran erkennbar, dass er sich wellenförmig durch die Luft bewegt und zwischen den Schlägen seine Flügel ganz an den Körper anlegt. Grünspechte bevorzugen halboffenes Gelände, denn zur Suche nach Ameisen halten sie sich oft am Boden auf. Droht dort Gefahr, ziehen sie sich schnell in die sichere Höhe eines Baums zurück.

Ins Nest passt nur er selbst

[IMG 5]Bäume sind auch der Lebensraum von Kleibern, die als einzige Vogelart kopfüber am Stamm unterwegs sind. Während sich Spechte mit ihren stabilen Schwanzfedern abstützen können, verlässt sich der kurzschwänzige Kleiber nur auf seine Füsse, mit denen er sich in der Borke festkrallt. Dort findet er Insekten und Samen, Nüsse werden festgeklemmt und mit dem spitzen Schnabel bearbeitet, bis sie ihren Kern preisgeben.

Um ungebetenen Besuch im Nest zu vermeiden und trotzdem von bestehenden Nistmöglichkeiten in Kästen oder Baumhöhlen profitieren zu können, haben Kleiber eine eigene Strategie: Sie schaffen Lehm herbei und kleben das Einflugloch so zu, dass nur sie selbst noch durchpassen. Insofern ist der Name Programm, wie Birdlife schreibt. Denn früher habe man Handwerker, die Lehmwände bauten, als «Kleiber» bezeichnet. Diesen Beruf gibt es zwar nicht mehr, die blau-orangen Vögel mit dem markanten Streifen vom Schnabel über die Augenpartie bis zum Nacken sind aber noch immer gern gesehene Bewohner von Wäldern, Parks, grossen Gärten und Obstwiesen.

Flötende Mücke mit Kappe

[IMG 6]Im Gegensatz zur mit ihr verwandten Gartengrasmücke trägt die Mönchsgrasmücke eine dunkelgefärbte Kappe, die an die Kopfbedeckung von Mönchen erinnert – oder deren Glatze. Bei männlichen Mönchsgrasmücken ist das Gefieder auf dem Kopf schwarz, bei Weibchen rötlich. Auch der Rest des Artnamens passt ganz gut zu den etwa kohlmeisengrossen Vögeln, denn sie fressen bevorzugt Insekten (sowie Spinnen und Beeren) und bauen ihr Nest in Form eines halboffenen Napfs aus Gräsern, Moos und Wurzeln. Platziert wird diese Behausung niedrig in Sträuchern. Wo es genug Sträucher oder Brombeeren hat, fühlt sich die Mönchsgrasmücke wohl – sei es in Wäldern, Gärten, am Feldrand oder auf Friedhöfen.

Den Gesang von Mönchsgrasmücken beschreibt die Vogelwarte als «klare, volltönende Flötenstrophen». Es ist der einzige unter den Kandidaten für den Vogel des Jahres, der die Schweiz über den Winter verlässt. Für die Reise nach Südeuropa, in den Mittelmeerraum oder Nordafrika steigern Mönchsgrasmücken ihr Fliegengewicht von gerade mal 14 bis 20 g um bis zu 30 Prozent. Die graubraunen Vögel sind gemäss Vogelwarte zu einem beliebten Forschungsobjekt bezüglich Zugverhaltens geworden, denn seit einigen Jahrzehnten habe sich bei einem Teil der Brutvögel eine neue Strategie etabliert: Sie fliegen nach Nordwesten Richtung Nordsee und auf die britischen Inseln.