Die Wolfspopulation im Kanton Graubünden hat in den vergangenen Jahren viel zu reden gegeben. Die Bündner Wolfsrudel sind nach wie vor sehr aktive Jäger und zeigen sich während des Winters vermehrt in unmittelbarer Nähe der Dörfer.
Wolf im Dorf unterwegs
Aktuell machen die Wölfe im Rheinwald rund jeden zweiten Tag Beute. Innert zweier Wochen wurden im Tal sieben Wildtierrisse gemeldet und es kam zu zahlreichen Sichtungen. So mussten etwa am Morgen des 19. Februar zwei Bauern einen Wolf aus der Nähe eines Schafstalles in Splügen vertreiben, wie ein Anwohner gegenüber der BauernZeitung erzählt. Er habe das Tier in der Folge mehrmals am Waldrand beobachten können. Um die Mittagszeit sei der Wolf dann in unmittelbarer Nähe von Wohnhäusern gesehen worden. Dort habe er eine Gruppe von Hirschen aus einem kleinen Wäldchen vertrieben und habe seiner Beute anschliessend nachgesetzt. «Zu diesem Zeitpunkt haben am Rand des Wäldchens Kinder gespielt», berichtet der Anwohner weiter.
Der Jäger folgt seiner Beute
«Während des Winters folgen die Wölfe dem Schalenwild in tiefere Lagen, wodurch sie sich auch vermehrt in der Nähe der Dörfer aufhalten und dabei gesehen werden. Das kennen wir aus vergangenen Jahren und unterschiedlichen Regionen», bestätigt Adrian Arquint, Vorsteher des Amts für Jagd und Fischerei (AJF) des Kantons Graubünden. Da sich die Wolfsrudel im Winter vermehrt im Tal und in der Nähe der Zivilisation aufhalten, werden die Wölfe auch selbst zum Opfer. So wurden in in Graubünden im Dezember vier Wölfe bei Verkehrsunfällen getötet.
«Situation ist durchaus ernst»
Sobald Wölfe sich tagsüber in Siedlungsnähe aufhalten würden, werde die weitere Entwicklung genau beobachtet, versichert Adrian Arquint. Das AJF stehe dazu mit den Behörden in den betroffenen Gebieten eng in Kontakt. So habe er am vergangenen Freitag die Situation im Rheinwald mit dem zuständigen Wildhüter angeschaut. Bei Bedarf wolle man die Bevölkerung über die aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden halten und über das richtige Verhalten informieren», sagt der oberste Wildhüter im Kanton.
Die Situation sei aktuell durchaus ernst, sagt Arquint. Obwohl grundsätzlich kein Grund zur Angst bestehe, müsse man die weitere Entwicklung im Auge behalten, betont er. «Da sich das Wolfsrudel vom Beverin momentan im Rheinwald aufhält, wird es stärker wahrgenommen. So kommt es dazu, dass nun auch Kadaver von Wildtierrissen festgestellt werden», erklärt Arquint.
Keine Risse an Nutzvieh
«Der Wolf ist kein Vegetarier, das ist klar. Solange die Raubtiere aber das Schalenwild bejagen und sich den Siedlungen nicht nähern, besteht kein Grund für ein aktives Eingreifen vonseiten des Kantons.» Dies werde erst in Form von Vergrämungsaktionen nötig, wenn Wölfe ihre Scheu vor dem Menschen verlieren würden, fährt Adrian Arquint fort. «Es gibt handfeste Kriterien dafür, dass man von einer Verhaltensauffälligkeit sprechen kann. Wenn sich ein Tier wiederholt in Dörfern zeigt und sich nicht verscheuchen lässt, dann muss man handeln.» Entsprechend ruft Arquint die Bevölkerung und insbesondere die Bauern dazu auf, Wolfssichtungen umgehend bei der zuständigen Wildhut zu melden: «Je mehr Kenntnisse wir haben, desto besser ist unsere Entscheidungsgrundlage», hält der Jagdinspektor fest.
Wölfe bald wieder in höheren Lagen
Schliesslich gibt Adrian Arquint zu bedenken, dass sich die Lage wohl schon bald beruhigen werde: «Die starken Schneefälle haben in diesem Winter dazu geführt, dass sich die Beutetiere besonders stark konzentrieren. Wenn aber die Temperaturen ansteigen und die Hänge schneefrei werden, werden sich die Hirsche wieder in höhere Lagen zurückziehen und sich besser verteilen. Das wird einen entsprechenden Einfluss auf die Sichtbarkeit des Wolfes haben.»
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