Auf kaum einem anderen Flecken der Erde wächst Gras so gut und so üppig wie im Schweizer Mittelland. Richtig angegangen, kann dieser Umstand noch besser genutzt werden als heute. «Im Sommer verdienen wir etwas, im Winter nichts», so die Worte eines westschweizer Milchbauern, welcher sich anlässlich der Blockade der Coopverteilerzentrale in Giviziez FR und Freiburg aus dem Jahr 2000 vor Gericht verantworten musste.
Nicht auf den ersten Blick
Obwohl er damit nicht auf die Fütterung der Milchkühe hinweisen wollte, sondern auf seine wirtschaftliche Lage, trifft er den Nagel auf den Kopf. Der Winter verursacht hohe Kosten in der Milchproduktion, ganz im Gegensatz zum Frühling, Sommer und Herbst. Die Kosten sind teilweise nicht auf den ersten Blick erkennbar und bedürfen einer analytischen Betrachtung. Sinnbildlich kann gesagt werden, dass der Milchbauer mehr verdienen kann, wenn er es schafft den Winter zu verkürzen. Hierzu muss beim Futter, bei der Kuh und beim Management angesetzt werden.
Zum Autor
Benno Jungo ist Agronom FH undleitet in Schmitten FR einen Betrieb mit Milchproduktion und Ackerbau. Er beschäftigt sich mit der weidebasierten Milchproduktion und stützt sich auf die Erkenntnisse des «SystemvergleichsHohenrain I und II».
Das optimale Futter
Gras in jungem Stadium wird von der Kuh auf der Weide gerne gefressen. Ein optimaleres Futter für Milchkühe gibt es nicht. Während der gesamten Vegetationsperiode vereint es hohe Nährstoffgehalte und hohe Ver-daulichkeit auf deutlich höherem Niveau als bei geschnittenem Gras und bei Dürrfutter sowieso. Die Kosten, um das Weidegras in die Kuh zu bekommen, sind sehr tief. Die Kuh holt es selbst auf der Weide. Geschnittenes Gras weist demgegenüber nicht nur tiefere Nährstoffgehalte und eine tiefere Verdaulichkeit auf, sondern verursacht durch den nötigen Maschinen- und Arbeitseinsatz hohe Kosten. Noch schlechter sieht es bei Dürrfutter oder Grassilage aus. Die entstandenen Konservierungsverluste (Bröckelung, Gärung) dezimieren den Nährstoffgehalt von konserviertem Futter massiv. Dies reduziert die Flächeneffizient. Dürrfutter und Silage verursachen hohe Kosten in der Gewinnung. Der Einsatz von Maschinen, Arbeit und Lager kostet viel, was Betriebe zu miserablen Betriebsergebnissen führen kann.Ziel in der Schweizer Milchproduktion muss es sein, den Anteil Weidegras in der Ration so hoch wie möglich zu halten. Wer dies nicht schafft, hat einen Wettbewerbsnachteil.
Die optimale Kuh
Um das optimale Weidegras zu verwerten, benötigt man eine optimale Kuh. Diese ist etwas kleiner als durchschnittliche Schweizer Kuh. Das heisst, ihr Lebendgewicht liegt unter oder nicht viel über 600 kg. Ebenso muss ihre genetisch mögliche Veranlagung für die Milchleistung etwas tiefer sein. Unter Schweizer Bedingungen kann eine Kuh alleine auf der Basis von Gras rund 7000 kg Milch pro Jahr produzieren. Kombiniert mit der entsprechenden genetischen Veranlagung kann mit Gras bei hoher Gesundheit und Fruchtbarkeit günstig Milch produziert werden.
Konzentrierte Futtermittel sind teuer
Milchleistungen über 7000 kg pro Kuh und Jahr müssen mit nährstoffkonzentrierteren Futtermitteln wie Mais, Soja oder Kraftfutter erfüttert werden. Sofern die genetischen Bedingungen hierfür vorhanden sind. Die nährstoffkonzentrierten Futtermittel steigern zwar die Milchleistung, schmälern jedoch aufgrund der hohen Kosten den Betriebserfolg. Ein häufiger Denkfehler ist, dass Milchleistung mit Effizienz gleichgesetzt wird. Dies trifft nicht zu. Die Milchleistung beschreibt, wie viel Milch ein Tier insgesamt produziert.
Gleiche Effizienz bei tieferen Futterkosten
Effizienz beschreibt, wie gut eine Kuh das Futter in Milch umwandelt. Kleinrahmigere Kühe mit mittleren Milchleistungen sind gleich effizient wie grossrahmige Kühe mit hohen Milchleistungen. Die kleinere Kuh ist dabei in der Lage, ihren Nährstoffbedarf weitgehend über Weidegras zu decken. Ihr relatives Fressvermögen ist höher, als bei grösseren Kühen. Dadurch kann mit gleicher Effizienz aber deutlich tieferen Futterkosten produziert werden.
Nicht optimal:Grosse Kühe
Grossrahmige Kühe mit hohen Leistungen sind in einem Vollweidesystem ein Problem. Ebenso sind sie in einem System mit Eingrasen ein Problem. Sie schaffen es weder auf der Weide, noch im Stall, genügend Gras zu fressen, um ihren Nährstoffbedarf zu decken. Auf der Weide haben sie zuwenig Zeit um sich das Futter zusammenzusuchen. Im Stall kommt den grossrahmigen Kühen ihr limitierendes relatives Fressvermögen in die Quere. Die Kühe füllen sich zwar den Pansen, doch das etwas ältere Gras, welches eingeführt wird, weist eine zu tiefe Nährstoffkonzentration auf. Um eine solche Kuh füttern zu können, müssen Futtermittel mit einer höheren Nährstoffkonzentration im Stall zugefüttert werden. Mais, Getreide, Soja – Kraftfutter. Und diese kosten. Damit steigen die Futterkosten stark an. Die Kuh konvertiert das Futter zwar genauso effizient wie eine kleinrahmigere Vollweidekuh. Die Futterkosten (Fr./kg Milch) sind aufgrund des nötigen Kraftfutters schlussendlich trotz höherer Milchleistung höher.
Der optimale Zyklus
Wenn man das optimale Futter sowie die optimale Kuh zusammenbringt, wird das Ganze noch besser, wenn man es schafft, dass alle Kühe im ersten Quartal des Jahres kalben. Durch gewisse Skaleneffekte (Kälberversorung, Abkalbemangement und Brunstbeobachtung) sowie durch die Melkerferien entsteht eine höhere Arbeitseffizenz. Der ganz grosse Vorteil entsteht jedoch bei der Fütterung. Da die Kühe alle während dem Winter galt sind, ist ihr Energiebedarf in dieser Zeit deutlich geringer. Sie fressen weniger. Im Winter spart man dadurch bedeutende Mengen Dürrfutter ein. Dies senkt einerseits die Kosten (Maschineneinsatz, Arbeit, Lager), andererseits steigt die Flächeneffizienz (weniger Konservierungsverluste). Nach dem Abkalben haben Kühe höchste Ansprüche an die Energie- und Proteinversorgung. Da diese Phase der höchsten Ansprüche genau mit der Phase des besten Grünfutters (junges Frühjahrsgras) zusammenfällt, kann die Kuh kostengünstig versorgt werden. Dies bringt eine gute Gesundheit und Fruchtbarkeit gepaart mit einer guten Leistung mit sich. Man spart sich grosse Mengen Kraftfutter. 200 kg oder weniger Kraftfutter pro Kuh und Jahr sind möglich und Realität. Die Milchpreise sind mancherorts zu tief und die Landwirte leiden darunter.
Weniger Arbeit, höherer Stundenlohn
Wer kostenseitig etwas verbessern will, kann mit einer Erhöhung des Weideanteils und tiefem Kraftfuttereinsatz viele Kosten einsparen. Die Arbeitsbelastung sinkt und der Stundenlohn nimmt zu, was Zeit für anderes frei macht und eine Verbesserung der Lebensqualität mit sich bringt. Wer dies nicht will, entscheidet sich bewusst für einen Wettbewerbsnachteil. Wer rechnet, der weidet.
In Kürze
Vollweide: Durch die Weidehaltung wird das Gras jung genutzt, was durch die höheren Nährstoffgehalte und die bessere
Verdaulichkeit die Flächeneffizenz erhöht. Die Arbeitseffizenz (Stundenlohn) steigt und Maschineneinsatzkosten sinken.
Kleinrahmige Kühe: Nur kleinrahmige Kühe können in einem Vollweidesystem mit optimaler Gesundheit und Fruchtbarkeit glänzen. Durch das hohe relative Fressvermögen kann Kraft-
futter eingespart werden und eine hohe Flächeneffizienz (bis 15 00 kg Milch/ha/Jahr) erreicht werden.
Abkalbung saisonal: Durch die saisonale Abkalbung im Frühjahr kann «der Winter verkürzt» werden. Alle Milchkühe sind im Winter galt, was zu einer deutlichen Einsparung von konservierten Futtermitteln führt. Die erhöht die Flächeneffizienz und senkt Kosten bei der Futtergewinnung und Lagerung genauso wie beim Kraftfutter. Durch die Melkerferien, sowie durch prozessoptimiertes Arbeiten in der synchronisierten Herde, steigt die Arbeitseffizienz. Da die Phase der höchsten Nährstoffansprüche mit der Phase des besten Grünfutters zusammenfallen, ist die Gesundheit und Fruchtbarkeit der Kühe trotz tiefer Fütterungskosten hoch.