Zielkonflikte sind in der Landwirtschaft häufig und viel diskutiert. Dagegen, dass Tierwohl und Umweltschutz gegeneinander ausgespielt werden, wehrt sich der Schweizer Tierschutz (STS) nicht zum ersten Mal. 2021 argumentierte man mit der HAFL-Studie, der zufolge die flächendeckende Einführung von BTS nicht mit höheren Ammoniak-Emissionen verbunden sein müsse. Dies dank der kompensierenden Wirkung eines Vollweide-Systems sowie Massnahmen im Stall bzw. Laufhof und bei der Hofdüngerlagerung. Eine neue Studie im Auftrag des STS hebt nun weitere positive Umwelteffekte der Weidehaltung hervor.
Die meisten Massnahmen nützen doppelt
Eine von der Ö+L GmbH erstellte Übersicht zu Schaden und Nutzen von Tierwohl-Massnahmen für die Umwelt zeigt eine deutlich positive Gesamtbilanz. «Je mehr Tierwohl, desto positiver wirkt sich dies in der Regel auf die Umwelt aus», schlussfolgern die Autoren. Untersucht wurden u.a. die Folgen von Weide statt Stallfütterung für Wiederkäuer (mit oder ohne RAUS), BTS für Wiederkäuer, RAUS und BTS für Geflügel und Schweine sowie ein tiergerechtes Leistungsniveau (Fütterung und Züchtung).
Weide schwingt oben aus
Bei den allermeisten in der Studie beleuchteten Nachhaltigkeitsaspekten schnitt die Weide anstelle von Stallfütterung gut ab:
So wirken sich weidende Kühe positiv auf die Biodiversität aus, weil sie etwa mit offenen Trittwegen, liegenbleibenden Fladen oder leichter Verunkrautung Lebensräume schaffen. Zusätzlich positiv sind in dieser Hinsicht schattenspendende Bäume.
Bei guter Weideführung steige ausserdem die Flächenproduktivität, da keine Ernteverluste anfallen.
Im Vergleich zum Stall gibt es laut der Ö+L GmbH auf der Weide deutlich weniger Ammoniak-Emissionen.
Ausserdem gehe das System mit einem tieferen Kraftfuttereinsatz einher, was wiederum die Nahrungsmittelkonkurrenz senken und Pflanzenschutzmittel einsparen könne (weil der Anbau von Kraftfutter wegfällt).
Für die Landwirt(innen) bedeute mehr Weide weniger Aufwand (keine Futterbergung oder -Konservierung) und tiefere Tierarztkosten.
Zu guter Letzt erwähnt die Übersicht die hohe Attraktivität weidender Kühe in der Landschaft. Diese überwiege allfällige Störungen durch Kuhglocken, sind die Autoren überzeugt. Lokale Bodenverdichtungen und eine punktuelle Stickstoff-Überdüngung an Harnstellen sind die einzigen negativen Punkte, die genannt werden.
Bei BTS gibt es ein Aber
Stehen Tiere auf der Weide, sind sie enger in ein Ökosystem eingeflochten und können z. B. wie oben beschrieben die Vegetation verändern und die Humus-Speicherung verbessern. Stallsysteme sind per se weniger stark mit der Aussenwelt verbunden, entsprechend bleiben in der Übersicht zu den Umweltwirkungen viele Felder leer. So haben BTS-Ställe z. B. kaum Einfluss auf die Biodiversität oder die Nahrungsmittelkonkurrenz. Die Autoren vermerken allerdings ein erhöhtes Ammoniak-Emissionspotenzial – es lasse sich aber durch geeignete Massnahmen teilweise eliminieren. Bei RAUS für Wiederkäuer ist der Effekt beim Ammoniak abhängig von der Hygiene im Laufhof. Ein Haken seien die Mehrkosten, die durch Direktzahlungen nur ungenügend kompensiert werden und je nach Betrieb ein höherer Arbeitsaufwand.
Bei Schweinen und Geflügel ist es anders
Was das «tiergerechte Leistungsniveau» angeht, unterscheiden sich Kühe als Wiederkäuer klar von den Monogastriern Schweine und Geflügel. Während bei Rindern die Nahrungsmittelkonkurrenz bei tieferem Leistungsniveau dank weniger Kraftfutter sinkt und die Nährstoffeffizienz steigt, ist bei Schweinen und Geflügel das Gegenteil der Fall: Die Verwertung der eingesetzten Futtermittel-Kalorien nimmt ab, genauso wie die ökonomische Leistung. Die Folgen für Arbeitsaufwand und Lebensqualität von Schweine- und Geflügelhaltern seien bei einem tieferen Leistungsniveau sehr unterschiedlich je nach Betrieb, halten die Autoren fest. «Generell dürfte aber ein tiergerechtes Leistungsniveau resilienter sein und damit weniger aufwändig und stressverursachend.»
Ein dreifacher Gewinn ist möglich
Die Ö+L GmbH ruft dazu auf, mit mehr Massnahmen fürs Tierwohl den Fünfer und das Weggli zu ergreifen. In vielen Fällen würden auch das bäuerliche Einkommen und die Lebensqualität auf dem Hof steigen, so die Argumentation. Und in den wenigen Bereichen, wo es Spannungsfelder zwischen Tierwohl und Umweltaspekten gebe, sei man diesen nicht ausgeliefert – es sei möglich, sie in eine Win-Win-Situation umzukehren.
Die detaillierte Übersicht finden Sie hier.
Daten aus einem Pilotprojekt
Die Ö+L GmbH hat ihre Übersicht auf Basis von Daten aus dem Pilotprojekt «3V» erstellt. Am Beispiel von 20 Betrieben analysieren darin das Bundesamt für Umwelt und das Bundesamt für Landwirtschaft, wie sich die Umweltziele mit gleichzeitigen Verbesserungen für die Bauernfamilien erreichen lassen. Der Fokus liegt dabei gezielt auf Synergien statt auf Zielkonflikten und die Betriebsleitenden wirken eng mit. Im Bereich Biodiversität und Umsetzung ist im Projekt 3V die Ö+L GmbH zuständig.