Jedes Haus hat seine eigene Geschichte. Diejenige des «Zythus» in Schlatt bei Appenzell ist eine ganz besondere. Sie reicht bis ins Mittelalter zurück. Davon zeugt der Turm, der immer noch intakt ist. Damals lebte dort ein Vogt. Etwa um 1650 herum wurde das Haus in seiner heutigen Form an den Turm angebaut. Es diente als Durchgangsposten und Unterkunft für Pilger und Händler, die von Deutschland nach Österreich und nach Ungarn reisten.

Seit etwa 100 Jahren ist das Bauernhaus im typischen Appenzeller Baustil in Besitz der Familie Peterer und seit zweieinhalb Jahren das Zuhause von Anja und Chläus Peterer und ihren vier Kindern. Sie haben dem denkmalgeschützten Bauernhaus neues Leben eingehaucht.

1/0

Zusammenarbeit mit Architektin war «ein Glücksfall»

Vor vier Jahren haben Chläus und Anja Peterer den elterlichen Betrieb übernommen. Fast gleichzeitig begannen die Planungsarbeiten für den Hausumbau. «Wir haben schnell gemerkt, dass der Umbau aufwendig wird», erzählt der 38-Jährige im Esszimmer mit der hellen Holzdecke, dem Holzboden und den hellgrünen Wänden. Das «Zythus» steht unter nationalem Denkmalschutz. Darum war eine enge Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege erforderlich. «Zu Recht», merkt Chläus Peterer an. Sie wandten sich an Jeannette Geissmann, eine Architektin aus St. Gallen. Anja Peterer bezeichnet dies als Glücksfall. Jeannette Geissmann sei ein treuer Gast in ihrer Alpbeiz.

«Mit ihrem Wissen und ihrer Kreativität ist es gelungen, das Haus so zu gestalten, dass der alte Aspekt erhalten blieb.»

Anja Peterer bezeichnet die Zusammenarbeit mit Archidektin Jeannette Geissmann als Glücksfall

Aber auch all die zahlreichen ortsansässigen Handwerker hätten einen grossen Beitrag zum Gelingen geleistet, hält sie fest.

Betriebsspiegel
Name: Chläus und Anja Peterer, Appenzell AI
LN:10 ha auf dem Heimbetrieb und 20 ha auf der Alp Bommen (1200 m ü. M.)
Tierbestand: 18 Milchkühe, 10 Galtkühe,10 Appenzeller Ziegen, 10 Alpsauen
Weitere Betriebszweige:Alpbeizli, geöffnet von Mai bis November

Wände und Decken von Hand heruntergewaschen

1/0
Das Holzhaus ist nach traditioneller Strickbauweise gefertigt. Im ersten Stock befinden sich Küche, Ess-, Wohn- und Badezimmer. Im zweiten Stock sind fünf Schlafzimmer, ein Büro sowie ein Badezimmer vorzufinden. Die Strickholzwände sollten erhalten bleiben. Anja und Chläus Peterer haben die Wände und Decken nicht abgebürstet oder sandgestrahlt, sondern stundenlang von Hand mit einem speziellen Mittel heruntergewaschen. «Es hat sich gelohnt», sagt Chläus Peterer, «das macht den Charakter und den Charme des Hauses aus».

Das Haus vereint Tradition und Moderne. Das zeigt sich zum Beispiel bei der Farbwahl des Täfers im Esszimmer. «In den alten Appenzeller Bauernhäusern sind die Wände meist knallgrün», erklärt Chläus Peterer. Sie entschieden sich für die dezentere Variante hellgrün und verwendeten bewusst Ölfarbe, weil dies üblich bei Appenzeller Bauernhäusern ist.

Typisch fürs Appenzeller Brauchtum sind auch die Senntumsschellen und die Fahreimer (hölzerne Melkkübel mit Schnitzereien und bemaltem Bödeli). Anja und Chläus Peterer haben sie im Esszimmer aufbewahrt. Das «Öberefahre» – die Alpfahrt in der Tracht – ist für die Familie ein wichtiges Ereignis im Jahreskalender.

Sanierung der alten Turmmauer hatte es in sich

Anja und Chläus Peterer haben viel Herzblut und Eigenleistung in jeden einzelnen Raum investiert. Und zu jedem Raum gäbe es etwas zu erzählen. Am aufwendigsten sei die Restauration der alten Turmmauer in der Küche gewesen, sagt Chläus Peterer.

«Früher war die Küche an die Mauer gebaut und deckte den grössten Teil ab. Der Mörtel war kaputt und bröckelte.»

Chläus Peterer zur Sanierung der Turmmauer in der Küche

Doch Not macht erfinderisch: Chläus Peterer strich das Material, das sie von den Wänden heruntergewaschen hatten, auf die Turmmauer. Das gibt der Küche ein rustikales und autentisches Erscheinungsbild. «Die Mauer ist das optische Highlight in der Küche», hält Anja Peterer fest. Der Raum ist das Herzstück und der soziale Mittelpunkt des Hauses.

1/0

Neben der Küche führt eine Tür in den alten Turm. Er wird als Lagerraum für Lebensmittel genutzt. Über die Turmtreppe gelangt man in den Garten. Der gesamte Turm musste innen und aussen restauriert werden. Die Denkmalpflege bewilligte, unten eine Tür einzubauen, weil das Fenster und dessen Steinfundament kaputt waren. «Als wir das Fenster rausnahmen, ist ein Teil der Mauer eingebrochen. Wir mussten sie stützen, damit der Turm nicht zusammenfällt», erzählt Chläus Peterer. Innerhalb von drei Tagen musste der kaputte Teil wieder rekonstruiert werden. Auch die Hausfassade musste neu gemacht werden. «Wir mussten eine neue Fassade draufmachen, um die alte zu schützen», erklärt ChläusPeterer.

Gratwanderung zwischen eigenen Wünschen und Vorgaben

Bei der Inneneinrichtung hatten sie Handlungsfreiheit. Einzige Ausnahme war der Kachelofen in der Stube. Weil der alte Ofen nicht mehr funktionstüchtig war und die Sanierung zu teuer gewesen wäre, wurde er durch einen Lehmofen ersetzt. Er unterstützt im Winter die neue Heizungsanlage mit Erdsonden und Wärmepumpe. Im Zuge der Sanierung wurde das Haus an die Kanalisation angeschlossen. Auch die ganze Elektroinstallation musste neu gemacht werden. Dies machte der gelernte Elektriker Chläus Peterer in Eigenleistung. Am wenigsten Arbeit gaben die Schlafzimmer. Die mussten nur isoliert und neu getäfert werden.

1/0

Der Umbau sei eine Gratwanderung zwischen den Forderungen der Denkmalpflege und den eigenen finanziellen Möglichkeiten und persönlichen Vorstellungen gewesen, sagt Chläus Peterer. Erstere hätten die Fixkosten schon in die Höhe getrieben. Anja Peterer nennt ein konkretes Beispiel: «Bei den Fenstern hatten wir die klare Vorgabe, dass innen und aussen die Leisten auf dem Glas angebracht sind.» Auf der anderen Seite sei ihnen die Denkmalpflege auch entgegengekommen. «In unserem Schlafzimmer gab es einen historisch geschützten Türrahmen. Wir hätten uns jedes Mal bücken müssen, um ins Schlafzimmer zu kommen», schildert Anja Peterer. Sie schlugen eine eigene Lösung vor: Nämlich über ein anderes Zimmer einen Durchbruch zu machen. Dies hiess die Denkmalpflege gut.

Insgesamt sei die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten sehr gut gewesen, betonen die beiden. «Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass wir alle Beteiligten von Anfang in die Umbaupläne einbezogen haben», sagt die 35-Jährige. Die Denkmalpflege beteiligte sich letztendlich mit ca. 10 Prozent an den Baukosten, einen weiteren finanziellen Zustupf gab es von der Schweizer Berghilfe.

Bauphase war turbulent und intensiv

1/0
Die Planungsphase dauerte rund eineinhalb Jahre, die Bauphase sechs Monate. Der Umbau war für die junge Familie eine anspruchsvolle Zeit. Sie wohnten dazumal noch in einem Miethaus in Stein in Appenzell Ausserrhoden. Chläus Peterer spricht von einer intensiven Zeit mit einigen Herausforderungen. «Ich war praktisch nonstop auf der Baustelle.» Gleichzeitig mussten die Betriebe mit der Agrina Handel GmbH, dem Bauernhof, der Alp sowie der Alpwirtschaft im Sommer am Laufen gehalten werden. Zudem erwarteten sie ihr viertes Kind.

Chläus Peterers Eltern leisteten während dieser Zeit viel Unterstützung auf dem Hof sowie im Stall. Mitte Oktober 2020 konnten Anja und Chläus Peterer mit ihren Kindern ins neue Zuhause einziehen. Sie sind die fünfte Generation der Familie Peterer, die hier lebt. Chläus Peterer sagt: «Wir sind sehr stolz auf das Ergebnis. Es ist etwas Schönes zustande gekommen.» Freude haben auch die Verwandten, ganz besonders Chläus Peterers Vater, der hier aufgewachsen ist.