Mastitis ist nicht gleich Mastitis. Neben der gut sichtbaren Form gibt es auch jene, die ohne sichtbare Symptome verläuft: Bei dieser Form der Euterentzündung spricht man von subklinischer Mastitis. «Diese Erkrankung können wir nur mit-hilfe von Zellzahlmessungen oder einem Schalmtest diagnostizieren», erklärt Michèle Bodmer, Leiterin der Bestandesmedizin Rind in Bern. Sind die Zellzahlen in der Milch deutlich erhöht, kann das für Landwirtinnen und Landwirte das erste Anzeichen einer Infektion sein.

Verlauf der klinischen Mastitis

Im Gegensatz dazu zeigt sich die klinische Mastitis durch sichtbare Symptome am Euter, manchmal auch begleitet von Fieber und Appetitlosigkeit. Michèle Bodmer erläutert: «Die klinische Mastitis lässt sich in drei Schweregrade einteilen. Im ersten Grad gibt es nur leichte Verhärtungen des Euterviertels und Veränderungen in der Milch. Im zweiten Grad verschlimmern sich diese Veränderungen und die Tiere bekommen Fieber, fressen aber in der Regel noch. Der dritte Grad ist besonders kritisch. Hier zeigen die Tiere hohes Fieber oder Untertemperatur und einen stark reduzierten Allgemeinzustand – das ist ein Notfall.»

Ein wichtiger Aspekt für Landwirte ist laut der Tierärztin die frühzeitige Erkennung einer subklinischen Mastitis. «Wenn die Zellzahlen in der Milch plötzlich auf über 150 000 Zellen ansteigen, ist das ein klares Warnsignal», betont sie. Ein positiver Schalmtest sei ebenfalls ein deutliches Anzeichen. Die frühzeitige Erkennung sei dabei entscheidend, um eine allfällige Ausbreitung der Infektion in der Herde zu verhindern.

«Versuche, chronisch infizierte Tiere zu behandeln, scheitern häufig.»

Michèle Bodmer, Leiterin der Bestandesmedizin Rind in Bern.

Keime entweder aus der Umwelt oder auf der Kuh

Weiter ist die Unterscheidung zwischen kuhassoziierten und um-weltassoziierten Mastitiserregern wichtig, weil sie unterschiedliche Präventionsstrategien erfordert. Kuhassoziierte Erreger wie Staphylococcus aureus, Streptococcus agalactiae und Mycoplasma bovis werden durch eine Milchprobe diagnostiziert, die mittels Kultur oder PCR analysiert wird. «Bei einem Befund von Staphylococcus aureus kann eine fünftägige Behandlung notwendig sein, während bei Streptococcus agalactiae eine dreitägige Behandlung ausreicht. Für Mycoplasma bovis gibt es jedoch keine Therapie – hier bleibt nur die Schlachtung», erklärt die Tierärztin. Und diese Präventionsstrategien sollten regelmässig überprüft und angepasst werden, um die Gesundheit der Herde zu sichern, sagt sie.

AboSeit einiger Zeit ist eine Impfung gegen den Mastitis-Erreger Uberis auf dem Markt. Solche Impfstoffe werden wichtiger.Tiergesundheit«Impfkonzepte sind keine Kochrezepte»Mittwoch, 6. September 2023 Wenn Tierhalter hohe Zellzahlen feststellen, müssen sie rasch handeln, um die Infektion einzudämmen. «Zuerst sollte eine genaue Analyse der Zellzahlverläufe durchgeführt werden», so Michèle Bodmer. «Es ist ratsam, alle Tiere mit hohen Zellzahlen zu testen, um das betroffene Viertel zu identifizieren. Melkzeuge sollten regelmässig desinfiziert werden, um die Verbreitung von Erregern zu minimieren.» Je nach Keimspektrum könne es auch notwendig sein, die Hygiene im Stall, an den Melkzeugen und in den Laufgängen zu verbessern. 

Wann ist eine antibiotische Behandlung sinnvoll?

Doch ab wann ist eine antibiotische Behandlung bei subklinischer Mastitis nun sinnvoll? Michèle Bodmer erklärt: «Antibiotika sollten in der Regel nur bei frischen Infektionen mit Staphylococcus aureus, Streptococcus uberis und Streptococcus dysgalactiae eingesetzt werden. Andere Staphylokokken und Corynebacterium bovis müssen nicht während der Laktation therapiert werden, können aber in der Galtphase von einer antibiotischen Behandlung profitieren.» Dabei sei wichtig: «Die Entscheidung über eine Behandlung sollte immer in Absprache mit dem Tierarzt und auf Basis einer genauen Diagnose erfolgen.»

Prävention ist möglich

Zur Prävention von subklinischer Mastitis können Landwirte eine Reihe von Massnahmen ergreifen. «Wichtig ist, die Melkarbeit zu optimieren, indem die Anrüstzeit zwischen 60 und 90 Sekunden liegt und Blindmelken vermieden wird. Die Funktionsfähigkeit der Melkmaschine sollte regelmässig überprüft werden», empfiehlt Bodmer. In der Transitphase sollten Massnahmen ergriffen werden, um das Festliegen der Kühe zu verhindern, und auch eine adäquate Energie- und Spurenelementversorgung ist entscheidend für die Vorbeugung.

Wichtig: die Trockenstehperiode

Auch die Trockenstehperiode spielt eine wichtige Rolle bei der Verhinderung von subklinischer Mastitis. «Die Milchleistung sollte vor dem Trockenstellen unter 15 kg liegen, und es sollte eine separate Galtgruppe gehalten werden», rät Michèle Bodmer. «Tiere mit bestehenden Infektionen sollten mit Antibiotika behandelt werden, während bei nicht infizierten Tieren ein Zitzenversiegler zum Einsatz kommen kann.» Eine saubere Haltung der Galtkühe und eine hohe Futteraufnahme in der Galtgruppe, besonders zwei bis drei Wochen vor dem Abkalbetermin, sind ebenfalls entscheidend.

Ein weiterer Aspekt der Prävention ist die Versorgung der Tiere mit Vitamin E und Selen. «Bei einem bestehenden Mangel kann eine verbesserte Versorgung die Abwehrkräfte des Euters stärken und Infektionen verhindern. Bei einer bereits ausreichenden Versorgung bringt eine zusätzliche Gabe jedoch keine weiteren Vorteile», erklärt Bodmer.

Ist Impfen sinnvoll?
Seit einiger Zeit sind diverse Impfungen auf dem Markt. Nun stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit kommerzieller Impfstoffe gegen Mastitis. Wie Michèle Bodmer betont, sind Impfstoffe nur in Kombination mit anderen Massnahmen wie verbesserter Hygiene und optimierter Melkarbeit wirksam. «Die ganze Herde muss geimpft werden, und das Impfprotokoll muss strikt eingehalten werden», sagt sie. «Zwar können die Impfungen die Infektionsrate nur geringfügig senken, aber sie reduzieren den Schweregrad der Erkrankung und die Ausscheidungsmenge der Erreger.» Dies sei besonders bei Problemen mit gramnegativen Erregern wie E. coli und Klebsiella von Bedeutung. Da könne eine konsequente Impfung Tierverluste verhindern.

Hygiene im Stall ist entscheidend

Auch die Wahl des Einstreumaterials spielt eine Rolle bei der Reduzierung von Umwelterregern. Bodmer weist darauf hin, dass Materialien wie separierte Gülle und Kompost risikobehaftet sind, insbesondere wegen ihrer hohen Feuchtigkeit. «Holzbasierte Einstreu kann gramnegative Bakterien begünstigen. Es ist daher wichtig, eine saubere und trockene Deckschicht zu gewähr-leisten; dies kann erreicht werden, wenn alle zwei Tage nachgestreut wird.»

Die Hygiene im Stall spielt eine zentrale Rolle bei der Prävention von Mastitis. «Saubere Liegeflächen, regelmässige Reinigung der Laufgänge und saubere Melkzeuge sind entscheidend, um den Infektionsdruck so gering wie möglich zu halten», erklärt die Tierärztin. Auch das Tragen von Handschuhen beim Melken und eine ausgewogene Fütterung, die für eine gute Mistkonsistenz sorgt, tragen zur Vorbeugung bei. Und schliesslich ist die regelmässige bakteriologische Untersuchung von Viertelgemelksproben eine wichtige Massnahme zur Überwachung der Eutergesundheit. «Eine risikobasierte Beprobung auf Grundlage der Zellzahlmessungen kann helfen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu behandeln», so Bodmer.

Unnötige Kosten vermeiden

Für Betriebe mit hohen Zellzahlen stellt die Behandlung von Mastitis eine besondere Herausforderung dar. «Versuche, chronisch infizierte Tiere zu behandeln, scheitern häufig und verursachen nur unnötige Kosten», warnt Michèle Bodmer. Zudem zeigen einige Erreger ein ungünstiges Resistenzmuster, was die Auswahl der wirksamen Antibiotika weiter einschränkt. Besonders in Betrieben mit Melkrobotern sei darauf zu achten, dass Kühe, welche mit Euterinjektoren behandelt wurden, nicht sofort nach der Behandlung gemolken werden, um die Wirksamkeit des Präparats sicherzustellen.

Landwirte stehen oft vor der Herausforderung, wie sie mit chronisch erkrankten Tieren umgehen sollen, insbesondere, wenn diese über einen längeren Zeitraum hohe Zellzahlen aufweisen. «Bei diesen Tieren liegt die Heilungswahrscheinlichkeit oft unter 30 %, selbst wenn die Resistenzen der Erreger günstig sind. In solchen Fällen ist die Schlachtung häufig die beste Option», bilanziert Bodmer.

 

Im Sommer und Herbst ist das Risiko einer Erkrankung am höchsten – warum ist das so?
Subklinische Mastitis tritt bei Milchkühen am häufigsten in den wärmeren Jahreszeiten auf, insbesondere im Sommer und Spätsommer. In diesen Monaten sind die Umweltbedingungen – vor allem die Kombination aus höheren Temperaturen und erhöhter Luftfeuchtigkeit – besonders günstig für das Wachstum von Mastitis verursachenden Bakterien.

Neben den Bakterien spielt auch der Hitzestress eine wesentliche Rolle. Bei hohen Temperaturen sind Kühe gestresst, was ihr Immunsystem schwächt und sie anfälliger für Infektionen macht. Gleichzeitig treten Fliegen auf, die ebenfalls in den wärmeren Monaten vermehrt vorkommen und zur Verbreitung der Keime beitragen können. Auch im Herbst besteht ein erhöhtes Risiko für subklinische Mastitis. Warum? Nach einem heissen Sommer, der die Kühe stark beansprucht hat, sind sie oft gestresst und dadurch noch anfälliger für Krankheiten. Selbst wenn die Temperaturen sinken, können die Nachwirkungen des Sommers dazu führen, dass die Häufigkeit von Mastitisfällen zunimmt.

Für Landwirtinnen und Landwirte bedeutet das, dass besonders in den Sommer- und Herbstmonaten erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich ist. Gute Stallhygiene, Massnahmen zur Reduzierung von Hitzestress und eine effektive Fliegenbekämpfung sind entscheidend, um die Gesundheit der Kühe zu schützen und die Milchleistung zu erhalten.