Er heisst Jimmi. Er ist ein Appenzeller-Mischling und hat keine Ahnung, wie hart das Leben eines Hofhundes noch vor wenigen Jahren war.
Der Hofhund lebte damals zu jeder Jahreszeit draussen in der Hundehütte, er war oft an einer langen Kette angeleint, zu fressen gabs die Tischabfälle und wenn er krank oder verletzt war, wurde er nicht selten ohne grosse Emotionen erschossen und landete, das wurde mir bestätigt, im Kochtopf.
Jimmi wird umsorgt
Jimmi geniesst heute, wie viele andere seiner Genossen, sein Leben mit Familienanschluss. Er hat sein Plätzli im Hauseingang, das er auf den Wohnbereich ausweitet, ohne grosse Konsequenzen befürchten zu müssen. Ausser er kommt gerade frisch von seinem Hofrundgang, zu dem auch der Miststock und der Kälberstall gehören.
Er darf fast täglich ein Familienmitglied auf einen ausgedehnten Spaziergang begleiten. Und wenn tierärztliche Behandlungen wie eine kostspielige Sprunggelenksoperation nötig sind, werden diese in die Wege geleitet.
Wenig «Gegenleistung»
Jimmis Gegenleistung ist im Vergleich dazu relativ bescheiden: Er hat Angst vor Kühen und ist auch sonst keine wirklich grosse Hilfe auf dem Hof.
Die Zeiten, als er noch allein Nachtpatrouille über den Hof machte, sind lange vorbei. Seit in der Nachbarschaft mehrere neue Quartiere entstanden sind, schätzt man die Anwesenheit eines bellenden und Fuchs verjagenden Hofhundes nicht mehr. Wenn er seine Rundgänge zudem noch in fremde Gärten ausdehnt, wird das natürlich überhaupt nicht akzeptiert. Daher die Frage: Braucht es in der heutigen Zeit noch einen Hofhund?
Pro und Contra Hofhund
Für einen Hofhund spricht: Allein das Wissen um die Anwesenheit eines Hundes bietet einen gewissen Schutz vor Einbrechern. Je nach Rasse und Ausbildung eines Hundes bringt er der Bauernfamilie einen grossen Mehrwert. Das Tier kann zum Beispiel Schutz-, Wach- und Hirtenhund-Aufgaben übernehmen. Der emotionale Wert von Jimmi ist für alle Familienmitglieder unbezahlbar. Er bereichert das Familienleben mit seinem Dasein ungemein.
Dagegen spricht: Der finanzielle Aspekt, der Ärger mit Nachbarn und Hofladenkunden, der Zeitaufwand, die Verantwortung und eine gewisse Abhängigkeit.
Lage spielt eine Rolle
Natürlich bestimmt die Lage eines Hofes, wie sinnvoll die Haltung eines Hofhundes sein kann. Ein abgelegener Hof mit viel Umschwung kann einem Hund ein richtiges Einsatzgebiet gewährleisten. Befindet sich dieser Hof jedoch in einem Wandergebiet, sind wiederum besondere Vorkehrungen nötig, damit sich die verschiedenen Bedürfnisse nicht überkreuzen.
«Es sind vor allem die Bäuerinnen, die mit ihrem Hofhund regelmässig Kurse in Unterwerfung besuchen», weiss Selina Gloor. Sie führt in Unterkulm AG eine Hundeschule. Seit vor Jahren der Sachkundenachweis für alle obligatorisch wurde, kommen auch Hofhunde-Halterinnen und -Halter zu ihr. Es wurden nicht weniger, als das Obligatorium wieder wegfiel.
Wenig Spielraum
Die dichte Besiedelung, der grosse Zuwachs an Hundebesitzern und die niedrige Toleranzschwelle der Bevölkerung lassen keinen Spielraum mehr für unerzogene und aggressive Hunde, sei es auf einem Hof oder im privaten Haushalt. «Wie gut ein Hund auf den Hof und sein spezielles Umfeld passt, beginnt schon mit der Wahl der Rasse», erklärt die Fachfrau. So sollte man sich etwa genau überlegen, ob man einen ruhigen Wächter wünscht oder ein lebendiges Arbeitstier wie den Border Collie.
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«Es lohnt sich auch auf jeden Fall, den Hund von Welpen an zu erziehen», so Selina Gloor weiter. Die Grundschulung beginnt mit der Welpen-Spielgruppe, wo der Hund sich an andere Hunde und ihre Besitzer gewöhnt und durch die Trainerin mit alltäglichen, aber auch aussergewöhnlichen Situationen konfrontiert wird.
Junghund nicht allein lassen
Weiter empfiehlt sie, den Junghund in den ersten Monaten nie auf dem Hof allein zu lassen, wenn er der Willkür fremder Menschen oder Tiere ausgesetzt sein könnte. Negative Prägungen lassen sich nur schwer korrigieren. «Hingegen lohnt es sich, viel Zeit in positive Erfahrungen zu investieren. Gerade im Umgang mit kleinen Kindern, wenn man selber vielleicht keine mehr hat in der Familie.»
Wichtig ist auch: Belohnen und loben bringt viel mehr Erfolg als strafen und schimpfen. Aber auch Hunde brauchen Konsequenz in der Erziehung. «Die ersten zwei Jahre sind harte Arbeit», so Selina Gloor. «Nachher hat man einen guten Hund an seiner Seite.»
Es zeigt sich: Die Grenze vom Hofhund zum Familienhund wird immer kleiner. Das bestätigt auch eine Nachfrage bei einem Tierarzt: Der einzige Unterschied, den er wahrnehme, sei, dass Hofhunde meistens etwas strenger riechen als Familienhunde.
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