Es ist die zweite Ausgabe des repräsentativen Stadt-Land-Monitors der Fenaco-Genossenschaft in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut Sotomo. Damit sind die ersten Entwicklungen innerhalb eines Jahres (von 2021 bis 2022) sichtbar. Es herrscht eine gewisse Einigkeit – mit den bekannten Meinungsverschiedenheiten.
Stabil, aber als grösser wahrgenommen
Als objektive Messlatte für den Stadt-Land-Graben stützt sich der Monitor auf die Ergebnisse der nationalen Abstimmungen. Gemessen daran hat sich der Graben laut Fenaco stabilisiert. Während die Resultate der Urnengänge 2020 und 2021 zwischen Grossstadt und ländlichem Raum stark voneinander abgewichen hätten, bewegten sie sich 2022 wieder im mehrjährigen Durchschnitt.
Das Thema Landwirtschaft wird aber nach wie vor äusserts kontrovers diskutiert: Die Fenaco stellt fest, dass die Massentierhaltungs-Initiative unter den Top-5-Abstimmungen mit der grössten Stadt-Land-Differenz seit 1981 rangiere.
Man fühlt sich unverstanden
Sowohl auf dem Land als auch in der Stadt haben viele Menschen das Gefühl, ihre jeweiligen Anliegen fänden nicht ausreichend Gehör. Im Vergleich zu 2021 seien immer mehr Städter(innen) dieser Meinung, nur 28 Prozent fühlten sich 2022 ausreichend gehört. 2021 waren es noch neun Prozent mehr gewesen. Umgekehrt fühlten sich nur 27 Prozent der Landbevölkerung in den Städten gut verstanden (2021 waren es 30 Prozent).
Man fühlt sich also allethalben gleichermassen unverstanden. Allerdings widerspricht die Fenaco dem Eindruck einer Mehrheit der Schweizer(innen), die Städte hätten in der Schweiz das Sagen: Bei Volksabstimmungen würden sie häufig überstimmt.
Mehr eigene Lebensmittel, aber wie?
Im Durchschnitt wünscht sich die Schweizer Bevölkerung einen Selbstversorgungsgrad von 70 statt der heutigen 57 Prozent. Der Wunsch nach einer unabhängigeren Ernährung ist unbeeinflusst vom Wohnort, die Ideen für den Weg dahin hingegen nicht. Vor allem auf dem Land unterstützt man laut Fenaco den Ansatz, die landwirtschaftliche Nutzfläche auszudehnen. Zustimmung erntet in den urbanen Räumen eher der Vorschlag, mehr pflanzliche statt tierische Lebensmittel zu produzieren.
Skeptisch ist man beiderseits des Stadt-Land-Grabens gegenüber einer Ertragssteigerung auf derselben Fläche.
Zustimmung bei Vertical Farming
Einzig Vertical Farming als Mittel für eine intensivere Flächennutzung wird in der Stadt und auf dem Land befürwortet. Eine Mehrheit der Befragten gab zudem an, den nötigen raumplanerischen Anpassungen für eine Umsetzung der vertikalen Produktion auch auf Landwirtschaftsbetrieben zuzustimmen. Andere neue Ansätze wie Nahrungsmittel aus Zellkulturen oder neue Züchtungsmethoden (Genom-Editing) beurteilt man kritisch. Die Fenaco bemerkt aber, dass nur ein Drittel der Umfrage-Teilnehmenden ihre Skepsis gegenüber letzterem zum Ausdruck brachte.
Lokaler Energiehandel würde begrüsst
Nicht nur bei Lebensmitteln, auch im Energiesektor wäre mehr Unabhängigkeit gewünscht. Schweizer(innen) möchten demnach lieber 70 statt 30 Prozent Selbstversorgungsgrad bei der Energie, was nach Meinung von Fenaco eine gute Voraussetzung ist, «um gemeinsam etwas zu bewegen». Bei der Bereitschaft zum eigenen Beitrag scheint es aber zu hapern, denn für eine Mehrheit ist Verzicht im Sinne von Energiesparen keine Option. Im Fokus stehen sollen vielmehr Innovationen und bessere Energieeffizienz stehen. Eine Ausnahme bilden hierbei grosse Städte, wo 54 Prozent der Befragten bereit wären, sich einzuschränken.
Die Idee, dass Landwirtschaft und Gewerbe überschüssigen Strom lokal an andere Verbraucher verkaufen können, kommt hingegen wieder auf beiden Grabenseiten gut an.