Am Mittwoch hat der Bundesrat die Botschaft zur Agrarpolitik 2022+ (AP 22+) verabschiedet und am Donnerstag hat sie Agrarminister Guy Parmelin den Medien vorgestellt. Eine genaue Analyse der technischen Details des 250-seitigen Papiers können wir noch nicht präsentieren, eine erste Übersicht lässt sich aber gewinnen.

Fokus Umwelt

Verwaltung und Regierung haben sich bei ihrem Entwurf offensichtlich bemüht, einen gangbaren Weg im Spannungsfeld der teilweise widersprüchlichen Erwartungen von Gesellschaft und Landwirtschaft zu finden.

Im Rahmen eines Hintergrundgesprächs erläuterten Vertreter des federführenden Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) am Donnerstag, welche Ziele sie mit welchen Massnahmen erreichen wollen. Zunächst zeigte man auf, wie anforderungsreich das politische Umfeld geworden ist. «Das zeigt sich insbesondere im Bereich Umwelt», so Christian Hofer, der neue Direktor des BLW. Stichworte dazu sind die hängigen Initiativen, der Klimawandel, das Insektensterben und am anderen Ende der Skala der Einkaufstourismus.

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«Vieles richtig gemacht»

Gleichzeitig stellte der neue Direktor (der an der neuen Botschaft allerdings nurmehr am Rande mitwirken konnte) der bisherigen Agrarpolitik und den Bauern ein gutes Zeugnis aus. «Vieles wurde richtiggemacht», sagte Hofer.

Positiv vermerkt wurden unter anderem die hohe Kalorienproduktion, die ansprechende Einkommensentwicklung, und die hohe Teilnahme an den Tierwohlprogrammen. Gleichwohl bleibe viel zu tun: Die Gesamtstützung bleibt im internationalen Vergleich sehr hoch und die Stickstoffbelastung sei namentlich in den tierintensiven Gebieten der Zentral- und Ostschweiz ebenso zu hoch wie die Emission von Treibhausgasen.

Wertschöpfung und Effizienz

Diese Bilanz führte zum Leitsatz für das neue Politpaket: «Mit der AP 22+ senkt die Schweizer Landwirtschaft ihren ökologischen Fussabdruck und schafft gleichzeitig Mehrwerte für die Landwirtschaft und die Konsument/innen.» Mit der Reform wolle man die Umweltbelastung senken, die Wertschöpfung am Markt erhöhen und die Betriebe darin unterstützen, ihre betriebliche Effizienz beispielsweise durch Digitalisierung zu erhöhen, fasste Hofer zusammen. Umsetzen will der Bundesrat das Ziel mit einer Fünfsäulen-Strategie, die wir hier kompakt zusammenfassen.

Handlungsfeld 1: Ökologischen Fussabdruck reduzieren mit einem Massnahmenpaket als Alternative zur Trinkwasser-Initiative:

  • Verbindlicher Absenkpfad für Stickstoff- und Phosphorüberschüsse (-10% bis 2025, -20% bis 2030).
  • Verschärfung des ÖLN (Abschaffung 10%-Toleranzgrenze in der Nährstoffbilanz mit Offenlegungspflicht, 3,5% Biodiversitätsförderfläche auf der Ackerfläche, Bodenverdichtung vermeiden, Phasenfütterung Schweine, Möglichkeit zur regionalen Verschärfung).
  • Reduktion von 3 auf 2,5 DGVE (via Gewässerschutzgesetz).
  • Weiterentwicklung der Biodiversitätsbeiträge.
  • Förderung umweltfreundlicher Produktionsformen (laut Christian Hofer z. B. Waschplätze für Feldspritzen) mit Strukturverbesserungsmitteln.
  • Produktionssystembeiträge (PSB) Pflanzenbau und Spezialkulturen (u. a. Verzicht auf Pflanzenschutzmittel, Humusbilanz via Humusrechner effizienterer Stickstoff-Einsatz, Nützlingsstreifen).
  • PSB Nutztierhaltung (u. a. Begrenzung Rohproteinzufuhr im Programm GMF, Reduktion Ammoniakemissionen, längere Nutzungsdauer Milch-/Mutterkühe).
  • Beiträge für standortangepasste Landwirtschaft (ab 2025).
  • Hofer sagte, es handle sich um einen Mix aus Vorschriften, freiwilligen Massnahmen und mit Beiträgen geförderten Programmen. Dabei betonte er, dass man einen verstärkten Vollzug anstrebt, das heisst im Klartext schärfere Sanktionierung mit Direktzahlungs-Kürzungen.

Handlungsfeld 2: Tierwohl und -gesundheit fördern:

  • RAUS+ mit verstärkter Förderung der Weidehaltung.
  • Beiträge für Tiergesundheit.
  • Förderung der Tierzucht auf Merkmale Tiergesundheit und Tierwohl (Tierzuchtstrategie 2030).
  • Aufbau von Kompetenz- und Innovationsnetzwerken.

Handlungsfeld 3: Betriebe weiterentwickeln:

  • Stärkung der Ausbildung: EFZ plus drei Module Betriebswirtschaft (auch für Bäuerinnen, deren Verband sich gegen das Vorhaben zur Wehr setzte) als Voraussetzung für Direktzahlungs-Berechtigung.
  • Lockerung der Regelung der Belastungsgrenze (mit Bewilligungsfreiheit für Schweizer Banken und Versicherungen).
  • Förderung von Innovation und Digitalisierung (Unterstützung Pilot- und Demonstrationsprojekte, Förderung von Breitbandanschlüssen im ländlichen Raum)
  • Ausweitung der Selbstbewirtschaftung auf juristische Personen (wobei neben Bewilligungspflicht 2/3 der Stimmrechte bei Selbstbewirtschaftenden liegen müssen).
  • Stärkung der Absicherung gegen Naturgefahren (Verbilligung der Prämien von Ernteversicherungen).

Handlungsfeld 4: Soziale Absicherung verbessern:

  • Obligatorischer Sozialversicherungsschutz für mitarbeitende Ehegatten als Voraussetzung für Direktzahlungs-Berechtigung mit zweijähriger Übergangsfrist (Abdeckung Verdienstausfall, Risikovorsorge für Invalidität und Tod, aber keine Lohn- oder AHV-Pflicht wie ursprünglich angedacht).
  • Vorkaufsrecht für selbstbewirtschaftende Nichteigentümergatten im Bodenrecht vor Geschwister und Geschwisterkindern (zwecks Besserstellung der mitarbeitenden Partner/innen).

Handlungsfeld 5: Mehr Wertschöpfung am Markt erzielen:

  • Konsequente Ausrichtung auf Qualitätsstrategie (sich über Qualitätsmerkmale von der Konkurrenz abheben). Hofer erklärte hier aufgrund seiner Erfahrungen an der Grünen Woche in Berlin hier seien wir schon «brutal gut».
  • Synergien Nachhaltigkeit und Markt nutzen (PSB, Verkauf von Ökoleistungen via Labels)
  • Innovationen bei der Vermarktung nutzen (unter Beizug digitaler Vermarktungskanäle).

Weiterentwicklung von AP 14-17

Zum Abschluss des sehr gut besuchten Mediengesprächs betonte Hofer, es gebe auch eine gewisse Kontinuität. Bei AP 22+ handle es sich um eine konsequente Weiterentwicklung der AP 14-17. Die AP 22+ schaffe zusätzlich die Rahmenbedingungen, dass die Landwirtschaft nicht nur umwelt- und tierfreundlicher produzieren, sondern auch ihre Wertschöpfung erhöhen und sozialverträglich weiterentwickeln könne. Hofer wies den Vorwurf zurück, wonach das Paket zu zahnlos sei. Es gebe namentlich im verschärften ÖLN sehr harte Vorschriften.

Die Kürzung um 35 Mio Fr. pro Jahr begründete Hofer mit der Motion Dittli, die erstmals dazu führe, dass die Teuerung in der Zahlungsrahmen berücksichtigt werde, was bisher nicht der Fall gewesen sei. Das heisst, dass diese Beträge noch nicht in Stein gemeisselt sind.