Für einmal sind es nicht etwa erschreckende Zahlen zum Biodiversitätsschwund, sondern Zahlen, die man gerne hört. «Die Landwirtschaft macht vorwärts bei der Reduktion der Risiken im Zusammenhang mit dem Pflanzenschutz», fasste Christian Hofer, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) an einem Mediengespräch zusammen. Das BLW zeigt sich von den hohen Teilnahmequoten an den neuen Produktionssystembeiträgen (PSB) positiv überrascht.
10'000 zusätzliche Hektaren ohne Fungizide und Insektizide
Die PSB gehen auf die Pa.Iv. 19.475 zurück, die als Antwort auf die Trinkwasser- und Pestizidverbots-Initiative entstanden ist und die Ziele des nationalen Aktionsplans Pflanzenschutz mit konkreten Reduktionszielen auf Gesetzesebene verbindlich verankert. Als eine der wichtigsten Massnahmen für deren Erreichung bezeichnete Bernard Belk, beim BLW verantwortlich für Direktzahlungs-Programme, den Verzicht auf Fungizide und Insektizide im Ackerbau. Diese ehemaligen Extenso-Beiträge wurden per 2023 auf Kartoffeln und Zuckerrüben ausgeweitet und für diese sowie Raps und Freiland-Konservengemüse höher angesetzt, was deutlich Wirkung zeigte: Von den 2023 zusätzlich für den Fungizid- und Insektizidverzicht angemeldeten gut 10'000 ha ging der allergrösste Teil auf Kartoffeln und Rüben zurück.
Damit verzichten die Betriebe und der Schweiz auf rund einem Viertel der gesamten Ackerfläche auf Insektizide und Fungizide.
Herbizidverzicht hat trotzdem funktioniert
Ein grosser Kritikpunkt der Branche beim PSB für Herbizidverzicht im Ackerbau und bei Spezialkulturen war dessen Vorgabe, dass die ganze Fläche einer Kultur herbizidfrei bewirtschaftet werden muss. «Der bisherige Ressourceneffizienzbeitrag wurde verschärft», stellte Bernard Belk fest. Dies auch im Hinblick darauf, dass die Referenzperiode nun von der Ernte der Vorkultur bis zur Ernte der Hauptkultur gilt. Trotzdem habe der PSB «ziemlich gut funktioniert», bilanzierte Belk. Tatsächlich beläuft sich der Anteil offener Ackerfläche mit Herbizidverzicht heute auf 18 Prozent. 2022 waren es – mit der Möglichkeit zum parzellenweisen Verzicht – rund 6 Prozent gewesen. Bei Reben und Obstanlagen beziffert das BLW die Zunahme der herbizidfrei bewirtschafteten Flächen mit 50 respektive 200 Prozent gegenüber 2022. Für die Zukunft zeigte sich Bernard Belk ausserdem zuversichtlich: «Das wird sich mit dem technologischen Fortschritt noch entwickeln», meinte er und sprach Smart-Farming-Technologien und Roboter an.
Knapp ein Viertel des Bodens schonend bearbeitet, drei Viertel bedeckt
Mit guten Nachrichten ging es weiter beim PSB zur angemessenen Bedeckung des Bodens und dessen schonender Bearbeitung. Beide wurden 2023 neu und offenbar erfolgreich eingeführt: Auf rund drei Viertel der Offenen Ackerfläche (OAF) schützen Landwirte den Boden nach der Ernte mit Gründüngungen, die über den Winter stehen bleiben. «Wir waren sehr, sehr positiv überrascht, dass also 74 Prozent der OAF ständig bedeckt sind», so Bernard Belk. Mulch-, Streifenfräs- oder Direktsaat fördert der Bund als bodenschonende Verfahren, die 2023 auf einem Viertel der Offenen Ackerfläche in der Schweiz zum Einsatz kamen. Das BLW führt den Erfolg dieser Programme auch darauf zurück, dass auf Wunsch der Branche die Vorschriften entschärft worden sind. So verzichtete man etwa auf die Kopplung von Bodenbedeckung und schonender Bodenbearbeitung.
Bio-Beitrag interessierte kaum
Was hingegen gar nicht gut funktioniert hat, war der PSB für die Bewirtschaftung von Dauerkulturen mit Bio-Hilfsmitteln. Nur 2 Prozent der potenziell dafür möglichen Flächen wurden 2023 für diesen Beitrag angemeldet (350 ha). Die Idee dahinter wäre, die Ansätze der biologischen Landwirtschaft auf Nicht-Bio-Betrieben zu fördern und so einen Anreiz zum Ausprobieren und schlussendlich zum Umstellen zu bieten, erläuterte Bernard Belk. Angesichts des mangelnden Interesses seitens Landwirt(innen) sei die Weiterführung dieses PSB allerdings fraglich.
Weidebeitrag für jeden dritten Betrieb
Betreffend Tierhaltung bieten die PSB bisher lediglich den Weidebeitrag. 2025 kommt der PSB für die verlängerte Nutzungsdauer von Rindvieh hinzu. Die Chancen des Weidebeitrags wurden aber letztes Jahr bereits rege genutzt, jeder dritte Betrieb mit Rindervieh hat laut BLW mit mindestens einer Kategorie am Weidebeitrag teilgenommen. In der Bergzone war die Teilnahmequote höher. «Das ist aufgrund der Strukturen normal», bemerkte Bernard Belk. Insgesamt sei es aber durch die Einführung der PSB nicht zu einer Verschiebung der Direktzahlungen vom Berg- ins Talgebiet gekommen, betonte er.
Rund ein Drittel der Beitriebe mit unter 90 Prozent in der Suisse-Bilanz
Der PSB «effizienter Stickstoffeinsatz» soll einen bedeutenden Beitrag zum Absenkpfad Nährstoffe leisten. Auch hier zieht sich das Bild der hohen Teilnahmequoten durch: 42 Prozent der Ackerfläche wurden 2023 dafür angemeldet, von 32 Prozent der Betriebe mit Ackerbau (rund 7900 Betriebe). Sie erfüllen demnach die Vorgabe, die Suisse-Bilanz mit unter 90 Prozent abzuschliessen. «Das ist überraschend, zeigt aber auch, dass die Betriebe den Stickstoffeinsatz optimieren können», so das Fazit von Bernard Belk.
Mit seinen abschliessenden Ausführungen machte BLW-Direktor Christian Hofer klar, dass er sich der Herausforderungen im Zusammenhang mit den PSB bewusst ist. «Unkraut und Schädlinge chemischen Pflanzenschutzmitteln zu bekämpfen, ist eine relativ einfache Methode», sagte er. Die Alternativen seien herausfordernder, aufwändiger und mit Kosten verbunden, weshalb der Bund direkt finanziell mit den PSB – aber auch via Züchtung und Förderung der Forschung – Unterstützung bieten wolle. Wie bereits der Bundesrat vor einer Woche räumte Hofer aber auch ein, dass der Entzug der Zulassung gewisser Wirkstoffe und die Zunahme neuer Schadorganismen zu Lücken im Pflanzenschutz führten. Das zeige sich z. B. mit der steigenden Anzahl Notfallzulassungen.
Risikoreduktion ist auf Kurs, Belastung bleibt vorerst
Das Ziel der Pa. Iv. 19.465 ist die Reduktion der Risiken im Zusammenhang mit Pflanzenschutzmitteln (PSM) um 50 Prozent sowie der Stickstoff- und Phosphorverluste um 17 bzw. 20 Prozent bis 2027 (gegenüber dem Wert von 2012 bis 2015). Die PSM-Risikoreduktion ist gemäss BLW gut auf Kurs, die 50 Prozent beim Grundwasser sind bereits erreicht. Auch bei den Oberflächengewässern ist man nahe an der Zielmarke. Da das Risiko aus den Faktoren Wirkstoffmenge, Toxizität und Exposition berechnet wird, tragen die wachsenden Flächen mit PSM-Verzicht dank der PSB zur Risikoreduktion bei. Ebenso Massnahmen wie etwa die Sanierung von Waschplätzen oder zur Reduktion von Abdrift.
«Trotzdem wird man noch eine Weile hohe Werte messen», gab BLW-Direktor Christian Hofer zur Schadstoffkonzentration im Grundwasser zu bedenken. Denn diese Ressource erneuere sich über Jahre, weshalb die Wirkung eines geringeren Risikos erst später sichtbar werde.
Höhere Teilnahme – höhere Kosten
Ursprünglich hat der Bundesrat zur Finanzierung der PSB 100 Millionen Franken innerhalb der Direktzahlungen umgelagert. Das sollte allerdings für zwei Jahre reichen. Nun belaufen sich die Kosten aufgrund der überraschend hohen Teilnahme an den PSB bereits für 2023 auf knapp 74 Millionen Franken. Die Politik bzw. der Bundesrat wird also entscheiden müssen, woher das Geld für PSB künftig kommen soll.