Das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) präsentiert keine neuen Lösungen, begründet sie in einem Artikel in «Agrarforschung Schweiz» aber ausgiebig. Weniger Fleisch, weniger geniessbare Lebensmittel im Abfall – so an sich simpel ist die Formel der Autoren für den notwendigen Wandel in der Ernährung. Die grösste Herausforderung sehen sie dabei in der Umsetzung – genauer in dem Umstand, dass die Transformation nicht nur auf der Produktionsseite angestossen werden könne.
Hunger wegen Bio?
Der Artikel steht im Zusammenhang mit der Diskussion um den Selbstversorgungsgrad, die, angeheizt durch den Krieg in der Ukraine, in den letzten Wochen verstärkt geführt worden ist. Beispielsweise liess sich Syngenta-CEO Erik Fyrwald in den Medien mit der Aussage zitieren, die um je nach Produkt bis zu 50 Prozent tieferen Erträge bei Bio würden indirekt zu Hunger in Afrika führen, wenn man sich zu fest auf biologisch produzierte Produkte konzentriere. Die niedrigere Produktion dürfe nicht einfach ignoriert werden.
Bio, oder allgemein agrarökologische Produktionssysteme könnten aber die Abhängigkeit von Dünger und Futtermittel aus dem Ausland reduzieren, gibt das FiBL zu bedenken. Es habe in der Debatte denn auch andere Stimmen gegeben: Laut den Autoren haben 600 Expert(innen) betont, man müsse jetzt in den Übergang hin zu einem gesunden und nachhaltigen Ernährungssystem investieren.
Die Abhängigkeit sinkt nur, wenn…
Die Ernährungssysteme der Industrieländer seien durch die grosse Menge und Abhängigkeit von importierten Produktionsmitteln gleichsam «aufgebläht», heisst es weiter. Sie zu verkleinern, wäre aus Sicht des FiBL der effektivste Ansatz, um den Druck hinsichtlich Umweltwirkung, Ernährungssicherheit, globale Märkte und Preise zu reduzieren. Konkret heisse das: Weniger Tiere und geschlossene Kreisläufe auf der Produktionsseite und – wichtig – ein geringerer Fleischkonsum und weniger Food Waste auf Seite Konsum. «Ohne drastische Veränderung des Konsumverhaltens würde eine Umgestaltung der Produktion und Verkleinerung des Ernährungssystems hauptsächlich in viel mehr Importen resultieren», sind sich die Forschenden bewusst. Nicht zuletzt war der befürchtete Ausgleich fehlender Tierprodukte aus dem Inland über Importe ein wichtiges Argument der Gegner der Massentierhaltungs-Initiative (MTI).
Mehr Ernährungssicherheit trotz tieferer Erträge
Eine extensive Bewirtschaftung führt naturgemäss zu kleineren Erntemengen. Trotzdem könnten der biologische Landbau und andere extensive Systeme zur Ernährungssicherheit beitragen, wird im Weiteren erläutert. «Denn die Produktion müsste nicht mehr maximal sein, mit hohen Tierbeständen, entsprechendem Futtermittelbedarf und Nährstoffüberschüssen», so die Erklärung. Bei einem durch veränderten Konsum geringeren Fleischbedarf und zusätzlich mehr verfügbarer Menge Lebensmittel dank weniger Food Waste wären kleinere Ernten nicht mehr problematisch. Ackerflächen könnten und sollten zudem direkt für die menschliche Ernährung statt futterbaulich genutzt werden.
Von Ideen und Vorstössen mit dem Ziel, zur Steigerung der Produktion Ökoflächen wieder zu bewirtschaften, hält das FiBL nichts: «Kurzfristige, schnelle Lösungen mit möglicherweise erheblichen negativen Langzeitfolgen sind zu vermeiden». Man hält vielmehr grössere Flächen für Biodiversität und Ökoflächen für sinnvoll. Das alles bedinge aber eine «fundamentale, langfristige Transformation der Ernährungssysteme» – Konsum inklusive.
Den vollständigen Bericht des FiBL finden Sie hier.
Zahlenbeigen rund um den Ukraine-Krieg
Die Ukraine wird oft als Europas Kornkammer bezeichnet. Nach Angaben des FiBL importieren 26 Länder mehr als 50 Prozent ihres gesamten Weizenbedarfs aus der Ukraine oder Russland. Der Schätzung, das kriegsgeplagte Land könne damit rund 400 Millionen Menschen ernähren, widersprechen die Autoren aber. Bei dieser Rechnung sei die Nutzung des Getreides als Futtermittel nicht berücksichtigt worden, weswegen effektiv genügend Kalorien für 200 Millionen Menschen produziert würden. Im Übrigen gehe es auch um Kulturen wie Kartoffeln, die in der Ukraine zwar wichtig sind, aber kaum exportiert werden.
«Würde man in der EU auf sechs Prozent des für Futterbau genutzten Ackerlandes stattdessen Nahrungsmittel für den menschlichen Verzehr anbauen, dann entspräche das etwa den drei Millionen Hektaren Ackerland, die rechnerisch nötig wären, um die gesamten Weizenexporte der Ukraine zu ersetzen», so das FiBL. Auch in der Schweiz dient der Grossteil (60 Prozent) der Ackerflächen dem Futterbau.