Mami, ich komme nach Hause.» Am anderen Ende des Telefons spricht unser bald 18-jähriger Sohn. Sein Lehrmeister schickt die Jungs, die sich in der Lehre zu Konstrukteuren befinden, heim, ins Homeoffice. Dort warten sein jüngerer Bruder, ein Sekschüler, und ich auf ihn.
Das Grossraumbüro im Wohnzimmer
Das Wohnzimmer mit Blick auf die weidende Kuhherde ist am Montagabend einem Grossraumbüro gewichen. Wir arbeiten zu Hause. Es ist schwierig, aber irgendwie auch abenteuerlich. Und vor allem gibt es nur diesen einen Weg. Alle, die das jetzt nicht begriffen haben, muss man wachrütteln. Nein, liebe Ü70er, ihr macht jetzt keine Gruppenwanderungen mehr und schaut im Gegenzug beim Beck die jungen Leute blöd an. «Ich kann sonst auch wandern gehen, wenn es sein muss, so ist es nicht», sagt unser Ältester. Dann könnten nämlich die Pensionierten ins Büro, meint er und alleine im Zug zur Arbeit sitzen. Weil er wohl erst dann wandern ginge, wenn er ausgeschlafen hätte und das wäre kaum morgens um 7 Uhr.
Das «Früher» ist jetzt weg
lch verstehe ihn. Man gibt der jungen Generation derzeit das Gefühl, sie sei die Gefahr. Dann posten da die neuen Nationalräte auf allen möglichen Sozialen Medien noch, es gehe jetzt um die Alten, die müsse man schützen. So was schaue ich erst gar nicht zu Ende, da scrolle ich gleich weiter. Es geht auch nicht um die Grünen. Und schon gar nicht muss jetzt der Bauernstand darüber nachdenken, wie er die leidige Gesellschaft endlich zur Demut bringt. Nein, liebe Bauern, Streiken ist kein Weg. Jetzt erst recht nicht. Und Drohen und Demütigen auch nicht. Die Welt hat sich verändert. Und wir werden alle nicht mehr dahin zurückkehren, wo wir vor drei Wochen noch standen. Dieses Früher ist weg. Wir wissen nicht, wohin es geht, wir wissen nicht, wie lange wir hier isoliert sein werden, aber eines ist klar. Es wird uns verändern. Alle.
Die Gesellschaft nicht unterteilen
Statt Gruppenwanderungen zu machen, könnte man jetzt den Jungen am Telefon oder mit mindestens zwei Meter Abstand erzählen, wie es war, als sie in Zeiten der Maul- und Klauenseuche Tiere geladen und sofort getötet haben. Das hat auch verändert. Und Corona wird es auch tun. Und schützen müssen wir alle, auch die Jungen. Sie haben noch nie verzichten müssen, sie haben noch nie gelebt, was wir jetzt von ihnen verlangen. Wir müssen die Gesellschaft nicht in Jung und Alt, nicht in schützenswert und ungefährdet unterteilen. Wir schaffen es nicht, wenn die Jungen zu Hause bleiben und die Alten wandern gehen. Und es ist auch egal, ob man die Massnahmen des Bundes übertrieben findet, oder noch zu wenig einschneidend. Die Vorlagen sind da.
Es nützt nichts, wir müssen eben
Wenn wir einen vernünftigen Sommer wollen, dann müssen wir das, was der Bundesrat uns jetzt vorgibt, umsetzen. Wir wissen nicht, wie gefährlich dieses Virus ist. Aber wir haben klare Ansagen. Wir müssen keine Verschwörungstheorien teilen, das ändert nichts. Auch nicht, wenn uns der Virologe noch so einleuchtend erklärt, seit wie vielen Jahren es Corona nun schon gibt. Wir müssen gehorchen. Und es schadet uns allen nichts. Keine Gruppenwanderung, keine Party, zwei Meter Abstand und keine Klopapierhorterei. Dann haben wir schon viel begriffen. Erzählt Geschichten, helft den Marktfahrenden, die ihre Produkte nicht an die Frau bringen, holt Blumen in der Selbstbedienungsgärtnerei und lauft aus dem Stall raus, wenn dieser Viehhändler euch «übers Näscht acheschriesst». Vergesst nicht, er hat Übung.
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