Ab Dezember ist Margrit Stoffel wieder regelmässig auf den Pisten des Skigebiets Brigels-Waltensburg GR unterwegs. Als Pistenpatroulleurin kümmert sie sich um verletzte Gäste, sichert Pisten und sprengt Lawinen, sofern dies nötig ist. «Die Rettung hat mich schon immer interessiert. Nur habe ich es mir lange Zeit gar nicht zugetraut», erzählt die dreifache Grossmutter bei einem warmen Mittagessen in der Pistenbeiz.
Voller Zufriedenheit
Während es draussen stürmt und schneit, erzählt Margrit Stoffel, dass sie zwischenzeitlich schon den siebten Winter als Pistenpatroulleurin tätig ist. Erst in Vals GR und jetzt das vierte Jahr im Skigebiet Brigels-Waltensburg. In Vals, ihrem geliebten Heimatdorf, hat sie zudem während 20 Jahren die Jungendorganisation des Skiklubs geleitet und als Skilehrerin gearbeitet. In ihrer Freizeit erklimmt die 55-Jährige gerne mit Bergschuhen bzw. Tourenskis, alleine oder zusammen mit Kolleginnen und Kollegen, einen Berg nach dem anderen. Sie ist fit wie ein Turnschuh und dabei so bescheiden und auf dem Boden geblieben. «Bis heute bin ich noch nie in ein Flugzeug gestiegen und war auch noch nie wirklich weit weg. Aber ich bin zufrieden. Ich muss nicht alles sehen, mir fehlt es an nichts», erklärt Margrit Stoffel und strahlt mit ihren stahlblauen Augen eine Zufriedenheit aus, die berührt und zum Nachdenken anregt.
Lieber Stall statt Küche
Am «Valserwasser» alleine kann es nicht liegen, obwohl ihr Mann, Peter Stoffel, seit einigen Jahren im Abfüllbetrieb arbeitet. Aber mit dem Dorf Vals, unweit des Zerfreila-Stausees, hat es bestimmt etwas zu tun. Von dort kommt sie. Dort hat sie immer gelebt. Und dort möchte sie auch bleiben. Mit sieben Geschwistern auf einem Bauernhof aufgewachsen, wollte sie ursprünglich Kaminfegerin lernen. «Schon damals war ich viel lieber mit meinem Vater im Stall als mit meiner Mutter in der Küche», schmunzelt die jung aussehende und weltoffene Naturliebhaberin. Vom Beruf als Kaminfegerin sei ihr damals übrigens abgeraten worden, so besuchte sie halt die Bäuerinnenschule in Ilanz GR.
«Ich war noch nie weg, muss nicht alles sehen, bin aber zufrieden.»
Margrit Stoffel, Älplerin und Pistenpatroulleurin aus Vals GR
Ihr Mann Peter Stoffel stammt ebenfalls aus Vals. Zusammen haben sie vier Kinder gross gezogen. Die Tochter wohnt heute in Splügen GR, hat zwei Kinder und bewirtschaftet mit ihrem Mann einen Jersey-Milchviehbetrieb. Die drei Söhne sind in Vals geblieben. Zwei bewirtschaften ebenfalls einen Bauernhof, der Dritte, Vater einer Tochter, arbeitet als Schreiner und Älpler. Margrit Stoffel war 22 Jahre alt, als sie zum ersten Mal Mutter wurde. Nebst ihren Aufgaben als Hausfrau und Mutter führte sie einen kleinen Schafbetrieb.
Sie kennt jedes Tier mit Namen
Zwischen 1989 und 1995 zog sie mit den Kindern jeden Sommer auf eine heimische Alp. Als sie vor rund zehn Jahren angefragt wurde, ob sie wieder z Alp gehen würde, musste sie nicht zweimal überlegen. So verbringt sie seit 2009 jeden Sommer (von Juni bis Ende September) auf der Alp. Die letzten drei Jahre auf der Alp Räzünsch in Splügen.
Zirka 180 Stück Jung- und Galtvieh plus rund 200 Schafe von verschiedenen Landwirtinnen und Landwirten stehen in ihrer und Hirtenhund Kiras Obhut. Plus noch zehn Yaks, die aber von ihrem Besitzer mitbetreut werden. Meist kennt Margrit Stoffel bereits nach zwei Wochen jedes einzelne Tier – die Schafe ausgenommen – mit Namen. «Mir bleibt ja genug Zeit, mich mit den Tieren zu beschäftigen», meint sie bescheiden. Schwer zu glauben, zumal die Schafe ein riesiges Gebiet beweiden, dass die sportliche Berglerin zusammen mit Kira mindestens zweimal wöchentlich abläuft.
«Als Naturmensch bin ich dankbar, dass ich zwei so unterschiedliche Tätigkeiten ausführen darf. Im Winter bin ich in Kontakt mit Menschen und im Sommer geniesse ich die Ruhe, das Alleinsein», sinniert die Valserin. Ihr Mann Peter besucht sie so oft als möglich auf der Alp und unterstützt sie gerne. «Er ist mein ruhender Pol. Wir sind vom Temperament her zwar grundverschieden, aber zusammen harmonieren wir prächtig.» Wer die beiden zusammen erlebt, glaubt ihr aufs Wort.
Wie eine Wundertüte
2008 hat Margrit Stoffel mit der Landwirtschaft aufgehört. Heute besitzt die Valserin noch drei Esel. Diese bezeichnet sie als Hobby und vergisst dabei fast zu erwähnen, dass sie auch noch Schwyzerörgeli und Alphorn spielt, ihre Enkelkinder betreut, bei den Trychlern mitmacht und – wie bereits erwähnt – auf allen möglichen Gipfeln anzutreffen ist. Sie strahlt eine Energie und Lebensfreude aus, die nur schwer in Worte zu fassen ist. Wer sie einmal gesehen und erlebt hat – sei es im Schneegestöber auf der Piste in Brigels-Waltensburg oder auf der Alp Räzünsch – wird sie mit Bestimmtheit nie mehr vergessen. Auch die Autorin nicht, dank der hübsch geschnitzten Holzkuh, die Margrit Stoffel ihr als kleines Andenken in die Hand gedrückt hat. Diese Frau ist und bleibt eine Wundertüte.