Das WEF in Davos ist vorbei – und wissen Sie, liebe Leserinnen und Leser, was mich an diesem Protz-, Verschwendungs- und «Für-d’Chatz»-Anlass interessieren würde? Gerne wüsste ich, was sich die VIPs (inkl. Entourage) aus aller Herren Länder «Gutes tun». Beziehungsweise, was alles an Verpflegung herangekarrt und weggeworfen und wie viel Strom und Treibstoff von der An- bis zur Abreise benötigt wird. Die Worte «Klimaziel» und «netto null» müssten wohl erst erfunden werden.
Fast täglich verschwinden bewährte Mittel
Bühnenwechsel von den Schweizer Bergen zum praxisfremden Verschwendungszentrum Brüssel. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat vor rund vier Jahren den europäischen Green Deal, zu Deutsch «Grüner Handel», vorgestellt, der die EU zur Klimaneutralität bis 2050 verpflichtet. Für den Sektor Land- und Ernährungswirtschaft sind dies die Biodiversitätsstrategie 2030 sowie die Farm-to-Fork-Strategie (F2F). Von dieser F2F, zu Deutsch «vom Hof bis zur Gabel», verspricht sich die höchste EU-Politikerin Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit. Erreicht wird dies mit produktionstechnischen Restriktionen wie der Reduktion des Einsatzes von mineralischem Dünger um 20 Prozent und von Pflanzenschutzmitteln um 50 Prozent und der Ausweitung des Ökolandbaus auf mindestens 25 Prozent.
Ausgearbeitet hat das natürlich nicht von der Leyen, sondern unzählige gescheite Leute. Die Umsetzung im Bereich Stilllegung von Produktionsflächen (Blumen statt Brot) ist bereits in vollem Gange. Und im Bereich Pflanzenschutz verschwinden fast täglich bewährte Mittel, ohne einen Ersatz vorrätig zu haben. Ob es eine Kartoffel- oder Getreideernte gibt, ist zweitrangig, man kann ja importieren und Hauptsache, alles, was kreucht und fleucht (Kartoffel-, Rapsglanz- und Japankäfer, Kirschessigfliege usw.), inklusive Pilze und Unkräuter, vermehrt sich.
Es findet lediglich eine Verlagerung statt
Zum Glück hat eine Vielzahl von ebenfalls gescheiten Leuten (den Praktikern glaubt man es ja nicht) die Folgen dieser F2F-Strategie aufgezeigt. Diese sind vernichtend. Die formulierten Massnahmen sind sowohl hinsichtlich der Art des Eingriffes als auch der Intensität ad hoc und nicht von einer fundierten wissenschaftlichen Grundlage abgeleitet. Zudem ist das ganze Konstrukt international nicht klimawirksam, da lediglich eine Verlagerung stattfindet.
Fakt ist, dass mit den F2F-Massnahmen die Produktion in der EU wie folgt einbricht: Getreide – 20 Prozent (= 50 bis 60 Mio t), Rindfleisch – 20 Prozent, Milch – 6,3 Prozent, Ölsaaten – 20 Prozent. Der Produktionsrückgang hat zudem beachtliche Preissteigerungen zur Folge: Rindfleisch + 58 Prozent, Schweinefleisch + 48 Prozent, Rohmilch + 36 Prozent, Obst und Gemüse + 15 Prozent, Ölsaaten + 18 Prozent.
Es muss mit Vollgas produziert werden
Die erfreuliche Nachricht für uns ist, dass die Preissteigerungen in den Nicht-EU-Ländern moderater ausfallen werden. Erwähnenswert ist auch, dass mit der «Blumen-statt-Brot-Aktion» in der EU rund 11 Mio ha Produktionsfläche verschwinden. Die Weltbevölkerung von heute rund 8 Mrd, und bei Netto-null 2050 rund 9,7 Mrd, hat Hunger. Und man vergesse bitte die vielen Kriegsschauplätze auf dieser Welt nicht. Es muss mit Vollgas produziert werden und mit Produktionsmethoden, die wir nicht kennen wollen.
Von wegen «vom Hof bis zur Gabel»: Dies alles gehört mit der «Mistgabel auf den Miststock» und ich hoffe sehr, dass sich die Schweiz bei der Ernährungssicherheit etwas mehr von den EU-Ideen distanziert.
Zur Person
Virginia Stoll ist Sekretärin des Schaffhauser Bauernverbands. Sie schreibt für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.
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