Strohballen hat es auf dem Hof Unterbuck von Andrea und Christian Müller reichlich. So ist denn auch schon von weitem der Anhänger mit Strohballen und den Nein-Buchstaben zu sehen. Für Müllers ist klar, sie sind gegen die Biodiversitätsinitiative. Sie bewirtschaften in Thayngen den Hof Unterbuck mit den Betriebszweigen Rindermast und Ackerbau mit Schwerpunkt Zwiebeln und Kartoffeln - und sie sind mit einer Biogas-Anlage und -Tankstelle, einer Photovoltaikanlage und mit einer Holzschnitzelheizung im Wärmeverbund als Energiewirt tätig. [IMG 3] Müllers schufen das ideale Ambiente für die Strohballenarena, wo sich die nationalen Schwergewichte wie Bauernverbandspräsident und Nationalrat Markus Ritter und Pro-Natura-Schweiz-CEO Urs Leugger über die Biodiversitäts-Initiative duellierten. Ihnen zur Seite waren die Lokalmatadoren aus dem Klettgau: Landwirt und IP-Servicetam-Berater Roman Schlatter aus Beringen auf der Kontraseite und die Biologin und Landwirtin Gabi Uehlinger aus Neunkirch als Befürworterin der Initiative.

Trendwende oder Krise

Moderation Franka Burkhardt liess keine langen Eingangsvoten zu, sondern erklärte gleich selbst, worum es bei der Biodiversitäts-Initiative geht - zumal Kopien des Initiativtextes auf allen Tischen auflagen. Es sei nichts Falsches daran, Flora und Fauna vor dem Ausstreben zu schützen und schützenswerte Ortsbilder zu bewahren. Daran waren sich Gegner und Befürworter einig. Zur Sache ging es, bei der Frage, ob in der Schweiz eine Biodiversitätskrise herrsche oder nicht. Markus Ritter bestand darauf: «Wir haben keine Krise. Vor 25 Jahren haben wir die Trendwende geschafft.» Urs Leugger konnte dem nicht zustimmen: «Von Trendwende kann keine Rede sein. Der Zustand der Biodiversität verschlechtert sich immer weiter – das ist wissenschaftlicher Konsens. Jetzt ist dringendes Handeln nötig.»

Die Biodiversitäts-Initiative sei nötig, dass endlich mal was in Bewegung komme. Zumal das Beispiel Klettgau, das im vergangenen Jahr zur Landschaft des Jahres erklärt wurde, beweise, dass ein Miteinander von schützen und nutzen, von Landwirtschaft und Naturschutz, möglich sei. Deshalb zeigte sich Leugger auch so enttäuscht darüber, dass die Landwirtschaft voll in den Lead des Nein-Komitees eingestiegen sei.

Die Interessen der Landwirtschaft an einem Nein zur Biodiversitäts-Initiative erklärten ihm Markus Ritter und Roman Schlatter allzu gerne. So gehe der Flächenbedarf für schutzwürdige Landschaften oder für Schotzobjekte allein auf Kosten einer Nahrungsmittel produzierenden Landwirtschaft. Zumal es sich bei der Fläche, die für Tierfutter bereitgestellt werde, meistens um Kunstwiese in einer Fruchtfolge handle. Woraus dann über die Nutztiere wiederum Lebensmittel entstünden. Die Initiative stehe dabei im Widerspruch zur aktuellen Diskussion über Versorgungs- und Ernährungssicherheit. «Wir werden Flächen stilllegen müssen, wenn sie unter Schutz gestellt werden», sagte Roman Schlatter und zog den Vergleich zur Konzernverantwortungs-Initiative. Die Befürworter argumentierten, dass die Schweiz Verantwortung übernehmen müsse und Drittweltländer nicht ausnutzen dürfte. Hingegen jetzt mit der Biodiversitäts-Initiative werde die Verantwortung für die Ernährungssicherheit ins Ausland verlagert.

«Dabei würde das Verbandsbeschwerderecht massiv ausgebaut»

Markus Ritter

«Schutzwürdig ist die ganze Schweiz», sagte Ritter. Aber so wie der Begriff im Initiativtext ausgelegt werde, wären keine Veränderungen für diese Flächen mehr möglich. Das betrifft nicht nur andere landwirtschaftlichen Anbauweisen oder Betriebsrichtungen, sondern auch bauliche Veränderungen.  «Dabei würde das Verbandsbeschwerderecht massiv ausgebaut», so Markus Ritter. 

Mehrmals fragte Moderatorin Franka Burkhardt nach den Flächenzielen der Initiative. Immerhin geistert die Zahl 30 %, die unter Schutz gestellt werden müssten, bei den Diskussionen herum. Urs Leuggert verneinte permanent, dass mit der Biodiversitäts-Initiative ein Flächenziel vorgegeben sei. Damit liess ihn Markus Ritter nicht davon kommen, sondern verwies auf eine Medienmitteilung von Pro Natura im Dezember 2023, wo Pro Natura explizit 30 % fordert.

Gut wurde Gabi Uehlinger doch einiges konkreter und verwies auf die Ackerbaugebiete im Mittelland, die Defizitgebiete seien, und wo man unbedingt etwas für die Biodiversitätsförderung machen müsse. Im gleichen Atemzug bedauerte sie auf heftigste, dass auf Druck des Bauernverbands, die 3.5% Acker-BFF zurückgezogen wurde. 

Biodiversitätsförderflächen müssen gepflegt werden. «Dafür braucht es aber auch Beratung», insitierte Uehlinger. Rasch verschob sich dabei die Diskussion zu den Vernetzungsprojekten, wo momentan jede Planungssicherheit fehle, so die Landwirtin und Biologin, die sechs Vernetzungsprojekte betreut. Mitreden zur aktuellen Vernetzungsdiskussion konnten sowohl Schlatter als auch Ritter. Schlatter ist mit seinem Betrieb momentan in drei Vernetzungsprojekten - selbst die Kontrolleure hätten mit all den Überlagerungen und Massnahmen den Durchblick verloren. Markus Ritter als Präsident des Vernetzungsprojekts Berg Rheintal verwarf dabei die Pläne des Bundesamts für Landwirtschaft auf 2027 Vernetzung und Landschaftsqualität zusammenzuführen. 

Franka Burkhardt führte trotz dieses Exkurses gekonnt zurück zur Biodiversitäts-Initiative und verlangte von jedem Podiumsteilnehmer ein Schlussstatement:

  • Gabi Uehlinger: «Der Handlungsbedarf ist mehr als nur dringlich. Wenn wir unsere Lebensgrundlagen sichern wollen, muss etwas geschehen - mit oder ohne Biodiversitätsinitiative."
  • Urs Leugger: «Der Biodiversität geht es immer schlechter. Die Annahme der Initiative ist ein Signal, sodass der Bund endlich aktiv wird.»
  • Markus Ritter: «Es braucht keinen neuen Verfassungsartikel. Durch den Flächenverlust steigt die Importabhängigkeit. Die Initiative schiesst übers Ziel hinaus.»
  • Roman Schlatter: «Ich schütze auch unsere Lebensgrundlage. Biodiversität hat dort ihren Platz, wo es sinnvoll ist. Fruchtbare Ackerböden braucht es für die Lebensmittelproduktion.»