Das eben in Kraft getretene EU-Renaturierungsgesetz verpflichtet die Mitgliedstaaten, auf 20 Prozent ihrer Land- und Meeresflächen Schutzmassnahmen umzusetzen. Dazu gehören die Wiedervernässung von Mooren, Aufforstungsprojekte und die Renaturierung von Flüssen. Das bereitet den EU-Landwirten Sorgen und diese sind konkret: Wenn fruchtbare Ackerflächen in Renaturierungsprojekte einbezogen werden, stehen sie nicht mehr für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung. Das könnte in Zeiten global wachsender Nachfrage nach Lebensmitteln zu ernsthaften Problemen führen. Weiter werden vor allem kleinere Betriebe, die nicht über die finanzielle Stabilität verfügen, um Ernteverluste oder Produktionsverlagerungen zu verkraften, in ihrer Existenz gefährdet.
Hier stellt sich die Frage, ob das Gesetz in seiner derzeitigen Form die richtigen Prioritäten setzt. Die Tatsache, dass eine ursprünglich geplante Vorschrift, die Landwirte verpflichtet hätte, umweltschonende Massnahmen auf einem bestimmten Prozentsatz ihrer Flächen durchzuführen, gestrichen wurde, weist auf die enormen Spannungen zwischen Umweltschutz und landwirtschaftlichen Interessen hin. Doch selbst ohne diese Vorschrift bleibt der Druck auf die Landwirte hoch, da sie wertvolle Produktionsflächen verlieren könnten.
Das Gesetz ist zu stark von Umweltschutz geprägt
Ein zentraler Kritikpunkt der Landwirtschaft ist, dass das Gesetz zu stark von umweltpolitischen Zielen geprägt ist, ohne die realen Bedingungen und Bedürfnisse der Landwirtschaft zu berücksichtigen. Die landwirtschaftliche Produktion in Europa ist bereits stark reglementiert. Die Auflagen reichen von Umweltschutzauflagen bis hin zu Marktbedingungen. Die zusätzliche Belastung durch Renaturierungsverpflichtungen könnte die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt weiter schwächen.
In der Schweiz löst die Biodiversitäts-Initiative, die ähnliche Ziele verfolgt wie das EU-Renaturierungsgesetz, Diskussionen aus. Ist die Sache tatsächlich vergleichbar? Klar ist: Die Schweizer Landwirtschaft steht vor ähnlichen Herausforderungen. Viele Bauern befürchten, dass geforderte Schutz-massnahmen die landwirtschaftliche Nutzung ihrer Flächen erheblich einschränken könnten.
Biodiversität und wirtschaftliche Tragfähigkeit der Landwirtschaft
Die Diskussionen, die in der EU und aktuell auch in der Schweiz geführt werden, zeigen, dass es nicht nur um den Schutz der Natur geht, sondern auch um die Frage, wie diese Ziele mit den Bedürfnissen einer produktiven und nachhaltigen Landwirtschaft in Einklang gebracht werden können. Hier wie dort besteht die Gefahr, dass die Landwirtschaft am Gängelband der Umweltauflagen geführt wird.
Die zentrale Herausforderung besteht darin, einen Weg zu finden, der sowohl den Schutz der Biodiversität als auch die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Landwirtschaft sicherstellt. Ein vielversprechender Ansatz kennt die Schweiz aus dem Effeff: Die Entwicklung von Anreizsystemen, die Landwirte belohnen, wenn sie umweltschonende Praktiken umsetzen. Doch hier tut sich ein entscheidender Graben auf. Ein Hauptargument der Gegner der Biodiversitäts-Initiative ist, dass bereits rund ein Fünftel der Landwirtschaftsfläche der Biodiversitätsförderung dient. Die Befürworter kontern: Das sei offensichtlich zu wenig, da die Artenvielfalt abnehme. Was niemand sagt: Der Bund ist im Grunde mit seinem Plan gescheitert. Wenn eigentlich 7 % zur Zielerfüllung gefordert wären und nicht einmal 19 % ausreichen, um sie zu erreichen, dann sind die Massnahmen falsch oder die Ziele zu hoch angesetzt.
Artenverlust und Bürokratiemonster
Mit der Biodiversitäts-Initiative wird der Ball wieder dem Bund zugespielt. Die Initianten fordern zwar Ziele, überlassen die Ausgestaltung des Weges zur Zielerreichung aber der Politik. Umsetzen müssen die Massnahmen unter anderem auch die Bauern. Die Geschichte zeigt, dass dieser Weg in einer Sackgasse endete, die mit folgenden Warntafeln beschildert ist: Vorsicht Artenverlust und Bürokratiemonster.
Ein entscheidender Faktor für den Erfolg solcher Gesetze wäre die Einbindung der Landwirtschaft in den Entscheidungsprozess. Es ist unerlässlich, dass Landwirte nicht nur als Adressaten von Umweltauflagen betrachtet werden, sondern als Partner, die aktiv in die Entwicklung und Umsetzung von Massnahmen einbezogen werden. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die Massnahmen nicht nur auf dem Papier gut aussehen, sondern auch in der Praxis umsetzbar sind, ohne die landwirtschaftliche Produktion zu gefährden.
Die Erfahrungen sowohl in der EU als auch in der Schweiz zeigen, dass Gesetze zur Förderung der Biodiversität und Renaturierung nur dann langfristig erfolgreich sein können, wenn sie von der betroffenen Bevölkerung – insbesondere den Landwirten – akzeptiert und mitgetragen werden. Ein rein top-down verordneter Ansatz führt in der Regel zu Widerstand und erschwert die praktische Umsetzung der Massnahmen – mit der Folge, dass das Resultat unbefriedigend ist.