"Die Situation der Frauen auf dem Land in der Schweiz ist anders, aber es gibt trotzdem viele Gemeinsamkeiten", sagte Aïsse Barry, Gender- und Agrarexpertin aus Guinea-Bissau. Sie informierte am 15. Oktober, am Internationalen Tag der Landfrauen, über die Situation der Bäuerinnen in ihrem Land.
Bäuerinnen-Appell
Am 15. Oktober war Internationaler Tag der Landfrauen. Diesen nahmen der Schweizerische Bäuerinnen-und Landfrauenverband (SBLV) und Swissaid zum Anlass, um auf folgenden Fakt hinzuweisen: "Bäuerinnen leisten enorm viel. Sie produzieren 70 Prozent der Nahrungsmittel weltweit. Trotz dieser grossen Arbeit und Verantwortung haben sie kaum Rechte."
In der Kampagne "Bäuerinnen-Appell" fordern SBLV und Swissaid mehr Rechte für Bäuerinnen weltweit. Am 15.10 fand abends die Veranstaltung "Keine Rechte für Bäuerinnen" an der Uni Bern statt.
Zusammen mehr erreichen
Im westafrikanischen Land Guinea-Bissau sind über 50 Prozent der Bevölkerung Frauen. Sie sind für die Arbeiten im Haus und auf dem Feld zuständig, meist muss alles von Hand gemacht werden. Ausserdem liegt die Kindererziehung ganz bei ihnen. Der Zugang zu Bildung und Land bleibt den Frauen meist verwehrt. Am Ende ihrer Ausführungen meinte Aïsse Barry: "Gemeinsam sind wir stark." Wenn sie "gemeinsam" sagt, spricht sie von Bäuerinnen und Frauen vom Land weltweit.
Dass es nur gemeinsam geht, weiss auch der Schweizerische Bäuerinnen und Landfrauenverband (SBLV). Vermehrt arbeitet er mit anderen Frauen(verbänden) zusammen für mehr Rechte für Frauen. Am 14. Juni beispielsweise zeigte sich der SBLV solidarisch beim Frauenstreik. Im Wahljahr 2019 wird zur Frauenwahl aufgefordert. Und mit dem Bäuerinnen-Appell signalisiert man nun also auch Solidarität mit den "Mitschwestern aus dem Süden", wie SBLV-Präsidentin Anne Challandes die Berufskolleginnen nennt.
Für die Anerkennung
Ein zentraler Punkt im Wirken des SBLV ist die Anerkennung, der von den Frauen geleisteten Arbeit. Ein Teil dieser Anerkennung will er über einen Lohn und die soziale Absicherung für die Bäuerin erreichen.
Zahlen und Fakten
Der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) weist seit Längerem darauf hin, dass Bäuerinnen grossteils keinen Lohn bekommen und sozial schlecht abgesichert seien. Dies kann auch mit Zahlen der ländlich-sozialen Forschung der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) belegt werden.
Erst 31% haben einen Lohn
Laut einer HAFL-Studie aus dem Jahr 2015 sind betreffend Entlöhnung von Partnerinnen auf den Höfen folgende Zahlen bekannt:
- 16% selbständig erwerbend
- 15% Mitarbeit mit Lohn
- 56% Mitarbeit ohne Lohn
- bei 13% ist der Mitarbeiterinnenstatus unbekannt
Entlöhnung bringt Vorteile
Wenn die Bäuerin einen Lohn bekommt, habe das Vorteile, ist der SBLV überzeugt. Diese hat er wie folgt aufgelistet:
- keine Schwarzarbeit
- Wertschätzung der durch die Partnerin erbrachten Leistungen
- Klarheit, wer wie viel beigetragen hat, gerade auch im Falle einer Trennung
- bessere soziale Absicherung
- Anrecht auf Mutterschaftsentschädigung
- Zugang zur 2. Säule
- bilden von freiwilligen Ersparnissen
- steuerliche Vorteile
70% mit eigener AHV
Zu der sozialrechtlichen Absicherung von Bäuerinnen liegen aus derselben HAFL-Studie folgende Zahlen vor:
- 71% mit eigener AHV (1. Säule)
- 29% AHV (1. Säule) via Ehe
- 37% mit beruflicher Vorsorge (2. Säule)
- 39% mit privater Vorsorge (3. Säule)
Bei den anderen mitarbeitenden Familienmitgliedern fallen vor allem die Mütter/Schwiegermütter auf. Bei ihnen haben 30% eine eigene AHV, 70% beziehen ihre AHV via Ehe und nur 7% bzw. 11% haben eine 2. respektive 3. Säule.
Mit dem Vorschlag des Bundesrats in der Botschaft zur Agrarpolitik 2022+ sieht sich der SBLV darin unterstützt. "Es ist ein Schritt in die richtige Richtung", tönt es von Seiten Anne Challandes. Der Gesetzesentwurf sieht nämlich vor, dass Direktzahlungen nur ausgerichtet werden, wenn die Partnerin des Bewirtschafters, sofern sie regelmässig auf dem Betrieb mitarbeitet, über einen persönlichen Versicherungsschutz verfügen muss. In landwirtschaftlichen Kreisen sei dieser Vorschlag jedoch unterschiedlich aufgenommen, so Challandes weiter.
Die andere Strategie für mehr Anerkennung ist die Stärkung der Haus- und Familienarbeit. Die Ausbildung an den Bäuerinnenschulen und Aktionen wie der Tag der Hauswirtschaft im vergangenen März sollen dazu beitragen.
Eventuell findet auf den Höfen bereits ein Umdenken statt. 2019 hat der erste Mann alle nötigen Kurse an einer Bäuerinnenschule abgeschlossen. Sobald er seine Diplomarbeit abgegeben hat, darf er sich bäuerlicher Haushaltsleiter nennen.