Es ist noch kein Jahr her, dass ich an dieser Stelle bereits gefragt habe: «Wo sollen Konsumentinnen und Konsumenten die Landwirtschaft kennenlernen?» Die Möglichkeiten sind vielseitig, doch ein Weg ist eigentlich nicht zu ersetzen: der Besuch auf einem Betrieb, am besten verbunden mit einem direkten Gespräch zwischen Konsumentin und Landwirt.

Doch nicht alle Betriebsleitenden können, wollen oder haben die Zeit, um ihr ganzes Tun und ihre Beweggründe immer und immer wieder zu erklären. Umso wichtiger sind Betriebe, auf denen das möglich ist. Und auf denen die Begegnung nicht nur dem Zufall überlassen bleibt, sondern zum Konzept gehört. Ein solcher Betrieb – gar ein Vorzeigebeispiel – ist der Zelgli-Träff von Nicole und Fritz Reusser in Biezwil SO. Sie haben zehn Jahre Zeit, Arbeit und Herzblut darin investiert, eine Brücke in die nicht-landwirtschaftliche Bevölkerung zu bauen und zu erklären, was auf dem Hof und in der Landwirtschaft geschieht.

Das tun sie mit landwirtschaftlichen Themenwegen, mit einem Outdoor-Escape-Room, mit Hofgastronomie und Gästebewirtung und vielem mehr. Für diese Breite und die hervorragende Qualität ihres Angebots sind sie 2024 mit unserem Jubiläumspreis in der Sparte Kommunikation ausgezeichnet worden.

Hier sprechen alle die gleiche Sprache

Die Tier & Technik in St. Gallen war nun der ideale Rahmen, um mit Reussers noch einmal vertieft über dieses Thema zu sprechen. Neben dem Solothurner Ehepaar nahmen Urs Schneider und Hanspeter Brunner, Landwirt und Vizepräsident IP-Suisse, auf der Bühne Platz. Sofort war klar: Hier ist man sich einig, hier sprechen alle die gleiche Sprache und reden über die gleiche Sache. Doch wie «übersetzt» man diese Sprache? Und wie sorgt man dafür, dass sie auch Gehör findet?

Dieser Frage nimmt sich natürlich auch der Schweizer Bauernverband (SBV) an. Viele Jahre lang hat man in Brugg eine «Raus aufs Land»-Strategie verfolgt. Die Bevölkerung sollte mit dem 1. August-Brunch, dem Tag der offenen Hoftür und vielen weiteren Angeboten dazu animiert werden, sich mit der Herkunft ihrer Lebensmittel und mit denjenigen, die diese produzieren, auseinanderzusetzen. Jetzt ergänzt der SBV dieses Vorgehen und will verstärkt in die Stadt und die Leute dort erreichen. «Nicht alle haben die Möglichkeit, aufs Land zu fahren und nicht alle neun Millionen Schweizerinnen und Schweizer können auf einem Hof vorbeischauen», sagte Urs Schneider dazu. «Das Wichtigste ist, den Konsumenten überhaupt einmal zu erreichen. Und das ist in den Städten an vielen Orten möglich, am Bahnhof, im Einkaufszentrum oder auf dem Bundesplatz.» Wichtig sei, dass man auf breiter Front wirke und dass es verschiedene Strategien brauche, war man sich auf dem Podium einig.

Ein landwirtschaftliches Disneyland wäre nicht authentisch

Im Fall von Familie Reusser glückt die Kommunikation. «Wir wollen den Leuten zeigen, wie unsere Produkte entstehen und erklären, wie wir in und mit der Natur arbeiten», sagten Nicole und Fritz Reusser. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. So etwas wie ein landwirtschaftliches Disneyland soll ihr Betrieb nicht werden, denn «das wäre nicht mehr authentisch.»

Wie wichtig dieser Punkt ist, liegt auf der Hand. Lange Zeit wurde in der Kommunikation und vor allem in der Werbung mit einer aus meiner Sicht allzu verklärten bäuerlichen Welt gearbeitet; mit einem Idyll, aber nicht mit der Realität. So stellt sich die Frage: Was ist Werbung, was ist wichtige Basis-Information? Und wie bildet man diese Realität ab, um der enormen Komplexität der Landwirtschaft gerecht zu werden? Es ist schlicht nicht möglich, diese in einigen wenigen Bildern zu erklären.

Transparenz schaffen lohnt sich

Wichtig ist aber nicht nur was gezeigt wird, sondern auch von wem. Die Werbung darf der Bauernstand anderen überlassen, aber aus meiner Sicht wird es heikel, wenn auch das Informieren und Kommunizieren komplett anderen Akteuren überlassen wird. Hier gilt es, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und nicht darauf zu warten, dass Kritiker über die Landwirtschaft informieren und wiederum ein eingängiges, aber einseitiges Bild zeichnen. Ich bin mir sicher, dass es sich lohnt, selbst Transparenz für die nicht-landwirtschaftliche Bevölkerung zu schaffen. Und zwar dort, wo es sich lohnt, wo Aufwand und «Ertrag» in einem guten Verhältnis stehen. Diese «Rechnung» muss jeder Betriebsleitende selbst für sich machen.

Der SBV hat in der Vergangenheit viel Gutes in diese Richtung geleistet. Aber der Verband hat sich gleichzeitig durch sein grosses politisches Engagement positioniert – nicht zum Wohlgefallen aller. Und er wird deshalb auch auf taube Ohren stossen. Das wird Familie Reusser nicht passieren. Sie zeigt, dass und wie es möglich ist, mit einfachen Mitteln und positiven Erlebnissen ein solches Bild zu zeichnen, ohne Gefahr zu laufen, dass der Konsument am Ende ein realitätsfernes Idyll erlebt. Deshalb braucht es schon jetzt mehr solche Betriebe und es wird sie künftig noch dringender und in noch grösserer Zahl brauchen.