Das Klima und damit der Klimawandel beeinflussen die Landwirtschaft stark. Gleichzeitig ist die Landwirtschaft in der Schweiz für 13,2 Prozent der Treibhausgas-Emissionen (THG) verantwortlich. Lösungen zur Reduktion dieser Emissionen zu finden, liegt damit laut dem Fokusmagazin «Landwirtschaft im (Klima)wandel» des Schweizer Bauernverbandes (SBV) im Interesse aller Branchen im Agrarsektor.
Spürbare und negative Auswirkungen
Bereits heute hat der Klimawandel spürbare Auswirkungen auf die Schweizer Landwirtschaft; auf der einen Seite werden die Vegetationsphasen länger und gewisse Kulturen wie Raufutter oder Mais können von den steigenden Temperaturen profitieren. Andererseits gedeihen auch diverse Schädlinge besser und neue wandern ein, im Sommer wird das Wasser für Tiere und Pflanzen knapp und das Risiko für Spätfröste steigt.
Der SBV schlussfolgert daraus, dass die Auswirkungen des Klimawandels überwiegend negativ sind.
Konsumenten sind gefordert
In Sachen Klimaschutz sieht der SBV auch die Konsumenten in der Pflicht. «Die Konsumenten haben es in der Hand», steht im Fokusmagazin. Konkret wünscht sich der Bauernverband bewussteres Einkaufsverhalten (lokale und saisonale Produkte) und weniger Lebensmittelverluste. Den Import von ausländischen Nahrungs- und Genussmitteln sieht der SBV kritisch, vor allem da 75 Prozent der Umweltbelastungen durch den Schweizer Konsum im Ausland anfallen würden.
Keine technischen Massnahmen
Mehrmals wird darauf hingewiesen, dass technische Massnahmen, wie sie in der Industrie zum Einsatz kämen, in der Landwirtschaft nicht möglich seien; Man arbeite mit biologischen Systemen und Prozessen. Daher sei es wichtig in verschiedenen Bereichen aktiv zu werden und mögliche Zielkonflikte auszutarieren. Diese gäbe es etwa in Sachen Tierwohl, Grünlandnutzung, Reduktion von Pflanzenschutzmitteln oder der Versorgungssicherheit.
Theorie versus Praxis
Theoretisch wären laut SBV diverse Klimaschutzmassnahmen in der Landwirtschaft möglich, das Potenzial in der Praxis sei aber zum Teil wegen technischen, praxisbedingten oder Gründen der Wirtschaftlichkeit gering. Als Beispiel wird erklärt, dass ein reduzierter Rindviehbestand nur dann Sinn machen würde, wenn auch der Konsum zurückgehen würde. Ansonsten müsste das Fleisch importiert werden.
Machbar und sinnvoll
Trotzdem werden im Fokusmagazin einige Massnahmen genannt, die nachweislich funktionieren könnten, um das Klima zu schützen und sich an die neuen Bedingungen anzupassen:
- Steigerung der Lebenstagsleistung von Milch- und Mutterkühen
Tatsächlich können Kühe ziemlich alt werden, wie unsere Bildergalerie alter Damen zeigt.
- Methanhemmende Futterzusätze
Laut einer Agroscope-Studie wirken etwa Lein- und Rapssamen im Futter methanhemmend.
- Landwirtschaftliche Biogasanlagen
Neben Biogas-Anlagen gibt es noch weitere Möglichkeiten für erneuerbare Energien auf dem Hof.
- Nitrifikationshemmender Dünger
- Precision Farming
Diese neue Technik kam von der USA her und auch bei John Deere wird man immer digitaler.
- Durchdachte Bewässerung (Zeitpunkt, Infrastruktur)
Hier helfen Bodensonden, die den Bewässerungsbedarf abschätzen lassen.
- Kultur- und Sortenwahl (Resistenzen und Toleranzen)
Es werden etwa hitzetolerante Maissorten gezüchtet und Zebus ertragen hohe Temperaturen besser als "normale" Kühe. Weiter gibt es verschiedene "exotische Kulturen", die besser mit den neuen Bedingungen umgehen können.
- Schonende Bodenbearbeitung (Humusaufbau, Bodendeckung)
Mögliche Ansätze dazu sind die regenerative Landwirtschaft oder die Permakultur.
- Diversifizierung der Produktion
- Versicherungen (wo es sich lohnt)
Bereits heute ist die "Schweizer Hagel"-Versicherung gefragt.
Weniger sicher über die Wirksamkeit beim Klimaschutz sei man indes bei Güllebelüftungen, Pflanzenkohle, Tiefpflügen oder Agroforst.
Biogas und Pflanzenkohle
Zwei Porträts beleben den SBV-Bericht. Frédéric Zasso aus Cournilles FR erzählt von seiner Biogasanlage, seinem Entscheid zur Umstellung auf Bio-Produktion, der fehlenden Toleranz für optische Mängel bei den Abnehmern und verschiedenen Zielkonflikten, wie etwa den erhöhten Treibstoffverbrauch durch mechanische Unkrautbekämpfung. Hier hofft Zasso auf neue Jätroboter.
Karin und Severin Keller aus Uhwiesen/Benken und Volken ZH sind Mitglieder beim AgroCO2ncept und bringen Pflanzenkohle aus. Ausserdem geben sie im Porträt Auskunft über ihre Bewässerungsstrategie und ihren Anbau von Sorhumhirse und Luzerne als trockenheitsresistentere Kulturen.
Die BauernZeitung berichtete bereits über die Ideen der "Klimabauern" des AgroCO2ncepts.
Handeln ist nötig – aber wie?
Insgesamt legt das Fokusmagazin gut dar, weshalb die Landwirtschaft unter dem Klimawandel zu leiden hat und dass daher Handlungsbedarf besteht. Konkrete Handlungsempfehlungen sind aber eher rar und bringen wenig Neues. Es wird auf bereits bestehende Initiativen zum Klimaschutz im Agrarbereich hingewiesen (etwa das IP-Suisse-Punktesystem, oder die Plattform Agrocleantech).
Dass die Handlungsoptionen wenig konkret sind, hängt aber auch mit der politischen Lage zusammen, die im Bericht erklärt wird: das CO2-Gesetz ist aktuell in Überarbeitung, und darin soll das Reduktionsziel für die Landwirtschaft festgelegt werden soll. Der Weg zu diesem noch unbekannten Ziel, soll in der AP 22+ aufgezeigt werden, die ebenfalls noch in Arbeit ist.
Wieviel bringt das Ganze?
Mit denjenigen Massnahmen, die der SBV mit grossem Potenzial identifiziert hat, könnten laut dem Verband schätzungsweise 3,17 Prozent der Treibhausgas-Emissionen aus der Schweizer Landwirtschaft eingespart werden. Um das von der Schweiz ratifizierte Pariser Abkommen zu erfüllen, muss der Agrarsektor spätestens bis zur zweiten Hälfte des Jahrhunderts netto Null Treibhausgas-Emissionen erreichen. Der genaue Zeitraum für diese Reduktion ist noch nicht klar. In jedem Fall ist noch viel zu tun, und «die Landwirtschaft bleibt in jedem Fall am Ball – im eigenen Interesse», wie es der SBV formuliert.
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