Die Gegensätze in Europa sind in den letzten Tagen und Wochen extrem. Die Schweiz hat mit Starkregen und bedrohlichen Seepegeln zu kämpfen, in Deutschland graben sich entfesselte Flüsse metertief durch Landschaft und Siedlungen. Daneben sind Brände z. B. in Griechenland und Italien kaum unter Kontrolle zu bringen, es herrscht Trockenheit. Die Erklärung weht weit oben in der Atmosphäre und heisst Jetstream.
Hoch, aber trotzdem einflussreich
Für Europa wichtig ist der Polarjet, der an der Grenze warmer Luft aus den Tropen und kalter aus Polnähe weht. Das Starkwindband bewegt sich in einer Höhe von neun bis 14 Kilometern über der Erde von Ost nach West. Der Bereich der höchsten Windgeschwindigkeit (bis 500 Kilometer pro Stunde) ist laut Wetteronline nur 50 bis 100 Kilometer breit. Obwohl der Jetstream zu weit oben weht, als dass seine Strömung auf der Erdoberfläche direkt spürbar wäre, beeinflusst er doch stark unser Wetter.
Das Band bildet Maschen
Der Jetstream verhält sich nicht wie ein Gummiband, das straff um die Erde liegt. Eher vergleichbar mit einem Geschenkband legt er sich in Kurven und schlängelt über Europa. Auf der nördlichen Seite drehen Tiefdruckgebiete mit kalter Luft, südlich dominiert die Wärme und Hochdruck.
Damit lassen sich die eingangs erwähnten Wettergegensätze erklären: Die Schweiz lag lange Zeit ziemlich genau unter dem Jetstream und damit im Einflussgebiet der Tiefdruckgebiete. Die Länder, die mit Hitze Trockenheit zu kämpfen haben, liegen horizontal wenig entfernt aber ausserhalb des Starkwindbands in heisser Luft von den Subtropen.
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Die Maschen bleiben liegen
Es sind Temperaturunterschiede, die den Jetstream antreiben. Da sich die Arktis mit dem Klimawandel zunehmend erwärmt, liegt die Temperatur polarer und subtropischer Luft weniger weit auseinander. Dass dadurch der Jetstream an Stärke verliert, ist laut dem Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie Meteo Schweiz eine plausible Hypothese.
Das Problem dabei: Je schwächer das Starkwindband wird, desto ausgeprägter sind die Schlängelbewegungen (Mäandrieren) – und die Maschen bleiben länger an einem Ort. Tage- oder gar wochenlang immer wieder starker Regen und Unwetter oder eben das genaue Gegenteil sind je nach Gebiet und Lage des Bandes die Folge.
Prognosen sind sehr schwierig
Der Klimawandel dürfte also diesen stürmischen Wettermotor beeinflussen und wahrscheinlich zum Stottern bringen. Ausschlaggebend für die Konsequenzen ist, ob man sich im Einflussbereich einer Ausbuchtung nach Norden oder Süden befindet. In der vergangenen Woche lag der Jetstream laut Meteo Schweiz ziemlich genau über dem Alpenraum. In dieser Woche hingegen verlagerte er sich, was mehrheitlich hochdruckbestimmtes und wärmeres Wetter brachte.
Die Lage des Jetstreams kann mitunter darüber entscheiden, ob es eine trockene oder verregnete Saison gibt. Diese Position lasse sich aber kaum vorhersagen, erklärt Meteo Schweiz auf Anfrage. Von einer zuverlässigen Prognose einer Jahreszeit sei man weit entfernt.
Ein Widerspruch zum Klimawandel?
Das Jahr 2021 wird voraussichtlich als sehr nass in die Geschichte eingehen. Das widerspricht nicht dem Trend zu trockenen Sommern: «Auch mit dem Klimawandel bleibt die variable Natur des Wetters erhalten. Entsprechend sind sowohl aktuell, als auch in den kommenden Jahrzehnten niederschlagsreiche Sommer weiterhin möglich», erläutert Meteo Schweiz.
Was beeinflusst die Lage des Jetstreams?
Die physikalischen Ursachen für die Verlagerung und die Position der Wellenberge und -täler, also die nördlichen respektive südlichen Ausbuchtungen, sei komplex, so Meteo Schweiz. Starke Windsysteme oberhalb von 10 Kilometern über dem Meeresspiegel wie auch Prozesse in den unteren Luftschichten beeinflussen die Lage des Jetstreams. Beispiele hierfür seien die stärkere Erwärmung der Kontinente gegenüber den Meeren (besonders im Sommer), die Meerestemperatur, grossflächige Niederschlagsgebiete oder auch tropische Stürme.