Bern Die Milchgold Käse AG kommt aus den Schlagzeilen nicht heraus. Im Sommer machte die BauernZeitung publik, dass gegen den Käser Melchior Schürmann eine Strafanzeige wegen Betrugsverdacht eingereicht wurde. Vor gut einer Woche hat das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) der «Aargauer Zeitung» bestätigt, dass die Milchgold Käse AG insgesamt
1,1 Mio Franken zu viel Verkäsungszulage bezogen hatte. Und am Montag folgte der nächste Hammer: Rund 24 Tonnen Emmentaler seien nicht nach den Vorgaben der Sortenorganisation Emmentaler Switzerland produziert worden und hätten zu Schmelzkäse deklassiert werden müssen. Auch das schrieb die «Aargauer Zeitung.»
Kritik an Untätigkeit
Die Folgen davon sind bisher ein Verlust von ungefähr 70'000 Franken für die deklassierten Emmentaler, die Rückerstattung der zu viel bezogenen Verkäsungszulage sowie eine Busse vom BLW in der Höhe von 8000 Franken, ein laufendes Verfahren gegen den Käser, sowie vier Berichte in der «Aargauer Zeitung», mindestens ein Bericht in der «Luzerner Zeitung» und am Montag ein Beitrag beim Regionalfernsehsender «Tele M1». Das Fernsehen ging direkt zur Sache, unterstellte den Verantwortlichen mangelnde Kommunikation und Untätigkeit.
Besorgte Lieferanten
Entsprechend besorgt ist auch Milchgold-Lieferant Herbert Meier aus Muri AG. «Wenn man die Berichte von Tele M1 sieht, kommt schon ein etwas ungutes Gefühl auf.» Es ist einer der letzten Sätze in einem halbstündigen Telefongespräch mit dem Milchproduzenten, der mehrmals betont, dass er für ein Gespräch nur bereit ist, wenn genau geschrieben wird, was er sagt.
«Es ist schade, wenn man kollektiv schuld an einer Verfehlung sein soll», beginnt Herbert Meier. «Die Schuld färbt sich auf die ganze Milchbranche ab, das ist negativ. Ich hatte meines Wissens aber keinen Schaden. Und ich muss auch sagen, dass wir nur dank unserem Geschäftsführer da sind, wo wir stehen.» Meier meint Melchior Schürmann, der «voll am Markt» stehe und einen ausserordentlich guten Job mache. «Wenn wir unseren Käser nicht hätten, dann würden wir wie die anderen auch Industriemilch abliefern», so Meier. Zu den Vorwürfen, die in der «Aargauer Zeitung» und bei «Tele M1» die Runde machen, sagt Meier: «Es liegt mir fern, jemanden zu beschuldigen, der mir wissentlich keinen Schaden zugefügt hat.» Trotzdem sei der Imageschaden schon da. Er wünsche sich deshalb etwas mehr Transparenz bei der Aufarbeitung, «aber auch, dass die Käserei weiterläuft.» Für Meier steht fest, dass ohne Melchior Schürmann die Käsereimilchproduzenten im Freiamt «nirgends wären. Unsere Milch würde ohne unsere Käserei sicher billiger verkauft. Ich bin deshalb nach wie vor stolz auf die Firma», betont er.
Ein anderer Landwirt aus der Region sagt: «Hier kann eine Schlammschlacht sondergleichen losgetreten werden. Aber es geht auch um die Existenzen der Bauern, das ist heikel. Wenn Melchior Schürmann aufhören würde, hätten wir vermutlich ein Problem», so der Milchproduzent, der unter keinen Umständen mit Namen in der BauernZeitung erscheinen möchte, weiter. Insgesamt sind es rund 60 Direktlieferanten, die der Milchgold Käse AG ihre Milch liefern.
Zwei unabhängige Firmen
Hugo Abt ist Milchgold-Lieferant und Mitglied im Verwaltungsrat der Freiämter Käserei. Er betont, dass der Verwaltungsrat der Freiämter Käserei mit der Milchgold Käse AG operativ nichts zu tun hat – die Freiämter Käserei, die den Bauern gehört, vermiete Gebäude und Infrastruktur an die Milchgold Käse AG, die von Melchior Schürmann geführt werde. Der Verwaltungsrat der Freiämter Käserei AG besteht mehrheitlich aus Milchproduzenten der Region, diese würden mit dem Käser den Milchpreis aushandeln, die langfristige Bezahlung vom Milchgeld sichern, sowie in Absprache mit dem Käser Investitionen in Infrastruktur und Anlagen tätigen.
Verwaltungsrat will Fakten
«Die Sachlage ist sehr komplex. Was gesagt werden muss, ist gesagt», findet Hugo Abt deshalb. Der Verwaltungsrat brauche Fakten. «Wenn wir ins Blaue hinaus handeln würden, dann ist das Milchgeld ernsthaft gefährdet», so Abt weiter. Zudem hat der Verwaltungsrat wenig Handlungsspielraum: Er könnte dem Käser den Mietvertrag künden, mehr nicht.
Abt sagt aber, dass intern über eine Nachfolgelösung gesprochen werde. Diese müsse aber Schrittweise aufgebaut werden; nicht jeder habe das nötige Wissen und Können, um eine der grössten gewerblichen Käsereien der Schweiz erfolgreich zu führen. Die Milchgold Käse AG als Mieterin der Freiämter Käserei AG ist zu wichtig, zu viel steht für die Milchbauern auf dem Spiel.
Hugo Abt betont mehrmals, dass Falschinformationen in der Presse geschäftsschädigend sein können und sich damit auch auf die Milchlieferanten auswirken. Dass der Verwaltungsrat seinen Aufsichtspflichten nicht nachgekommen sei, stimme nicht. «Der Verwaltungsrat kann die Bücher der Milchgold Käse AG gar nicht einsehen, da es sich um zwei voneinander unabhängige Firmen handelt», so Abt.
Bisher nur gute Erfahrungen
Hugo Abt betont deshalb auch, dass er bis jetzt nie schlechte Erfahrungen gemacht habe: «Das Milchgeld kommt – und das immer pünktlich», sagt er. «Die Käserei ist eine Perle – im ganzen Mittelland», so Abt weiter. Er hoffe deshalb, dass die laufenden Verfahren rasch abgeschlossen werden können. «Sonst wird es schwierig.» Abt befürchtet einen Imageschaden. Wenn die Kunden in Folge der Negativschlagzeilen bei Milchgold abspringen würden, wäre das Milchgeld gefährdet; bis jetzt «ist das überhaupt nicht der Fall», sagt Abt.
Gegenseitige Abhängigkeit
«Es braucht einen Käser, der vorangeht. Und es braucht die Landwirte, die die Innovationen mittragen», sagt Herbert Meier. Mit Melchior Schürmann sei das möglich, die Alternative wäre der Silomilchkanal. «Aber das wollen wir gar nicht. Wir wollen selbst entscheiden», sagt Meier. Entscheiden kann dabei vor allem Schürmann. Dieser trägt das unternehmerische Risiko und hat die unternehmerische Freiheit. Die Milchproduzenten sind von ihm massgeblich abhängig. Umgekehrt aber auch, weil der Käsereibetrieb den Aktionären gehört.
Hansjürg Jäger