Mit dem neuen Branchenstandard halten die Milchproduzenten künftig zusätzliche Anforderungen in der Produktion ein, dafür erhalten sie 3 Rappen mehr pro Kilo Molkereimilch im A-Segment. Was Molkereimilch ist, das sorgte bis zuletzt für hitzige Diskussionen an der Delegiertenversammlung der Branchenorgansation Milch (BOM), die hinter dem Standard steht.
Laut Stefan Kohler, Geschäftsführer der BOM, bringt der Standard einige Vorteile. So könne Milch und Milchprodukten ein Mehrwert gegeben und die Kommunikation der Werte vereinheitlicht werden, so Kohler vor den Delegierten. Sehr wichtig sie auch eine Antwort auf importierte Mehrwertprodukte. Kohler nannte als Beispiel den Industriekäse Leerdammer, der gross mit "Initiative für Weidehaltung" wirbt, aber deutlich unter den Schweizer Standards produziere. Ohne den neuen Branchenstandard sei die Gefahr gross, dass Schweizer Milchprodukte von Importen rechts und links überholt würden, obwohl die Schweizer Standards höher seien, erklärte auch BOM-Präsident Peter Hegglin.
Dass bis zuletzt um den eigentlich von allen gewollten Branchenstandard gezittert werden musste, liegt am Nachhaltigkeitszuschlag. Fromarte - der Dachverband der gewerblichen Käsereien - hatte angekündigt, den Standard gemäss diesem Vorschlag abzulehnen. Streitpunkt war die Definition von Molkereimilch, konkret ob und wenn ja welche verkäste Milch darunter fällt.
Fromarte-Präsident Hans Aschwanden betonte an der DV zunächst, dass seine Organisation bereit sei, "den schwarzen Peter" zu ziehen - also den Standard abzulehnen, wenn es nötig sei. Die Diskussion um den Branchenstandard habe sich zu einer Diskussion über den Preis verlagert, kritisierte er. Aschwanden appellierte, der Fromarte entgegenzukommen und nicht das Ganze wegen des vergleichsweise kleinen Anteils betroffener Milch von rund 200 Millionen Kilo scheitern zu lassen.
Ruedi Bigler, Vizepräsident der BOM und Milchproduzent, erklärte hingegen, die Milchproduzenten hätten bereits genug nachgegeben. Es stehe für die Bäuerinnen und Bauern zu viel auf dem Spiel, als dass man den Standard scheitern lassen könne. Bereits jetzt seien für Produzenten die Preise nicht mehr deckend und sie seien auf Direktzahlungen angewiesen.
Klares Ja für BOM-Vorschlag
An der DV standen schliesslich drei Vorschläge im Raum:
- Die Mooh hatte einen Antrag eingebracht: Der Zuschlag soll für sämtliche Milch im A-Segment mit Ausnahme der Milch für AOP-Käse gelten. Gelte der Zuschlag nicht für die gesamte A-Menge, lande der Mehrwert schliesslich nicht beim Landwirten, sondern bei den Zertifizierern, sagte Mooh-Präsident Martin Hübscher. Weil der Vorschlag des BOM-Präsidiums in eine ähnliche Richtung zielt und den Begriff Molkereimilch ebenfalls präzisiert, zog die Mooh ihren Antrag schliesslich zurück.
- Der Vorschlag der Fromarte lautete, dass mit Molkereimilch die nicht verkäste Milch sowie die zur Herstellung von Frischkäse verarbeitete Silomilch jeweils aus dem A-Segment gemeint sei. Fromarte-Direktor Jacques Gygax forderte eine Klärung und klare Trennung zwischen betroffener und nicht betroffener Milch. Er betonte jedoch, dass die Fromarte nicht gegen den Branchenstandard sei.
- Das BOM-Präsidium schlug vor, ins Reglement aufzunehmen, dass mit Molkereimilch die nicht verkäste Milch sowie die zur Herstellung von Käse verarbeitete Silomilch jeweils aus dem A-Segment gemeint sei. (Silomilch ist Milch von Kühen, die mit Silofutter gefüttert werden. Silofutter wird nicht vollständig getrocknet, sondern z.B. in Ballen vergärt und so haltbar gemacht. Da diese Fütterung nachteilig für die Käsequalität sein kann ist bei vielen Sorten der Einsatz solcher Milch nicht erlaubt.)
Der Vorschlag des Präsidiums setzte sich deutlich mit 68 zu 11 Stimmen durch.
Nach einigen weiteren Diskussionen mit anschliessender Beratungspause gab Fromarte den Widerstand auf. "Wir sind uns bewusst, wir könnten den Branchenstandard versenken", sagte Aschwanden und sprach damit die Sperrminorität der Fromarte-Vertreter an. "Den schwarzen Peter zu ziehen ist nicht so toll. Es ist klar, dass es bei uns intern ziemlich starke Turbulenzen geben wird. Es wird sich die Frage stellen, ob die BOM unser Verein ist. Jetzt sind wir am Punkt, wo wir sagen, wir gewichten die Interessen der Branche höher als unsere Eigeninteressen" sagte Aschwanden dazu.
In der Gesamtabstimmung wurde der Branchenstandard mit 42 zu 0 Stimmen bei den Produzenten und mit 31 zu 4 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen bei Verarbeitung/Handel angenommen. Einige Fromarte-Vertreter stellten sich also weiterhin gegen den Zuschlag.
Der Branchenstandard kann auf den 1. September 2019 eingeführt werden. Bis dahin wird es unter anderem darum gehen, die Kennzeichnung für den Standard festzulegen und die Kommunikationsstrategie zu erarbeiten.
Das sind die Anforderungen
Aus dem Bereich Tierwohl müssen die Bäuerinnen und Bauern künftig 5 Anforderungen erfüllen:
- Die Kühe müssen entweder am Programm Regelmässiger Auslauf im Freien (RAUS) oder Besonders tierfreundliche Stallhaltung (BTS) teilnehmen.
- Die Mindesthaltedauer für Kälber beträgt bei allen geborenen Kälbern 21 Tage.
- Die Kühe müssen mindestens 2-mal täglich gemolken werden.
- Tierhalter, die an Schauen und Ausstellungen teilnehmen, müssen sich an das Reglement der Arbeitsgemeinschaft Schweizer Rinderzüchter (ASR)halten.
- Schlachtkühe dürfen nicht trächtig sein.
Bei der Fütterung setzt die BOM 2 Richtlinien:
- Wenn Sojaschrot oder Soja verwendet wird, muss dieses aus nachhaltigen Quellen stammen.
- Das Milchkuh-Futter darf weder Palmfett noch Palmöl enthalten.
Die weiteren Anforderungen betreffen folgende Bereiche:
- Ohne ärztliche Anordnung dürfen keine kritischen Antibiotika eingesetzt werden, die wegen möglicher Resistenzbildung umstritten sind.
- Der Ökologische Leistungsnachweis (ÖLN) muss erfüllt werden. Dieser ist ohnehin Voraussetzung für den Bezug von Direktzahlungen.
- Jede Kuh in der Tierverkehrsdatenbank muss einen Namen haben.
Zudem müssen Bäuerinnen und Bauern zwei Kriterien aus folgenden Zusatzanforderungen erfüllen:
- RAUS und BTS
- Eine Lebetagleistung von über 8 Kilo als Durchschnitt über die ganze Herde im Talgebiet und von über 6 Kilo im Berggebiet.
- Kein prophylaktischer Einsatz von Antibiotika
- Im Krankheitsfall Anwendung von komplementärmedizinischen Methoden.
- Soziale Absicherung. Dokumentation der Entlöhnung der Familienarbeitskräfte.
- Anerkannter Lehrbetrieb.
- Weiterbildung des Betriebspersonals während mindestens einem halben Tag pro Jahr.
- Anbieten von Schule auf dem Bauernhof (SchuB) mindestens einmal pro Jahr.
Kühe mit Namen: Erna 1, Erna 2, Erna 3...
Der Branchenstandard fordert, dass jede Milchkuh einen Namen hat. Damit soll die Verbundenheit der Bauernfamilien mit ihren Tieren aufgezeigt werden. Laut BOM-Geschäftsführer Stefan Kohler muss noch ausgearbeitet, wie ein Kuh-Name definiert wird. "Wir müssen dann darüber sprechen, ob ein Bauer, der seine Kühe Erna 1 bis Erna 24 nennt, den Standard noch erfüllt", so Kohler.