Rindfleisch aus Mutterkuhhaltung ist gefragt am Schweizer Markt. Entsprechend gut besucht war die zweitägige Mutterkuhtagung am LZ Liebegg. Der erste Teil war dem Basiswissen für den Einstieg in die Mutterkuhhaltung gewidmet. Am zweiten Tag stand, neben Kuhwohl und Aktuellem von Mutterkuh Schweiz, die Direktvermarktung im Fokus.
Selbstvermarktung
Zentral ist die Frage, was mit dem schlachtreifen Vieh passiert. Voll auf Selbstvermarktung setzen Christoph und Erika Gehrig. 2017 haben sie den Hubihof hoch über Bellikon im aargauischen Reusstal übernommen. An der Tagung stellte Christoph Gehrig das Konzept mit den Betriebszweigen Mutterkuhhaltung und Freilandschweine, Ackerbau, Eventwerkstatt und Hofladen vor.
Am Anfang standen Abklärungen und genaue Planung, denn die Neuausrichtung erforderte diverse Neu- und Anbauten. Akribisch überprüft wurde auch die finanzielle und personelle Tragbarkeit. Die Umstellung auf Bio war der kleinste Schritt, hatten doch schon Erikas Eltern sehr naturnah gewirtschaftet. «Herzstück» des Betriebs ist der Wohlfühl-Kompost-Laufstall für die rund 30 Bio-Angus-Mutterkühe, der im Jahr 2018 an das bestehende Gebäude angebaut wurde.
Um ihr Bio-Angus-Beef und die Freilandschweine zu 100 Prozent ab Hof vermarkten zu können, nutzen Gehrigs verschiedene Kanäle: Basis ist die ansprechende Internetseite. Die Kundschaft wird aber auch via Whatsapp und Facebook über aktuelle Angebote orientiert. Inzwischen sind sogar Gourmetrestaurants auf die hochwertige Fleischqualität vom Hubihof aufmerksam geworden. Sehr wichtig ist Gehrigs der direkte Kundenkontakt. Dieser wird über den bedienten Hofladen sichergestellt. Wobei die Kunden nicht nur das breite Fleisch- und -Spezialitätensortiment schätzen, sondern auch die Tipps und schriftlichen Rezeptvorschläge der versierten Betriebsleiterin.
Fleisch wie eine Diva behandeln
Mit Ueli Bernold hatten die Veranstalter der Liebegger Mutterkuhtagung den prominentesten Fleisch-Botschafter der Schweiz verpflichtet. Bekannt als Grill-Ueli, wusste er in seinem Referat «Fleisch verarbeiten und vermarkten» sein Publikum mit Humor, Provokation und guten Tipps zu fesseln.
Fehler oft beim Lagern
Für den Metzgermeister ist die Fleischqualität das A und O. Bei Reklamationen zeige sich oft, dass die Ursache weniger bei der Rasse, der Haltung oder beim Schlachten liege, sondern bei der unsachgemässen Lagerung, Aufbewahrung oder Zubereitung. «70 Prozent der Fehler passieren beim Kunden», weiss er.
Vorsichtig auftauen
Sein Rat: «Vakuumiertes Frischfleisch kann bei 1 bis
2 Grad problemlos einige Tage im Kühlschrank aufbewahrt werden. Beim Tiefkühlen die Portionen einzeln schockgefrieren. Die Schwachstelle liegt beim Auftauen: Tiefgekühltes Fleisch im Kühlschrank leicht über dem Gefrierpunkt langsam auftauen. Vor der Zubereitung sollte es während mindestens zwei Stunden Zimmertemperatur annehmen können.»
Zu günstig verkauft
Grill-Uelis Erkenntnis, dass direkt vermarktetes Fleisch zu günstig verkauft werde, liess die Teilnehmer aufhorchen. Und mit seiner These, Mischpakete seien Blödsinn, landete er eine weitere Breitseite. Doch der Fachmann mit eigener Metzgerei provozierte nicht nur, sondern lieferte auch Lösungen: «Verkauft im Sommer Grillpakete. Stellt Gourmetpakete mit teuren Stücken zusammen. Bietet Special Cuts an oder Tagesküchenpakete mit günstigem Fleisch.» Aus den Knochen könne man hochwertige Bratensauce, Bouillon oder Fleischfonds herstellen, das Fett einsieden und als Bratfett verkaufen. «Ein Rind besteht nicht nur aus Edelstücken», stellte der passionierte Grillmeister klar. Er arbeitet am liebsten mit günstigen Fleischstücken und verriet zum Schluss, wie er daraus köstliche Leckerbissen kreiert.
Und: «Die Kunden schätzen es, wenn sie schriftliche Tipps und Rezepte erhalten.»
Eventwerkstatt
Ein wichtiger Bestandteil des Marketingkonzepts ist die gediegene Eventwerkstatt über dem Kuhstall mit Blick in den Laufstall und einer sensationellen Weitsicht in die Landschaft. Hier werden eigene Events oder Gourmet-Anlässe mit Spitzenköchen durchgeführt. Das Lokal kann auch für Familienfeiern, Seminare oder Workshops gebucht werden. Erika und Christoph Gehrig sind sich einig: «Wir bieten nicht nur Produkte an, sondern verbinden diese mit Geschichten und Erlebnissen, denn wer etwas verkaufen will, muss vielseitig und einzigartig sein.» Es scheint, dass sie mit ihrem Credo «Weitsicht – auch im Umgang mit Natur und Tier» auf dem richtigen Weg sind.
Das Klima
Auch das Klima kam an den Liebegger Mutterkuhtagen zur Sprache. In seinem Grusswort ging Liebegg-Direktor Hansruedi Häfliger auf die Vorwürfe an die Adresse der Bauern ein. Er erwähnte, dass der bekannte Klimaaktivist Marc Buckley an der Tagung «Brennpunkt Nahrung» zur Frage, was die Schweizer Landwirtschaft zum Klimaschutz beitragen könne, erwidert habe, dass diese schon heute so gut aufgestellt sei, dass mit Veränderungen kaum global relevante Effekte zu erzielen seien.