Mit einer Umfrage will HAFL-Student Florent Gerbex wissen, wie die Stimmung in der Bio-Landwirtschaft ist. Die Umfrage richtet sich an Landwirte:
- die zurzeit nach biologischen Richtlinien wirtschaften
- die auf Bio umstellen wollen
- die darüber nachdenken aus Bio auszusteigen
- die bereits aus Bio ausgestiegen sind
«Die Resultate werden Teil einer Semesterarbeit sein und dazu beitragen, die wichtigsten Hindernisse und Faktoren zu identifizieren, die für oder gegen den Biolandbau sprechen», erklärt Florent Gerbex. Er hofft auf möglichst hohe Beteiligung. Die Umfrage läuft bis zum 5. Januar 2025. Die Resultate werden zu einem späteren Zeitpunkt publiziert. Mit dem Link gelangen Sie direkt zur Umfrage.
Dass in der Biolandwirtschaft nicht alles rund läuft, zeigen zwei Beispiele von langjährigen Bioproduzenten, die bei Bio Suisse ihre Kündigung eingereicht haben.
«Will lieber anonym bleiben»
Einer davon ist Peter Z. Sein Vater war ein Biopionier, aber der junge Familienvater und Bio-Milchproduzent kehrt Bio Suisse den Rücken. Er hat soeben seine Kündigung an die Bio-Suisse-Geschäftsstelle geschickt. Dafür hat der junge Biolandwirt rationale, nachvollziehbare und betriebswirtschaftliche Argumente, dennoch ist es eine emotionale Sache für ihn. So will er denn auch anonym bleiben.
Nennen wir ihn Peter Z. «Ich bin mit Bio aufgewachsen. Mein Vater war einer der ersten, der auf Biolandbau setzte – ein wahrer Biopionier», erzählt Peter Z. Er aber hat genug, und will neue Wege gehen. Hinter sich hat er seine Familie, mit der er den Entscheid diskutiert hat.
Kraftfutterlimitierung mit Folgen
Er sagt: «Ich habe mich eingebracht, habe meine Bedenken gegen Verschärfungen der Knospe-Richtlinien in der Mitgliederorganisation, in Arbeitsgruppen und in der Geschäftsstelle eingebracht. Aber so wie sich die Delegierten Jahr für Jahr gegen uns Landwirte entscheiden, wurde ich immer frustrierter.»
Peter Z. bewirtschaftet mit seiner Familie einen grösseren Milchproduktionsbetrieb in der Talzone. So nervte ihn am meisten und seit 2022 die Änderung der Wiederkäuer-Fütterungsrichtlinie, dass nur noch 5 % Kraftfutter aus Schweizer Produktion zugefüttert werden kann.
Dadurch sind bei ihm die Produktionskosten stark angestiegen. Er sagt: «Um wirtschaftlich Biomilch zu produzieren, muss man zwingend eine Vollweidestrategie fahren können.» Sei dies aus klimatischen und topografischen Gründen nicht möglich, könne man die neuen Richtlinien überhaupt nicht umsetzen. «Es wird einem ein System aufgezwungen, das nur für wenige Betriebe überhaupt umsetzbar ist», so Peter Z.
«Bio-Kraftfutter ist mehr als doppelt so teuer, wie konventionelles Kraftfutter. Auch ist es gehaltsärmer. Es kostet viel und ist nicht mal etwas wert», so die Schlussfolgerung von Peter Z. Sein Einkommen in der Milchproduktion ist durch die steigenden Produktionskosten gesunken. Hinzu komme das Tierwohl. Kraftfutter- und Mineralstoffgaben hängen von der Grundfutterqualität, dem Laktationsstadium und der Milchleistung ab. Er konnte seine Kühe nicht mehr bedarfsgerecht füttern, was auch steigende Tierarztkosten zur Folge hatte. «Ich rannte gegen eine Wand», sagt Peter Z. Seitens Bio Suisse und den Beratern hiess es: «Das ist halt so» oder «Das ist das Problem von euch Züchtern. Ihr seid selbst schuld, dass ihr zugute Kühe für Bio habt.». «Dabei züchten wir seit Jahrzehnten auf wirtschaftliche Kühe auf unserem Betrieb», fügt Peter an.
Hinzu kommt, dass eine gezielte Paarung mit gesextem Samen verboten ist. «Niemand will einen Bio-Tränker mästen. Auch ist es am Markt vorbei, den Biokonsumenten essen wenig Kalbfleisch», sagt Peter Z.
«Nie mehr Label-Zwangsjacke»
Sein Platz sei nicht mehr in der Bio Suisse. «Aber wir werden nie anders als biologisch Landwirtschaft betreiben. Unser Gedankengut fusst in nachhaltig und regenerativ», sagt der junge Familienvater – aber ohne Knospelabel. Bundes-Bio oder ein anderes Label wie zum Beispiel IP Suisse kommt für ihn auch nicht infrage. «Ich lasse mich nie mehr in eine Label-Zwangsjacke stecken», sagt er. Die Familie setzt in Zukunft voll auf Direktvermarktung, auf ihr ureigenes Hoflabel und will das Potenzial in der Region ausnutzen.
Eine Verschnaufpause von der Junghennenaufzucht und der Verunkrautung
Vincent Charmillot bewirtschaftet zusammen mit seiner Frau Mélanie einen Futterbaubetrieb in Envelier (JU), in der Bergzone 2. Er hat keine Mühe, seinen Namen bekannt zu geben. «Die Nachricht von meinem Austritt aus Bio Suisse, den ich auf Ende Juni eingereicht habe, hat sich ohnehin, wie ein Lauffeuer verbreitet», sagt er schmunzelnd.
Unberechenbarer Markt
Neben einer Herde von 35 Limousin-Mutterkühen hat er auch einen Geflügelstall, wo er Junghennen züchtet. «Alles begann mit einem Angebot, das ich von einem deutschen Unternehmen erhielt, das auf Fleischprodukte spezialisiert ist», erzählt der Landwirt aus dem Jura. Seine Erfahrungen waren nicht unbedingt positiv.
So seien die Marktbedingungen für die Aufzucht von Knospe-Junghennen ziemlich unberechenbar. Häufig sei es vorkommen, dass er statt 2,5 Umtriebe pro Jahr nur 1,5 Umtrieb machen konnte. Das schmälerte seinen Verdienst beträchtlich. «Diese Firma bot mir an, in meinem Gebäude 4000 Mastpoulets mit Bundes-Bio zu mästen – auch zu einem vorteilhaften Preis», erzählt Vincent Charmillot und ergänzt: «Unter dem Knospe-Label wäre das undenkbar. Die Bestände sind auf 500 Tiere begrenzt. Auch werden aufgrund der sehr hügeligen Topografie bei uns kaum mobile Hühnerställe bewilligt», so Vincent Charmillot. Seiner Meinung würden Mobilställe den Tieren im Winter keine guten Haltungsbedingungen bieten. Kurz nachdem Charmillot seinen Austritt bei der Bio Suisse eingereicht hatte, machte die deutsche Firma einen Rückzieher. «Der Preis, den sie mir nun vorschlugen, lag weiter unter dem ursprünglich in Aussicht gestellten», erzählt er.
«Nach reiflicher Überlegung werde ich also nächstes Jahr auf konventionelle Landwirtschaft umstellen und eine Lösung finden, um meinen Geflügelstall zu füllen, z. B. mit extensivem Mastgeflügel mit Freilaufhaltung», sagt der Familienvater, der den seit über 20 Jahren biologisch bewirtschafteten Hof 2018 von seinem Vater übernommen hat.
Charmillot arbeitet ausserdem im Winter als LKW-Fahrer und erledigt in der warmen Jahreszeit Arbeiten für Dritte. Aufgrund der Topografie ist nur knapp die Hälfte seiner landwirtschaftlichen Fläche maschinell bearbeitbar. Es gibt viel Handarbeit zu erledigen. Ihm fehlt die Zeit, seine Flächen so zu pflegen, wie er es eigentlich gerne möchte. Auch sei es kaum möglich, Arbeitskräfte für die Bekämpfung von Blacken, Disteln und Jakobskreuzkraut zu finden. «Die chemische Bekämpfung im ÖLN wird mir eine Verschnaufpause verschaffen», argumentiert er.
Preisunterschied ist nicht relevant
Sein Einkommen aus der Mutterkuhhaltung dürfte nicht allzu sehr unter der Umstellung auf ÖLN leiden. «Der Preisunterschied zwischen Bio- und konventionellen Tieren ist minimal, im Gegensatz zu den Verkaufspreisen für Biofleisch in den Regalen der Supermärkte», stellt Vincent Charmillot fest. Obwohl er die Richtlinien von Bio Suisse sehr restriktiv und nicht flexibel genug findet, vor allem bei der Geflügelaufzucht, will er in naher Zukunft wieder mit biologischem Anbau beginnen. «In der Zwischenzeit werde ich eine effektivere und weniger anstrengende Bekämpfung von mehrjährigen Unkräutern durchführen können und mit einem ‹saubereren› Hof neu anfangen können», sagt er abschliessend.
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