Die Meldung des Kantons St. Gallen Ende August kam wenig überraschend: Auch für 2024 gelten Einschränkungen im Maisanbau wegen des Maiswurzelbohrers. Mittlerweile ist fast das ganze Kantonsgebiet betroffen. In 64 von 77 Gemeinden gilt ein Anbauverbot von Mais nach Mais. Das Landwirtschaftsamt schätzt, dass 2000 ha Maisanbauflächen betroffen sind.

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Ausbreitung konnte nicht verhindert werden

Abo2020 ist ein gutes Maisjahr. Wegen dem Maiswurzelbohrer ist der Maisanbau 2021 in verschiedenen Regionen in der Ostschweiz zum Teil stark eingeschränkt. (Bild js)Bundesamt für LandwirtschaftMaiswurzelbohrer: Mulchen und Oberflächenbearbeitung statt AnbaupauseMittwoch, 30. September 2020 Mit dem Unterbruch des Maisanbaus soll dem Schädling, der sich von Maiswurzeln ernährt, die Nahrungsgrundlage entzogen werden, so die Haltung des Bundes. 2019 setzte er den Schädling auf die Quarantäneliste, mit dem Ziel, den Käfer auszurotten – mit wenig Erfolg, wie sich heute zeigt. Trat der Käfer im Kanton St. Gallen anfangs vor allem im mittleren Rheintal auf, fand innerhalb von vier Jahren eine Ausbreitung über den ganzen Kanton statt.

Landwirt Jörg Geiger aus Kriessern im St. Galler Rheintal kann davon ein Lied singen. Von der Anbau-Einschränkung ist er seit 2020 betroffen. «Dieses Jahr wurde der Schädling tatsächlich auch bei uns gefunden», berichtet er. Glücklicherweise seien die Schäden minim. «Aber das zeigt mir, dass mit dem Anbauverbot die Verbreitung des Maiswurzelbohrers nicht verhindert wurde.»

Bruno Inauen, Chef des St. Galler Landwirtschaftsamts, argumentiert seit Beginn der Ausbreitung des Maiswurzelbohrers, dass es sinnvoller wäre, die Regeln zu überdenken. Eine Tilgung werde nicht mehr möglich sein. Somit käme also nur eine Eindämmungsstrategie infrage. «Unser Vorschlag wäre, dass die jährliche Verfügung durch verbindliche Regeln abgelöst werden sollte», sagt Inauen. Aber sein Handlungsspielraum ist eingeschränkt. Es gilt Bundesrecht und der Kanton kann nicht auf eigene Faust «sinnvollere» Regelungen verordnen.

Ausnahme im Kanton Luzern

AboMaiswurzelbohrerMaiswurzelbohrer im Kanton Luzern an vielen Standorten nachgewiesenMontag, 25. September 2023 Im Kanton Luzern läuft seit 2019 ein vom BLW bewilligtes Pilotprojekt. Das Auftreten des Maiswurzelbohrers hat dort keine Auswirkung auf die Fruchtfolgeregelungen. Es darf maximal zwei Jahre hintereinander Mais angebaut werden, gefolgt von mindestens zwei Jahren ohne Mais. Wenn nur ein Jahr Mais angebaut wird, genügt eine Anbaupause von einem Jahr. Mais nach einer früh räumenden Kultur als Zweitkultur gilt auch als Maiskultur bzw. wird wie eine Mais-Hauptkultur gerechnet. Die Regelung gilt für alle Betriebe, unabhängig von der Fruchtfolgefläche und Fruchtfolgevariante (Variante 1 «Anbaupause» und Variante 2 «Anzahl Kulturen und Flächenanteile von Kulturen»). Das Projekt dauert bis September 2025.

Auch die St. Galler hätten gerne bei diesem Pilot mitgemacht. Man war der Meinung, dass dieser Versuch sinnvoll gewesen wäre.

«Es wäre interessant gewesen, zu verfolgen, wie sich die Population mit dem Druck aus dem Ausland entwickeln würde.»

Bruno Inauen hätte sich ein Pilotprojekt für den Kanton St. Gallen gewünscht

Das BLW lehnte das St. Galler Gesuch allerdings ab.

Könnte der jährliche Wechsel Standard werden?

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Bruno Inauen könnte sich anstelle des Anbauverbots zwei andere Szenarien vorstellen: «Das erste wäre, dass der heute verfügte jährliche Wechsel Standard würde und alle jedes Jahr wechseln müssten.» Das wäre eine Verschärfung der heutigen ÖLN-Vorgaben. «Das würde selbstverständlich auch kontrolliert. Wir würden aber nicht verfügen», hält er fest. Das zweite Szenario wäre, dass die Vorgaben des ÖLN betreffend Maisanteil in der Fruchtfolge auch auf Betriebe ausgeweitet würden, die unter 3 Hektaren offene Ackerfläche haben. Inauen meint: «Allenfalls würde das zur Eindämmung ausreichen.»

Solange der Bund an der heutigen Strategie festhält, gibt es für die Landwirte keine andere Möglichkeit, als sich an das Anbauverbot zu halten. Jörg Geiger stellt dies vor grosse Herausforderungen. Die Fruchtfolge des Betriebs, der in einer Betriebsgemeinschaft geführt wird, besteht aus Kunstwiese und jeweils 20 ha Mais für die betriebseigene Fütterung der 130 Milchkühe.

«Wegen den Anbau-Einschränkungen mussten wir anfangen, Naturwiesen umzupflügen. Das kann nicht das Ziel sein.»

Landwirt Jörg Geiger ärgert sich über die Einschränkungen

Hinzu kommen höhere Kosten für Bodenbearbeitung und die Maschinen plus Mehrkosten für das Grassaatgut. «Wir müssen lernen, mit dem Schädling zu leben», sagt Geiger. Er ist mit seiner Haltung längst nicht alleine. Viele seiner Berufskollegen argumentieren mittlerweile so und fordern die Aufhebung des Anbauverbots.

Situation in der Ostschweiz: Anbau-Einschränkungen bis Totalverbot

Seit dem Jahr 2000 wird die Situation des Maiswurzelbohrers mittels Pheromon-Fallen in der Schweiz jährlich überwacht. Für die Saison 2023 sind gemäss der Abschlusskarte der Gebietsüberwachung 2022 von Agroscope alle Kantone mindestens teilweise von Fruchtfolgemassnahmen betroffen. In der Ostschweiz ist die Situa­tion unterschiedlich. 

In Appenzell Ausserrhoden wurde der Maiswurzelbohrer dieses Jahr in einer Falle nachgewiesen. Das kantonale Landwirtschaftsamt hat am 8. September eine entsprechende Allgemeinverfügung erlassen. Es ist im ganzen Kanton verboten, im Jahr 2024 auf Flächen Mais anzubauen,  auf denen bereits im Jahr 2023 Mais angebaut wurde – egal ob als Hauptkultur, Zweitkultur oder Gründüngung.

Ein generelles Anbauverbot von Mais nach Mais gilt zudem in den Kantonen Schaffhausen und Zürich. Das Landwirtschaftsamt Schaffhausen teilt mit, dass keine Ausnahmen möglich sind. Zuwiderhandlungen könnten nicht nur in einer Busse, sondern gar in der Beseitigung der Kultur münden.

Im Kanton Thurgau sind 30 von 80 politischen Gemeinden vom Mais-auf-Mais-Anbauverbot betroffen. In 11 weiteren Gemeinden gilt teilweise ein Anbauverbot, und zwar für Gebiete, die im Umkreis von 10 km eines Fundortes des Maiswurzelbohrers liegen.

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Im Kanton Graubünden ist die Verbreitung des Maiswurzelbohrers in Nordbünden flächendeckend. In allen Überwachungsfallen habe man den Schädling auffinden können, sagt Andreas Vetsch, Leitung Fachstelle Pflanzenschutz am Plantahof. Somit bleiben die geltenden Fruchtfolgeregeln mit dem Anbauverbot von Mais nach Mais in Nordbünden im nächsten Jahr bestehen.