Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 1. Februar 2023 den Bericht «Regulierung der Gentechnik im Ausserhumanbereich» verabschiedet, wie er in einer Medienmitteilung bekannt gibt. Damit erfüllt er drei Postulate, nämlich «Kriterien für die Anwendung des Gentechnikrechts?» (20.4211 Chevalley), «GVO-Moratorium: Die richtigen Informationen für die richtigen Entscheidungen» (21.3980 WBK-N) sowie «Züchtungsverfahren mittels Genome Editing» (21.4345 WBK-S).
Seit dem Inkrafttreten des Gentechnikgesetzes wurden verschiedene neue Techniken entwickelt, die eine gezielte Veränderung des genetischen Materials (Genom-Editierung) ermöglichen. Diese Methoden bieten Chancen und Risiken. Im Bericht des Bundesrats steht, dass neue gentechnische Verfahren, zum Beispiel Crispr/Cas, im Gesetz speziell geregelt und nicht generell als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) behandelt werden sollen.
Eine der grössten Herausforderungen im Zusammenhang mit den neuen Techniken sei die Rückverfolgbarkeit, wie der Bundesrat schreibt. Für die Mutationen, die mit den neuen gentechnischen Verfahren hervorgerufen wurden, liessen die derzeitigen Nachweismethoden keine eindeutigen Rückschlüsse zu.
Was drin steht
Im Bericht erläutert der Bundesrat die rechtlichen und historischen Grundlagen der Gentechnik, den aktuellen rechtlichen Status der neuen Gentechnologien, die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung sowie die Bedingungen der Koexistenz von gentechnisch veränderten und nicht veränderten Organismen. Zudem prüfte er Anpassungsmöglichkeiten bei der bestehenden Regulierung für gewisse neue gentechnische Verfahren. Den 37-seitigen Bericht «Regulierung der Gentechnik im Ausserhumanbereich» können Sie unter diesem Link nachlesen.
Kommission für Landwirtschaft: «Sonderbehandlung gerechtfertigt»
Die vom Bundesrat eingesetzte Beratende Kommission für Landwirtschaft (BEKO) begrüsst in einer Mitteilung die breite Auslegeordnung und kommt «grossmehrheitlich» zum Schluss, dass eine Sonderbehandlung neuer gentechnischer Verfahren mit einer risikobasierten Zulassungsregelung gerechtfertigt sei.
Die Pflanzenzüchtung mit Pflanzensorten, die zum Beispiel robust oder resistent gegen Krankheiten und Schädlinge, ressourceneffizient sowie tolerant gegenüber Hitze- oder Trockenstress sind, könne einen wesentlichen Beitrag zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit leisten.
Mit den neuen Verfahren könnten ohne Einführung artfremder Gene relativ einfach rasche Züchtungserfolge realisiert werden, heisst es weiter. Damit Pflanzen, welche mit den neuen Verfahren gezüchtet werden, Mehrwerte bilden können, sollen diese im Gesetz speziell geregelt und nicht generell als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) behandelt werden. Zu bevorzugen sei eine noch zu definierende, fallspezifische Vorgehensweise, die Elemente der Prozess- und der Produktezulassung aufnimmt, schreibt die BEKO.
Insbesondere legt sie grossen Wert auf eine hohe Markttransparenz und die Wahrung der Wahlfreiheit in der Produktion (Anbau) und beim Konsumentscheid sowie die Abstimmung der Regelungen mit der EU, so dass keine Handelshemmnisse oder Wettbewerbsnachteile für die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft entstehen würden.
Ein bisschen Zustimmung und viel Kritik
Die Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG) ist erfreut über den Entscheid des Bundesrats, die Notwendigkeit einer prozessbasierten Regulierung anzuerkennen, schreibt sie in einer Mitteilung. Bei der Frage, wie konkrete rechtliche Probleme zu lösen seien, bleibe der Bericht jedoch «sehr vage».
Bemängelt werden von der SAG die fehlenden Empfehlungen zur Koexistenz: «Hier werden anstatt konstruktiver Lösungsansätze lediglich alte Vorschläge für mögliche Koexistenzprojekte hervorgeholt, die bereits mit überwältigender Mehrheit vom Parlament und den Kantonen abgelehnt wurden», sagt Martina Munz, SAG-Präsidentin und Nationalrätin.
Der Bericht stufe zudem eine Koexistenz als realisierbar ein, dies sei im Widerspruch zu bisherigen Forschungsergebnissen, die die Machbarkeit der Koexistenz in der Schweiz mit ihren kleinräumigen landwirtschaftlichen Strukturen als schwierig erachten. Beispiele aus allen Regionen der Welt, wo GVO angebaut werde, zeige ein ähnliches Bild, nämlich dass es stets zu Kontaminationen komme. «Dass diese Aspekte im vorliegenden Bericht untergingen ist ein grosser Mangel», schreibt die SAG.
Zu wenig werde zudem auf den problematischen Aspekt der Patentierbarkeit der neuen Gentechnischen Verfahren eingeganen.