Anlässlich der 23. Delegiertenversammlung hat der SOV eine Online-Infoveranstaltung durchgeführt, an der der Präsident Jürg Hess und Direktor Jimmy Mariéthoz auch auf das letzte Jahr zurückblickten. Der Obstbau sei bis jetzt verhältnismässig gut durch die Krise gekommen, bilanzierte Jürg Hess. Während der Sommerfrüchtemarkt hervorragend verlief, haben die grossen Mostobstmengen zu hohen Rückbehalten und Unmut in der Branche gesorgt: Sowohl die Mostäpfel- als auch die Mostbirnenernte überstieg den Normalbedarf deutlich. Die Konzentratlager nach der Ernte 2020 decken laut SOV-Jahresbericht den Schweizer Inlandbedarf für über zwei Jahre. Bei den zuständigen Produktzentren sei man sich dem Ernst der Lage bewusst und man arbeite intensiv daran - die Lage bleibe aber angespannt und einfache Lösungen seien nicht zu erwarten.

Relativieren statt stur zu negieren

Aktuell widmet sich der SOV unter anderem der Bekämpfung der im Juni an die Urne kommenden Agrarinitiativen. Dabei gehe es vor allem darum, aufzuzeigen, dass die Initiativen zu extrem seien und mehr Schaden anrichteten als sie nützen würden, sagte SOV-Kommunikationsleiter Christian Schönbächler. Die Schädlichkeit von Pflanzenschutzmitteln und Probleme mit der Trinkwasserqualität seien in der öffentlichen Wahrnehmung beispielsweise unbestritten und könnten nicht stur negiert, dafür aber relativiert werden. Man müsse versuchen, auf Innovationen zu fokussieren und aufzuzeigen, was im Bereich Pflanzenschutzmittel von den Produzenten und seitens Politik bereits alles getan werde.

Wildwuchs bei Nachhaltigkeitskonzepten von Schweizer Früchten

Im aktuellen Jahr haben beim SOV neben den Agrarinitiativen die Branchenlösung «Nachhaltigkeit Früchte» und die Entwicklung des Kompetenznetzwerk Obst und Beeren oberste Priorität. Eine Weiterentwicklung der Schweizer Obstproduktion im Bereich Nachhaltigkeit sei nötig und soll zusammen mit allen beteiligten Playern gestaltet werden. Aktuell gebe es viele unterschiedliche und unkoordinierte Konzepte, welche die Auswirkungen auf die Betriebe in technischer, qualitativer sowie finanzieller Natur unterschätzten. Im Februar haben sich Vertreter vom Verband des Schweizerischen Früchte-, Gemüse- und Kartoffelhandels (Swisscofel) sowie SOV-Vertreter darauf geeinigt, eine nationale Branchenlösung zu erarbeiten, um die Schweizer Obstproduktion zukünftig noch nachhaltiger zu gestalten. Eine gleichmässig zusammengesetzte Arbeitsgruppe soll nun die Anforderungen der wichtigsten Schweizer Früchteabnehmer prüfen und geeignete und umsetzbare Massnahmen unter ökologischen, sozialen und ökonomischen Gesichtspunkten in einen Branchenstandard überführen.

Daneben ist der SOV auch an der Entwicklung eines Kompetenznetzwerks Obst und Beeren. Das Kompetenznetzwerk soll den Grundstein für eine nationale, zukunftsausgerichtete und praxisnahe Forschung für den Schweizer Obst- und Beerenbau legen. Unter anderem sollen damit auch die Koordination und Vernetzung der Aktivitäten von Agroscope und weiteren Partnern zugunsten des Obst- und Beerenbaus verbessert werden und die Kommunikation zwischen allen Akteuren soll mehr Gewicht erhalten.

 

Das Umfeld wird restriktiver

Am SOV-Online-Anlass hat auch Christian Hofer, Direktor Bundesamt für Landwirtschaft, die Zukunft der nachhaltigen Obstproduktion thematisiert: Ein Blick auf die Gründungszeitachse von Organisationen, die sich für eine nachhaltigere Produktion einsetzten, zeige, dass Nachhaltigkeit besonders am Anfang vor allem seitens Produzenten initiiert wurde. In den 1990er-Jahren habe dann auch die Agrarpolitik Nachhaltigkeit aufgegriffen und beispielsweise in entsprechenden Direktzahlungsbeiträgen gesetzlich verankert. In jüngster Zeit drohten die Produzenten in Bezug auf Nachhaltigkeitsforderungen aber ins Hintertreffen zu geraten: Die Schweizer Landwirtschaft und damit auch die Schweizer Obstproduktion müsse sich in die Lage bringen, sich in diesem zunehmend restriktiven Umfeld zurechtzufinden und die Anforderungen zu erfüllen.

Grosse Chance für Obst- und Gemüseproduzenten

Die Sistierung der Agrarpolitik 22+ sei in dieser Hinsicht ein schlechtes Zeichen nach aussen gewesen. Es sei darum umso wichtiger, dass möglichst bald eine Grundlage für die längerfristige Ausrichtung der Agrarpolitik geschaffen werde – beispielsweise auf Basis des überwiesenen Postulates «Zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik», mit dem der Bundesrat beauftragt wurde, bis 2022 einen Bericht zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik vorzulegen, oder mit der Parlamentarischen Initiative «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren». Egal wie die Abstimmungen am 13. Juni nämlich ausgehen würden, die Forderung nach mehr Nachhaltigkeit seitens der Bevölkerung werde immer grösser, gab Christian Hofer zu bedenken. Weitere Abstimmungsinitiativen in dieser Hinsicht (Massentierhaltungsinitiative, Landschaftsinitiative, Biodiversitätsinitiative) seien auch bereits in den Startlöchern. Gleichzeitig sei die aktuelle Ernährungsentwicklung besonders für Obst- und Gemüseproduzenten eine grosse Chance – die zukünftige Ernährungsstrategie fördere gesunde Ernährung und damit auch Obst und Gemüse.