«Vor dem Hagel gab es hier spürbar immer mehr Leben», meint Markus Bucher und blickt über seine Versuchsfläche. Auf diesen 3,5 Hektaren wächst ein chaotisch-bunter Gemüsegarten, weiter hinten sind schmale Felder zwischen Baumreihen und wechselfeuchten Tümpeln angelegt. Der Bio-Gemüsebauer aus dem bernischen Grossaffoltern sucht nach einem Weg, die Prinzipien der Permakultur im grossen Stil für die Landwirtschaft nutzbar zu machen. Seine Hoffnungen ruhen auf der Entwicklung einer Maschine für Mischkulturen. Ein Unwetter in diesem Sommer hat ihn in seinem Vorhaben bestärkt.
Produktiv trotz Hagelschäden
Dass es ökologisch Sinn macht, möglichst viele verschiedene Pflanzen nebeneinander, statt einheitliche Kulturen zu setzen, hat die Forschung bereits gezeigt. Bei der Umsetzung in die Praxis fangen aber die Probleme an. «Wir haben versucht, jeweils positive und negative Effekte der Pflanzen aufeinander in die Planung einzubeziehen», erinnert sich Markus Bucher, «am Ende brummte allen der Schädel». Trotzdem scheint es funktioniert zu haben, denn in der bunten Farben- und Formenflut des Permakulturgartens in Grossaffoltern entdeckt man bei genauerem Hinsehen Gemüse in Hülle und Fülle: Rotkohl, Stangenbohnen, Kürbis, Krautstiel, Fenchel, Mais… – und all das, obwohl im Juni ein verheerender Hagelsturm über die Region gezogen ist.
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«Es ist schon erstaunlich», meint Bucher, «wie produktiv diese Fläche ist». Dies vor allem im Vergleich zu seinen übrigen Feldern. Wo im Frühling Pastinaken, Kefen, Stangenbohnen und Krautstiel wuchsen, steht nun eine Gründüngung. Nach dem Unwetter verzeichnete das Farngut Totalschaden, wochenlang waren die Felder zu nass, um irgendetwas zu machen. Dieses Jahr sei fraglos eine Extremsituation gewesen, fährt der Landwirt fort. Trotzdem sollten seiner Meinung nach möglichst viele Landwirte diese Unterschiede sehen. «Wir reden von Ernährungssicherheit. Unser Beispiel zeigt, dass wir uns dafür genau in diese Richtung, zur Permakultur bewegen müssen.»
Konsumenten müssen mehr zahlen
Ein grosser Knackpunkt bei der Umsetzung der für die Permakultur typischen Mischkulturen ist der grosse Arbeitsaufwand. Je gemischter die Kultur, desto mehr Handarbeit wird nötig. Mit den hohen Lohnkosten in der Schweiz führt das schnell zu Problemen mit der Wirtschaftlichkeit. «Die Flächenproduktivität ist erstaunlich, wegen dem grossen Aufwand müssen die Konsumenten aber deutlich mehr bezahlen», bestätigt Hans Ramseier. Er ist Dozent an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL und informierte an einem Medienanlass über laufende Projekte. «Gerechnet mit Bio-Preisen für das Gemüse kamen wir auf einen Stundenlohn von acht Franken», so Ramseier. In Zukunft müsste klar mehr als rund sechs Prozent des Einkommens von Schweizerinnen und Schweizern in Lebensmittel investiert werden. Das werde eine grosse Herausforderung, ist sich der Dozent sicher.
Markus Bucher verfolgt den Ansatz, den Arbeitsaufwand zu senken. In Zusammenarbeit mit der Schweizer Landtechnikfirma Semesis hat er das Projekt Honesta gestartet. Im Zentrum dessen Arbeit steht die Entwicklung eines Arbeitsgerätes, mit dem die Maschine eine Mischkultur voll automatisch säen, pflegen und ernten kann. Als Trägerfahrzeug kommt ein bereits entwickelter Geräteträger zum Einsatz.
In jedem Kreis wächst etwas anderes
«In einem ersten Schritt legt man ein vernetztes Ökosystem an», erläutert Bucher sein Vorgehen auf der Permakulturfläche. So hat er alle 18 Meter eine Baumreihe mit verschiedensten Arten gepflanzt, mit einem Bagger acht Tümpel ausgehoben und Hecken angelegt. Der zweite Schritt sei dann, die Produktion dazwischen zu integrieren. In seinem Fall die langen Feldstreifen zwischen den Bäumen und die bunte Mischkultur.
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Während das Gemüse im Agroforstteil noch mit herkömmlichen Geräten kultiviert werden kann, soll die neue Maschine von Honesta paralell dazu entwickelt, getestet und etabliert werden. «Wir teilen die Parzelle in Kreise mit rund 60 Zentimeter Durchmesser ein. In jedem Punkt wächst etwas anderes», erläutert der Berner. Wenn alles klappt, weiss die Honesta-Maschine dank GPS-Fixpunkten, wo was gedeiht und führt alle Arbeiten autonom aus. Um die Pflanzen optimal platzieren zu können, ist ein Programm in Entwicklung, um das Zusammenwirken der Arten zu berücksichtigen. «Irgendwann kann man eingeben, man wolle z. B. 10 Prozent Rüebli und 10 Prozent Blumenkohl in der Mischung und der Computer berechnet, wo die Maschine welches Gemüse setzen sollte».
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Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Honesta ist aber kein Traumschloss. Eine Machbarkeitsstudie wurde bereits durchgeführt, nun sucht man Ideen für die nachhaltige Finanzierung des Projekts. In Zukunft ist die Ausbreitung auf andere Betriebe und Regionen angedacht.
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«Das war eine grüne Wüste»
Auch beim Stichwort Wirtschaftlichkeit hat Markus Bucher eine Vision. Er möchte wegkommen von Kilopreisen und sich lieber für seine Dienstleistung als Landwirt bezahlen lassen. «Solange wir festlegen, wie viel ein Kilo Rüebli kosten soll, setzt das die Wertschöpfungskette unter Druck», findet er. Sich selbst bezeichnet er als «labelmüde». Seine Permakultur-Versuchsfläche hat er zwar als solche per Flächencode für Direktzahlungen angemeldet, das Gemüse von dort lobt Bucher aber nicht speziell aus. Die Kosten für die Baumreihen trug er selber, ungefähr 150 Bäume bezahlten Sympathisanten der Trinkwasser-Initiative (TWI) im Rahmen eines Crowdfundings. Der Biobauer hatte die TWI in der Hoffnung unterstützt, sie brächte eine grundlegende Änderung in der Schweizer Landwirtschaft.
Von Rückschlägen lässt sich der Berner nicht unterkriegen. Die Freude an seinen Erfolgen mit der Permakultur ist Markus Bucher anzusehen, obwohl der Hagel viel von seiner Arbeit zerstört hat. Er sei fast vom Stuhl gekippt, als er kürzlich ein Foto des Standorts in seinem früheren Zustand gesehen habe – «das war eine grüne Wüste». Die Fläche neige zum Vernässen, da das Wasser nach starkem Regen schlecht abfliesse. Ausserdem liegt sie nahe am Haus. Daher habe er sich entschieden, hier etwas Neues zu wagen und dafür Geld und Zeit investiert. «Das ist quasi mein Hobby. Andere kaufen sich ein teures Auto», bemerkt er schulterzuckend. Ein teures Auto will er nicht. Aber eine Maschine für die Permakultur.
Weitere Informationen über das Projekt Honesta finden Sier hier: https://honesta.swiss/