Bei vielen Bauern gingen die Heu- und Silovorräte wegen der letztjährigen Trockenheit schneller zur Neige als üblich. Die Angus-Mutterkühe von Stefan Zumsteg in Wil AG kamen hingegen gut mit dem eigenen Futter durch den Winter. Der Grund: ein Teil der Ration bestand aus Sorghum.
Diese zur Familie der Süssgräser zählende Pflanze hält wegen seinen langen Wurzeln trockene Phasen besser aus. Während Mais auf gleichen Flächen im letzten Sommer schlapp machte, profitierte das Sorghum zudem von seinen speziellen Eigenschaften: Seine Blätter sind mit einem vor Verdunstung schützenden Wachs überzogen und bei Trockenheitsstress schliessen sich die Spaltöffnungen, danach verfällt die Pflanze in einen Ruhezustand bis wieder Wasser verfügbar ist.
Zumsteg kann das nur bestätigen: «Im letzten Sommer stellte mein Sorghum das Wachstum während der schlimmsten Trockenheitsphase temporär ein, sobald wieder Feuchtigkeit da war, wuchs es wieder weiter». Die Eigenschaften hat sich die Pflanze während tausenden von Jahren der Evolution angeeignet, sie stammt ursprünglich aus wasserarmen Regionen in Afrika. Sorghum gehört dort heute noch zu den wichtigsten landwirtschaftlichen Kulturen, aus deren Körner unter anderem Brei für die menschliche Ernährung zubereitet wird.
Am östlichen Rand des Fricktals leiden die leichten Böden von Zumsteg schon in normalen Jahren unter Trockenheit, weil dieser die Feuchtigkeit schlechter speichern kann als schwere, tiefgründige Böden. Mit dem sonst üblicherweise als Futterpflanze angebauten Mais gab es dort immer wieder Probleme, weil dieser empfindlich auf Wassermangel reagiert.
Die Lösung sah Zumsteg bei einem befreundeten Kollegen mit Schweizer Wurzeln in Mittelamerika. Dieser führte ihn in die Grundsätze des Sorghum-Anbaus ein. Doch die klimatischen Bedingungen in der Schweiz sind komplett anders als in Mittelamerika, wo das Sudangras - wie es auch genannt wird - sogar mehrjährig kultiviert wird. Also ging Zumsteg daran, den Anbau auf unsere Klimaverhältnisse und Böden anzupassen.
Obwohl Sorghum schon seit längerem in der nördlichen Hemisphäre und auf kleinen Parzellen auch in der Schweiz ausgesät wird, fehlt es an detaillierten Informationen über die Anbautechnik. «Mir blieb nichts anderes übrig, als es auf einer kleineren Parzelle selbst zu versuchen», sagt Zumsteg.
Der Versuch gelang. Vor Kurzem säte ein Lohnunternehmer bei ihm die kleinen Samen mit einem Zuckerrübensaatgutgerät nun bereits zum vierten Mal aus. Ähnlich wie der Mais braucht Sorghum für die Keimung relativ warme Bodentemperaturen, die in der Schweiz frühestens Ende Mai erreicht werden. Seine Erfahrung hat ihm gezeigt, dass 200'000 der kleinen Samen pro Hektare reichen. «Das sind deutlich weniger, als die Berater sonst empfehlen.» Die Stängel werden so dicker und haben mehr Standfestigkeit. Und diese ist nötig, denn das Sorghum wird bis zu fünf Meter hoch.
Deshalb ist Zumsteg auch bei der Düngung zurückhaltend: Er bringt nur vor dem Umbruch der Kunstwiese - diese steht bei ihm in der Fruchtfolge vor dem Sorghum - Mist und Gülle aus, ergänzt mit effektiven Mikroorganismen (EM). Er ist felsenfest überzeugt, dass letztere eine positive Wirkung auf die Pflanze haben, obwohl wissenschaftliche Studien dazu fehlen: «Die EM verhelfen der Pflanze zu mehr Gesundheit und machen sie weniger anfällig für Krankheiten.»
Sorghum
Sorghum auch Sudangras genannt - kommt aus der Familie der Süssgräser und stammt ursprünglich aus Afrika. Von dort breitete es sich in die ganze Welt aus. In Afrika ist es eine wichtige Pflanze in der menschlichen Ernährung und wird beispielsweise für Couscous oder Mehl verwendet. Auf den anderen Kontinenten wird es vor allem als Futterpflanze oder als Energiepflanze genutzt. Weltweit ist Sorghum nach Weizen, Mais, Reis und Gerste die fünfwichtigste Getreidekultur.
Wie Mais ist Sorghum eine C4-Pflanze, die sich bei warmen Bedingungen mit langer Sonnenscheindauer (also in unserem Sommer) optimal entwickelt. Die Wuchsform ist ähnlich wie beim Mais, doch Sorghum hat mehr Seitentriebe und tiefere Wurzeln und bildet Rispen anstatt Kolben.
Sorghum als Absicherung gegen Trockenheit
Gemäss Statistik des Schweizerischen Bauernverbandes betrug die Sorghum-Anbaufläche im Jahr 2016 in der Schweiz eher bescheidene 41 Hektaren. Nach trockenen Jahren stellen Saatgutverkäufer aber jeweils ein steigendes Interesse an der Kultur fest. Das ist auch jetzt der Fall.
«Vor allem grössere Landwirte sichern in diesem Jahr mit Sorghum ihre Erträge gegen Trockenheit ab», sagt Marc Lehmann von Eric Schweizer AG. Sie ersetzen einen Teil der Maisanbaufläche mit dem «Mais ohne Kolben», wie das Sorghum unter Bauern auch bezeichnet wird. Damit vermindern sie das Risiko, nach einem trockenen Sommer mit zu wenig Futter in den Winter zu gehen.
Sorghum ist dem Mais qualitativ allerdings nur in trockenen Jahren überlegen. Sein Energiegehalt ist geringer, deshalb ist Sorghum vor allem etwas für Mutterkuhhalter wie Zumsteg, wo das Futter etwas weniger energieintensiv sein darf. Es gibt Bauern, die Sorghum zusammen mit Mais als Mischkultur anbauen und gemeinsam für die Winterfütterung silieren. Alternativ besteht die Möglichkeit, Sorghum nach einer späteren Ansaat als Zwischenfrucht mehrmals zu schneiden und frisch zu verfüttern.
Wildschweine lassen Sorghum in Ruhe
Zumsteg verarbeitet und lagert sein Sorghum bei der Ernte im Herbst separat in einem Silo. Im Winter verfüttert er es gemischt mit Grassilage und Heu an seine Kühe. «Sorghum alleine haben die Kühe nicht so gerne», sagt er. Seine Kühe würden das exotische Futter aber sehr gut vertragen.
Einen Vorteil sieht er im geringeren Energiegehalt von Sorghum: «Meine Angus-Kühe würden mit Mais in der Futterration verfetten.» Der Anbau von Mais ist für ihn nicht nur deshalb und wegen den zunehmend erwarteten Trockenheitsphasen Geschichte. Denn es gibt da noch ein ganz anderes Problem, das er mit ihm lösen konnte: Zu oft haben ihm in den Vorjahren Wildschweine den Mais abgeräumt. Er grinst: «Sorghum hingegen verschmäen sie.» Bei ihm hat Sorghum auch deshalb seinen festen Platz in der Fruchtfolge gefunden.