Viele Rübenbauern haben genug, sie werden diesen Herbst das letzte Mal auf ihren Feldern Zuckerrüben ernten. Auch im Einzugsgebiet der Zuckerfabrik in Aarberg BE ist dies nicht anders: Auf ihren Feldern, wo sie nächsten Frühling eigentlich die neue Zuckerrübensaat vorgesehen hätten, wurde jetzt Raps angesät.

Machtlos gegen Schädlinge

Der Grund ist bei den meisten Rübenbauer gleich. Mit dem Verbot der Neonicotinoide fällt auch das Produkt Gaucho (Wirkstoff Imidacloprid) weg. Gaucho wurde bisher für die Behandlung von Zuckerrüben-Saatgut eingesetzt, um Rüben während der gesamten Saison gegen deren Schädlinge zu schützen. Mit dem Verbot ist der systemisch wirkende Insektenschutz nicht mehr gewährleistet. Das hat seinen Preis: Vielerorts sind die Zuckerrübenfelder gelb, verantwortlich dafür ist die Viröse Vergilbung. Diese wird von verschiedenen Viren verursacht, die beim Saugen von Blattläusen übertragen werden.

Felder mit starker Vergilbung

Auch Josef Meyer, Präsident des schweizerischen Verbands der Zuckerrübenpflanzer, weiss von diesem Problem: «In der Westschweiz, aber auch in Teilen der Deutschschweiz, vor allem im Berner Seeland und Rheintal, haben wir eine katastrophale Situation. Viele Felder sind sehr stark von der Viralen Vergilbung betroffen», sagt Meyer. Leider sei diese seit dem Verbot des Beizungsmittels Gaucho sehr schwierig zu bekämpfen. «Dazu ist in der Westschweiz das Syndrom des basses richesses (SBR) wiederum vorhanden und wird auch auf den Zuckergehalt einen negativen Einfluss haben», befürchtet der Präsident. So waren doch bei der zweiten Ernteerhebung die Unterschiede bei den einzelnen Parzellen, insbesondere im Westen, gross. An stark von der Vergilbung betroffenen Stellen war der Ertragszuwachs sogar unterdurchschnittlich.

Hoher Befallsdruck

In diesem Jahr gebe es auch einen hohen Befallsdruck der Erdflöhe und vor allem der Blattläuse. Die grünen Blattläuse seien die Träger der Viralen Vergilbung und die schwarzen Blattläuse helfen bei der Verbreitung. «Beide waren dieses Jahr, mit dem noch zugelassenen Insektizid fast unmöglich zu bekämpfen», beobachtete Meyer. Mit dem Beizmittel Gaucho konnte man all diese Schädlinge perfekt und dies noch mit einer sehr kleinen Aufwandmenge kontrollieren. «Frankreich wird aber jetzt, mit grösster Wahrscheinlichkeit, Gaucho als Beizmittel für die nächsten drei Jahre wieder zulassen», weiss Meyer. 14 Länder in der EU haben jetzt schon eine solche Zulassung. In weiteren Ländern seien Bestrebungen dazu im Gange.

Nur nicht in der Schweiz

«Weiter muss man wissen, dass in mehreren Ländern in Europa der Wirkstoff Imidacloprid (Wirkstoff von Gaucho) als Insektizid in den Zuckerrüben zugelassen ist», hält Josef Meyer fest. Heute sei dieser Wirkstoff nur noch in der Schweiz verboten. In der Schweiz sei der Einsatz punkto Gaucho noch nicht geklärt: «Wir arbeiten zur Zeit daran, dass dieser Wirkstoff als Notlösung für eine begrenzte Zeit mit Auflagen wieder zugelassen wird», sagt der Präsident.

Leider sehe die Zuckerrübenbranche dies als einzige mögliche Lösung, um das Problem der Virösen Vergilbung kurzfristig in den Griff zu bekommen. «Wir sind auf gutem Wege, schon bald resistente Sorten zur Verfügung zu haben. Aber leider braucht dies noch etwas Zeit», hält Josef Meyer fest. Bis man soweit sei, hoffe man auf eine befristete Wiederzulassung der Gaucho-Saatgutbeizung für die Zuckerrüben.

Eine Fabrik weniger

Wenn die Zuckerrübenpflanzer keine Übergangslösung bekommen, befürchtet Josef Meyer, dass «wir nächstes Jahr eine hohe Zuckerrübenfläche verlieren werden.» Dieser Flächenrückgang würde ganz klar das Weiterbestehen der beiden Zuckerfabriken gefährden. Eine einmal geschlossene Fabrik werde bestimmt nie mehr geöffnet. «Wir sind also in einer Notsituation. Denn bald werden wir das Problem mit den resistenten Sorten im Griff haben. Was nützt uns aber das, wenn wir dann keine Fabrik mehr haben», sagt Josef Meyer klar und deutlich.

Die Kampagne beginnt bald

Jetzt steht aber erst einmal die neue Kampagne vor der Türe: In Frauenfeld beginnt die Verarbeitung der Biorüben am 18. September. Die Lieferungen der konventionellen Rüben starten um den 5. Oktober. In Aarberg ist der Kampagnenstart am 24. Sep-tember geplant.

Aufgrund der Vergilbung müsse man aber mit tieferen Erträgen rechnen. In beiden Regionen seien die Verluste zudem wesentlich höher als noch vor Jahresfrist befürchtet. Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse werden für die kommende Ernte im Vergleich zu den Vorjahren überdurchschnittliche Erträge bei unterdurchschnittlichen Zuckergehalten erwartet.