Es ist ein warmer Tag anfangs April, um die Kirschbäume herum ertönt bereits Bienengesumme. Das ist kein Zufall: Vor ein paar Tagen hat Bruno Eschmann eine Serie Wildbienenhotels, die er von der Zürcher Firma Wildbiene und Partner bezieht, zwischen seine Obstbäume gestellt. Einige Bienen sind schon geschlüpft und fliegen in Richtung Kirschbäume, die jeweils als erste blühen. Der genaue Zeitpunkt ist entscheidend: «Setzt man die Wildbienen einige Tage zu früh zwischen die Bäume, hauen sie ab, um anderswo nach Nektar zu suchen», sagt der Obstbauer aus dem St. Gallischen Niederbüren, der auf 9 Hektaren Kirsch-, Zwetschgen- und Birnenkulturen bewirtschaftet.

 

Wildbienen ohne Staat

Auf die Wildbienen gekommen ist Bruno Eschmann vor einigen Jahren über die Zentrale für Obstbau. Seit 2013 erhält er nun jährlich eine Population in der Grössenordnung von 1'000 bis 1'500 Wildbienen pro Hektare. Ende März – je nach Wetter ordert er sie ein paar Tage früher oder später – kommen seine Hotels mit je etwa 500 frischen Larven per Post an, die in den darauffolgenden Tagen als Weibchen und etwas kleinere Männchen der Gattung Mauerbienen schlüpfen. Diese bilden keinen Staat wie Honigbienen, sondern leben solitär. Sie halten sich bevorzugt dort auf, wo es geeignete Blütennahrung gibt und bauen ihre Nistplätze in Hohlräume oder Röhrchen, wie man sie von den gängigen Wildbienenhotels her kennt. Nach der Begattung sterben die Männchen rasch, während die weiblichen Bienen für den Nachwuchs auf Pollenflug gehen.

Bruno Eschmann hat die Hotels zwischen den Obstkulturen verteilt und an Zäunen befestigt, damit die Bestäubung möglichst gleichmässig erfolgt. Vor Jahren hatte der Niederbürer auch Hummeln zur Befruchtung eingesetzt. Diese waren ihm jedoch zu anfällig auf klima- und wetterbedingte Schwankungen. Auf seinem Land leben zudem seit Jahrzehnten Honigbienen, die einem befreundeten Imker gehören.

 

Bestäubung kostet

Beide Bienenarten vertragen sich gut, selbst wenn sie gerade am selben Baum beschäftigt sind. Unterschiede im Verhalten stellt Bruno Eschmann dennoch fest: «Honigbienen fliegen erst bei 15 bis 18 Grad, während Wildbienen bereits ab 4 Grad unterwegs sind und sich vom Bestäuben auch nicht abhalten lassen, wenn mal ein Lüftchen weht.» Früh blühendes Obst wie Kirsche oder Zwetschge können laut Eschmann demnach besonders von Mauerbienen profitieren, was sie für den Obstbau attraktiv macht. Zudem ist gerade bei Kirschbäumen der Bestäubungserfolg entscheidend für die spätere Ernte: Für einen Vollertrag müssen 40 Prozent der Blüten befruchtet sein, bei Apfelbäumen dagegen nur 10 Prozent. Die Bestäubung ist zwar wichtig, aber nicht alleine: «Auch Befruchterbäume, Düngung und Wetter spielen mit. Letztlich ist der Erfolg ein Mix aus allen Faktoren», stellt der Obstfachmann fest. «Ein Auf und Ab der Ernten über die Jahre lässt sich nicht vermeiden, soll aber möglichst ausgeglichen werden.» Zu den Investitionen in den Einsatz von Wildbienen meint er: «Die Bauern sind es nicht gewohnt, für die Befruchtung ihrer Kulturen Geld auszugeben.» Es sei aber eine Tatsache, dass dies zunehmend nötig sei, etwa weil der Frühling immer früher einsetzt. Zudem sei der Mehrwert sichtbar.

 

Hauptsächlich Tafelobst

Im Juli, wenn die Bestäubungsflüge zu Ende gehen und in den Niströhrchen der verpuppte Nachwuchs auf die nächste Saison wartet, werden die Hotels wieder an die Wildbienen-Firma zurückgeschickt. Für Bruno Eschmann und sein Team geht die Arbeit im Sommer erst recht los: Alles will geerntet werden – Kirschen, Zwetschgen, später das Kernobst. Ziel ist es, erstere möglichst als Tafelobst abzusetzen. Bei den Kirschen ist dies zu etwa 99 Prozent der Fall, bei den Zwetschgen zu zwei Dritteln.

 

Hofeigener Edelbrand

Der Rest der Ernte kommt in die hofeigene Brennerei. «Ein Betriebsunfall vor ein paar Jahren war der Anlass dazu, mit dem Brennen anzufangen», erinnert sich Bruno Eschmann. Damit meint er eine ganze Ernte vom Regen zerplatzter Zwetschgen, was nicht selten vorkommt. Anfangs brachte er die Früchte in eine Lohnbrennerei und fing daraufhin an, sich selbst mit dem Destillieren auseinanderzusetzen. Er richtete eine eigene Brennerei ein, die als Hobby begann und heute ein eigener Betriebszweig ist. Hier brennt er nicht nur Schnäpse, sondern auch Whisky und Gin. Spezialitäten seiner «Säntisblick-Destillerie» sind «Vieille Prune» und «Vieille Poire» – zwei der Eigenbrände, die bereits Prämierungen eingebracht haben. Für Firmenanlässe und andere Gruppen führt er zudem Degustationen und Workshops durch, zum Beispiel auch Whisky-Brennen. Bruno Eschmann ist die Eigenleistung wichtig: «Was wir hier verkaufen, haben wir alles selbst produziert.»

Weitere Informationen: www.saentisblick-destillerie.ch

 

 

Mit Mauerbienen bestäuben

Verschiedene Firmen bieten Mauerbienen zur Bestäubung von Obst- und Beerenkulturen an. Auf Bestellung hin werden schlupfbereite Bienen innerhalb weniger Tage inklusive Niststand (Hotel) geliefert. Die Mauerbiene fliegt im Umkreis von 100 Meter um ihren Niststand und sticht nicht. Laut Anbieter sind auch Hagelnetze und Pflanzentunnel keine Hindernisse.

Je nach Kultur und Anbauart werden zwischen 500 und 3'500 Mauerbienen pro Hektare benötig, dabei muss je nach Gesamtfläche mit Kosten von mehreren hundert bis mehreren Tausend Franken gerechnet werden.