«Wenn das Wetter während der Blütezeit schlecht ist, gibt es weniger oder gar keinen Honig», stellt Mathias Götti Limacher, Zentralpräsident des Imkerverbands BienenSchweiz fest. Entscheidend sei die Witterung dann, wenn Löwenzahn, Obstbäume, Linden oder Raps blühen. In diesem Jahr waren diese Zeitfenster meist verregnet, denn nach dem kalten Frühling fiel der Sommer mehrheitlich ins Wasser. Honig bleibt für die Imkerin oder den Imker nur dann übrig, wenn die Honigbienen Nahrung im «Überschuss» sammeln können. «Man musste heuer eher schauen, dass die Völker überhaupt überleben», schildert Götti Limacher. Viele Imker hätten zufüttern müssen.
Kaum Honig im Mittelland, gute Ernte in der Höhe
Was den Honigertag angeht, gibt es noch keine konkreten Zahlen. Bereits klar ist aber, dass es grosse regionale Unterschiede geben wird. So gebe es in tieferen Lagen wie im Berner Mittelland praktisch gar nichts, ab einer Höhe von etwa 1200 m. ü. M. hingegen teilweise gute Mengen. Das lässt sich laut dem Präsident von BienenSchweiz mit dem Zeitpunkt der kurzen Schönwetterperiode im Juli begründen. Diese sei in höheren Lagen, z. B. im Kanton Graubünden, gerade mit dem nektarreichen Bergfrühling zusammengetroffen.
Mehr Probleme mit Schwärmen
Für die Gesundheit der Bienen bedeute das nasse Sommerwetter so lange keine Gefahr, wie sie von ihrem Imker mit genügend Futter versorgt werden. Allerdings komme es in solchen Jahren häufiger vor, dass junge Königinnen im Stock aufgezogen werden. In der Folge kann sich das Volk teilen, die alte Königin schwärmt mit einem Teil der Arbeiterinnen aus. «Um das zu verhindern, müssen Imkerinnen und Imker besonders aufmerksam sein», bemerkt Götti Limacher. Das bedeutet neben den Kosten für die Zufütterung auch mehr Arbeitsaufwand. «Idealerweise kann man mit dem Honigverkauf einen Teil seiner Umkosten decken, denn viele imkern sowieso hobbymässig», meint er zu den finanziellen Aspekten. Das dürfte in diesem Jahr vielerorts nicht möglich sein. Schwankungen bei der Honigmenge seien aber normal und dank der guten Lagerfähigkeit könne man heuer im Optimalfall noch Honig aus der grossen Vorjahresernte verkaufen.
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Gutes Herbstwetter würde die Honigtöpfe nicht mehr füllen, die Ernte ist für dieses Jahr abgeschlossen. Für die Bienen wäre viel Sonnenschein und Wärme aber gut, wie Mathias Götti Limacher erklärt: «Sie bauen jetzt ihren Bestand an Winterbienen auf und müssen Pollen sammeln.»
Der Wald konnte sich teilweise erholen
Während der verregnete Sommer für Honigbienen und ihre Imker alles andere als erfreulich war, bedeutet er für den Wald eine vorübergehende Verschnaufpause – im ökologischen wie auch im ökonomischen Sinne. «Die Bäume konnten sich teilweise von der Trockenheit der letzten drei Jahre erholen», schildert Florian Landolt von WaldSchweiz.
Auch der Borkenkäfer ist 2021 ein kleineres Problem. Anders als in gewissen Vorjahren dürfte es nur zwei statt drei Generationen geben. Im Moment befindet sich die zweite Generation laut der Modellierung der WSL grösstenteils im Larvenstadium. «Zwar begann die Saison mit sehr hohen überwinterten Borkenkäferpopulationen, die kühlen Hauptflugmonate und der viele Sommerregen führten aber jeweils im Frühling und Sommer zu einem verzögerten und verzettelten Ausflug», meint Insektenforscher Beat Wermelinger von der WSL. Die Bäume seien gut wasserversorgt und hätten daher eine bessere Abwehrkraft, was es den Käfern zusätzlich zum verzettelten Ausflug schwer macht, sie zu befallen.
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Kein weiterer Preiszerfall erwartet
Schon jetzt eine durchwegs positive Bilanz zu ziehen, wäre allerdings zu früh. «Die Lage kann sich sehr schnell ändern, wenn es wieder trocken wird», gibt Landolt zu bedenken. Deshalb waren auch die trockenen Sommer in den Jahren 2018-2020 für die Bäume so schlimm. Kommt es nun wieder zu Trockenperioden, wäre die Vitalität der Bäume schnell wieder geschwächt. Immerhin werde in diesem Jahr weniger Käferholz erwartet, was einen weiteren Preiszerfall für Rundholz, wie er in den Vorjahren zu beobachten war, verhindern könnte. «Die Lage bezüglich des Borkenkäfers ist deshalb für diesen Sommer bisher insgesamt erfreulicher als in der jüngsten Vergangenheit», bilanziert Landolt
Gute Zeiten für Mücken und Schaben
Über einen anderen Profiteur vom Regenwetter freuen sich die Wenigsten: Stechmücken. «Die vielen stehenden Wasserlachen bieten ihnen idealen Raum für die Fortpflanzung», sagt Oliver Martin, Präsident der Schweizerischen Entomologischen Gesellschaft. Ebenfalls profitiert haben Baumwanzen und Schaben, die es gerne feucht mögen. Schwieriger war es für Fluginsekten oder beispielsweise Schmetterlinge, die wegen des Regens seltener fliegen konnten.
«Generell kommen Insekten mit Schwankungen zurecht, solange sie einigermassen im Rahmen sind», erklärt Martin. Schwierigen Perioden können die Tiere ausweichen, in dem sie sich z. B. in Pflanzenstängel, Totholz, Erde oder Häuser verkriechen. Mitunter habe man so dass Gefühl, es gebe bei Regenwetter mehr Insekten – weil man sie eher sieht, wenn sie ins Haus kommen. Wie die Sechsbeiner mit den längerfristigen Veränderungen aufgrund des Klimawandels zurechtkommen, ist allgemein schwierig zu beantworten.
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Folgen sehr schwer abschätzbar
Auch welche Auswirkungen dieser Sommer auf verschiedene Insekten haben wird, lässt sich laut Martin aus verschiedenen Gründen kaum abschätzen: Einerseits gibt es keine breitflächige systematische Beobachtung der Bestände, insbesondere über mehrere Generationen, andererseits reagieren die Arten sehr unterschiedlich, wie auch die verschiedenen Entwicklungsstadien innerhalb einer Art. «Bereits angeschlagene Populationen können durch ungünstige Wetterverhältnisse vielleicht zusätzlich unter Druck geraten», so der Wissenschaftler. In jedem Fall ist es für Insekten hilfreich, einen möglichst vielfältigen Lebensraum mit Rückzugsmöglichkeiten zu haben – dann müssen sie auch weniger in Häuser ausweichen.
Bestäuber sind Millionen Franken wert
Agroscope hat 2019 in einer Studie untersucht, wie wertvoll Insekten durch ihre Bestäubungsleistung für die Schweizer Landwirtschaft sind. Bei einigen Ackerkulturen, vor allem aber bei Obst und Beeren sind Ertrag und Qualität davon abhängig. So bilden z. B. Erdbeeren kleinere und deformierte Früchte, wenn die Pflanzen nicht von Insekten besucht werden, Raps weniger ölhaltige Samen in geringerer Anzahl pro Schote. Insgesamt wachsen gemäss Agroscope auf fünf Prozent der ganzen landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Schweiz bestäubungsabhängige Kulturen. Den wirtschaftlichen Wert der Bestäubung schätzen die Forschenden auf 205 bis 479 Millionen Franken pro Jahr.
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Räumlich seien die Kulturen durchschnittlich gut mit Honigbienen abgedeckt. Es ist aber bekannt, dass auch Wildbienen einen wesentlichen Beitrag leisten können, insbesondere, da sie auch unter widrigeren Wetterbedingungen fliegen.
Schäden nahmen die Kulturen in diesem Jahr primär durch Fröste im Frühling und die wiederholten Unwetter sowie die Nässe im Sommer. Dass der Schweizer Obstverband von einer mit dem Vorjahr vergleichbaren Apfelernte ausgeht, ist immerhin ein Hinweis dafür, dass genügend bestäubende Insekten unterwegs waren.