Sie liefert Nahrung, beeinflusst das Klima, erhält die Wasser- und Luftqualität und bietet uns Menschen Raum zur Erholung: die Biodiversität. Oder anders gesagt, die Vielfalt des Lebens auf Ebene der Ökosysteme, der Arten (Pflanzen, Tiere, Pilze, Mikroorganismen) und der Genetik. Die unverzichtbaren Leistungen, die die Biodiversität für unsere Gesellschaft erbringt, werden Ökosystemdienstleistungen genannt. Ganz selbstverständlich nutzen wir diese kostenlosen Leistungen wie beispielsweise das natürliche Bestäuben unserer Bäume, bis hin zur Übernutzung.
Entwicklung entgegenwirken
In den letzten 100 Jahren hat sich die Biodiversität weltweit zurückentwickelt. Wenn sich der Zustand der Biodiversität verschlechtert, führt das zu einer Abnahme der Ökosystemdienstleistungen, und das ist verbunden mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten. Bis ins Jahr 2050 erwartet die EU jährliche Kosten von rund 4 Prozent des Bruttoinlandprodukts für die zu kompensierenden Ökosystemdienstleistungen, die aus den Biodiversitätsverlusten resultieren. Zahlen für die Schweiz sehen wohl ähnlich aus, vermutet das Bundesamt für Umwelt
Eine zunehmende Mechanisierung und Intensivierung der Landnutzung sind Gründe, warum wertvolle Biodiversitäts-Flächen in der Landwirtschaft verschwunden sind. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, werden Landwirtschaftsbetriebe für die angepasste Nutzung ihrer Flächen finanziell entschädigt. Dabei werden die sogenannten Biodiversitätsförderflächen (BFF) mit zwei Typen von Beiträgen abgeglichen: für die Qualität sowie für die Vernetzung.
Hochstammobst und Dornenhecken
Einer, der sich für die Biodiversität stark macht, ist Erich Schweizer vom Höldihof im Baselländer Buus. Sein Landwirtschaftsbetrieb steht mitten in der Region Farnsberg, wo Birdlife Schweiz und die Schweizerische Vogelwarte Sempach zusammen mit den heimischen Naturschutzvereinen 2004 das Projekt Obstgarten Farnsberg lancierte. Es hat zum Ziel, gefährdeten Vogelarten, der Zauneidechse und Wieseln zu helfen. Grossflächige ökologische Aufwertungen werden von verschiedenen Höfen der Region getragen und beinhalten die Schaffung von Strukturen zum Unterschlupf für Vögel, die Vernetzung des Baumbestandes und das Anbringen von Nistkästen für Höhlenbrüter wie zum Beispiel den Gartenrotschwanz.
Familie Schweizer ist eine der neun Bauernfamilien, die seit dem Projektstart mit dabei sind. Auf ihrem Hof bauen Schweizers circa zwanzig Sorten Kirschen, aber auch Äpfel an. «Mit unseren Hochstammbäumen bieten wir gefährdeten Vögeln wie dem Rotkopfwürger oder dem Gartenrotschwanz einen Lebensraum», sagt Schweizer. Das meiste Obst der Bäume wird vermostet oder zu Saft gepresst. Wenn ein Baum stirbt, wird ein neuer gepflanzt aber der alte stehen gelassen, um den Vögeln weiteren Lebensraum zu bieten.
30 Betriebe beteiligt
«Um die Obstbäume herum pflegen wir eine besonders artenreiche Wiese und legen viel Wert auf den richtigen Schnittzeitpunkt», sagt Erich Schweizer. Die gefährdeten Vögel ernähren sich von Insekten, die im Boden leben und sind angewiesen auf eine offene Fläche, auf der sie landen können. Grasende Rinder sind ein wichtiger Bestandteil der Massnahmen, weil sie die Artenvielfalt von Bodeninsekten fördern können und die niedergetrampelten Stellen wiederum als Landeplatz für die Vögel dienen. Viele Landwirte, die beim Projekt mitmachen, haben auf Mutterkuhhaltung mit extensiven Rassen wie Galloway umgestellt. Schweizer produziert noch immer Milch im Dorf und verfüttert das grobe Heu im Winter dem Jungvieh.
Eine weitere Massnahme sind Hecken, in denen sich Vögel wie der Neuntöter gerne aufhalten. «Er spiesst seine Beutetiere an spitzen Dornen auf, bevor er sie frisst, daher ist er auf Dornen angewiesen», erklärt Schweizer. Die Entwicklungen der Vögel- und Insektenbestände werden laufend beobachtet. Eine Leitungsgruppe von Landwirten und Fachleuten von Birdlife berät sich sechsmal im Jahr über anstehende Veränderungen. Aktuell sind 30 Betriebe am Projekt beteiligt, die insgesamt über 8000 Hochstammbäume erhalten. Vom Verein Obstgarten Farnsberg werden sie mit Beratung, Entgelt für Baumpflanzung, Stein- und Asthaufen, Schürfflächen und Samenmischungen unterstützt.
Alte Rassen mit Potenzial
Ein anderer Aspekt der schwindenden Biodiversität ist der Verlust von genetischer Vielfalt, zum Beispiel, wenn eine Nutztierrasse ausstirbt. Weil sich die Landwirtschaft früher bei der Zucht von Nutztieren auf einzelne Faktoren wie etwa den Ertrag konzentrierte, wurden Rassen, die weniger produktiv sind, verdrängt. Äussere Bedingungen wie beispielsweise das Klima, das Eintreten einer Infektionskrankheit oder Parasitenbefall können die Faktoren sehr schnell verändern. Traditionelle Rassen sind normalerweise sehr robust, und sie könnten Gene haben, dank denen sie neue Umweltherausforderungen besser bewältigen können. Es ist beispielsweise erwiesen, dass Kuhrassen wie Evolèner besser an den Klimawandel angepasst sind.
Um auf die Veränderungen einzugehen, ist es wichtig, dass ein grosser Pool an verschiedenen Rassen da ist, auf die zurückgegriffen werden kann. Das BLW unterstützt deshalb verschiedenste Massnahmen zur Erhaltung und Förderung gefährdeter Nutztierrassen mit Schweizer Ursprung. Organisationen wie Prospecie Rara oder Pro Patrimonio Montano koordinieren den Erhalt verschiedener Nutztierrassen, bewerben die Rasse und führen Herdenbücher, damit aufgrund der sehr kleinen Populationen keine Inzuchtgefahr besteht.
Wollige Schweine auf dem Feld
Das Wollschwein, auch Mangalitza-Schwein genannt, stammt ursprünglich aus Osteuropa und ist die dem Wildschwein noch am nächsten verwandte Hausschweinrasse. Weil 1993 europaweit nur noch 200 Exemplare davon lebten, wurde es auf die europäische rote Liste für gefährdete Nutztierrassen aufgenommen.
Mittlerweile hat sich der Bestand etwas erholt und es gibt einige begeisterte Schweizer Züchter. Einer davon ist Philippe Riem aus Kirchdorf BE. Sein Vater hielt jahrelang Schweizer Edelschweine, doch als er selbst 2014 den Bio-Hof übernahm, gab es Legehennen und Gemüse. «Beim Gemüsebau fällt viel Abfall an und regelmässig haben wir kaputte Eier. Ich fand, dass ein Hausschwein praktisch wäre», sagt Riem. Für seinen Betrieb wollte er allerdings eine robuste Rasse, eine, die man im Freiland halten kann. «Die normalen rosaroten Edelschweine hatten oft Lungenentzündungen, ich wusste, dass die nicht geeignet wären. Da habe ich mich umgeschaut und bin auf das Wollschwein gestossen», erklärt der Maschinenbauer und Landwirt. Mithilfe der Schweizerischen Vereinigung für Wollschweinzucht fand er einen Zuchteber in der Nähe, und im Aargau holte er zwei Sauen ab. «Weil der Bestand so klein ist, muss man sicher gehen, dass keine Inzuchtgefahr besteht».
Besser als der Pflug
Seither findet man immer ein kleines Rudel Wollschweine auf seinem Hof, bereits fünf Würfe haben seine Sauen bisher hervorgebracht. Allesamt hat Riem an interessierte Halter verkauft. «Unsere Schweine sind so gut es geht in die Fruchtfolge integriert, im Frühling lassen wir sie die Reste vom Wintergemüse wegräumen, im Herbst brauche ich sie als Feldbearbeitungsmittel», sagt Riem. Er ist sehr zufrieden mit der Rasse, die sich als total robust herausgestellt hat. «Wir haben ausser fürs Kastrieren noch nie den Tierarzt gebraucht, unsere Sauen haben problemlos bei minus drei Grad geferkelt und alle Ferkel waren wohlauf», sagt Rie
Passanten als Gefahr
Die grösste Gefahr für die Wollschweinhaltung in der Schweiz seien leider Passanten. «Ich hatte schon etliche Male den Tierschutz und die Polizei auf meinem Betrieb, weil Wanderer das Gefühl haben, es gehe den Schweinen nicht gut, wenn sie bei Regenwetter im Schlamm rumsuhlen», sagt Philippe Riem. Leider gebe es viele Halter, die wegen der andauernden Erklärungspflicht die Wollschweinhaltung aufgeben. «Die Behörden hatten allerdings immer Freude an unserer Haltung, schliesslich gibt es für ein Schwein nichts Schöneres, als im Dreck zu suhlen!».