Es gibt wissenschaftliche Argumente für den Anbindestall und wissenschaftliche Argumente gegen den Anbindestall. Das Gleiche gilt für den Laufstall. Je nach Betrieb, Topografie, Betriebsleiter und Tier, sind diese Argumente unterschiedlich. Diese komplexe Diskussion in wenigen Minuten «Kassensturz» mit offensichtlich vorgefassten Meinungen und uralten Bildern über das Knie brechen zu wollen, dient der Sache nicht. Vor allem nicht dann, wenn weitgehend mit vermenschlichten Emotionen, Bedürfnissen und Wahrnehmungen gearbeitet wird. Wer irgendetwas von der Materie versteht, der wusste nach wenigen Minuten des Beitrags, dass er mit der Realität wenig zu tun hat. Der «Kassensturz» hat die Chance verpasst, den grossen Haufen unwissender Zuschauer ausgewogen zu informieren. Stattdessen wurden unreflektiert Klischees und veraltete Meinungen bedient. Die Bedürfnisse der Kuh wurden weder erhoben noch in die Diskussion einbezogen. Wie viele Schritte geht denn eine Kuh überhaupt im Laufstall, wie viele davon, weil sie von einer ranghohen gejagt wird? Wie viele Anbindestallkühe sehen täglich eine Weide, wie viele stehen unter einem falsch eingestellten Bügel? Stattdessen drehte sich die Diskussion im «Kassensturz» lediglich darum, was der Journalist oder der Anbindestall-Verfechter für richtig befinden – in ihrem Empfinden – auf ihrer Landkarte.
Das schwarze Schaf im Mittelpunkt
Und schlussendlich endete die Diskussion dort wo sie immer endet und unschön wird, bei den schwarzen Schafen, welche die Kuh Ende Oktober in den Stall binden und Ende April wieder rauslassen. Weil Papier geduldig ist, weil der Laufhof glatt ist, weil man ein halbe Stunde eher in den Wald will, weil das Gusti nachher nicht an den Platz geht. Wer nicht will, der will nicht und wer will, der findet Lösungen. Und der «Kassensturz» täte gut daran, bei künftigen Berichterstattungen nicht grundsätzlich davon auszugehen, dass der ganz grosse Teil der Landwirte ihren Lebensinhalt darin sieht, ihre Kühe zu plagen. Wer Geld verdienen will, der sorgt nach bestem Wissen und Gewissen dafür, dass es seinen Tieren gut geht. Dem Grossteil der Schweizer Kühe geht es deutlich besser als es das Tierschutzgesetz vorsehen würde oder es der Markterlös erlauben würde.
Ausspielen nützt niemandem
Ein ganzes System aufgrund ein paar Ewiggestriger, die den Elektrobügel auch nach der x-ten Kontrolle noch zu tief einstellen, in Abrede zu stellen, ist nicht der Auftrag des Schweizer Fernsehens und hat mit seriösem Journalismus nichts zu tun. So eine emotionale Diskussion kann man maximal am Stammtisch nach dem dritten Bier führen. Es ist verboten, die Tiere nie rauszulassen, es ist verboten, nicht genügend zu streuen und es ist verboten den Bügel zu tief einzustellen – Punkt. Schlussendlich ist jedes System nur so gut wie derjenige, der es managt. Es geht nicht jedem Tier in Anbindehaltung schlecht und nicht jedem Tier in Laufstallhaltung gut. Die Systeme gegeneinander ausspielen, bringt niemandem etwas. Die Frage muss lauten, was kostet es im Laden, wenn der Konsument, aufgrund von welchen Gefühlen auch immer, sich die Tierhaltung anders wünscht. Und die Frage muss lauten, wenn sich die Kuh in was für einem Stall auch immer, nicht wohl fühlt, was müssen wir verändern damit sie sich wohl fühlt. Dazu braucht es kein neues System, sondern die Fähigkeit grosszügig zu denken und zu fühlen wie das Tier – statt egoistisch wie der Mensch.