«Als vor einem Jahr ein schneeweisses Köpfchen aus dem Beutel der einen Kängurumutter hervorlugte und uns mit wässrig roten Augen anstarrte, glaubten wir, dass etwas mit dem jungen Känguru nicht stimmt», sagt Tamara Krapf (31). Erst später fanden sie und ihr Mann Stefan Krapf (34) heraus, dass es sich bei diesem besonderen Wallaby-Baby um ein Albino handelt.
«Als das Junge dann nach langen sechs Monaten endlich den Beutel seiner Mutter verliess, schien mit dem Kleinen alles in Ordnung zu sein. Es war rein weiss und hatte funkelnde, rote Augen und ein rosarotes Näschen», erzählt die angehende Bäuerin und Floristikmeisterin lebhaft. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Albino-Wallaby geboren wird, liege bei etwa 1:20'000, fügt Stefan Krapf, der ausgebildete Zimmermann und Landwirt an.
Der Albino ist gut integriert
Albinismus ist ein Gendefekt mit negativen Auswirkungen. Die Tiere sind anfälliger für Hautschäden durch die UV-Strahlung der Sonne, weil ihnen das Melanin fehlt. Dadurch komme es zu einer Stoffwechselstörung der Pigmentzellen und die Folge davon seien das weisse Fell, die roten Augen und die rosa Haut, erklärt das junge Paar weiter. Sie vermuten, dass das junge Weibchen, das sie Inala tauften – was in der Sprache der Aborigines «Ort für Ruhe» bedeutet – auf Licht eher empfindlich reagiere und sich deshalb öfters im Schatten aufhalte. Womöglich sehe das spezielle Tier auch weniger gut und könne sich womöglich schlechter orientieren.
Trotzdem ist das weisse Wallaby unter seinen sieben Artgenossen gut integriert und Krapfs haben festgestellt, dass ein männliches Känguru bereits Interesse an der speziellen Dame zeigt. Deshalb sei es eher unwahrscheinlich, dass sich das Albino zu einer Einzelgängerin entwickle.
Zur Zucht und für Fleisch
Auch wenn die Tiere munter durch die Wiese springen, Gras und Rüstabfälle fressen, näher als einen Meter kommen sie nicht an die Menschen heran. «Es sind keine Kuscheltiere», sagt das Paar. Es hält die Kängurus zur Zucht und nicht wegen des Fleisches.
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«Ich wollte kein 08/15-Bauer werden»
Stefan Krapf ist auf dem Engihof, wie er damals noch hiess, aufgewachsen. Seine Eltern betrieben Milchwirtschaft und Obstbau. Er lernte Zimmermann, später machte er die Zweitausbildung zum Landwirt auf einem Straussenhof in der Region. «Diese exotischen Tiere faszinierten mich und ich war mir sicher, dass ich diese Tiere auch einmal auf meinem Hof halten will. Ich wollte kein 08/15-Bauer werden», sagt er. Vor sieben Jahren übernahm er den Hof, machte die Betriebsleiterschule, stelle auf Bio um und heiratete seine Freundin Tamara. Sie waren sich einig, den Kleinbetrieb mit 14 Hektaren Betriebsfläche nicht mehr wie bisher zu führen.
Der Hof soll ein Erlebnis werden
«Uns liegt die Ökologie sehr am Herzen, wir wollten natürliche Lebensprozesse fördern und Stoffkreisläufe schliessen. Und ganz wichtig, wir wollen den Hof zum Erlebnis machen, Gäste empfangen und ihnen damit die Landwirtschaft näher bringen.» Die beiden wissen, dass sie diese hochgesteckten Ziele nicht einfach aus dem Ärmel schütteln können. «Wir gehen die Sache in Ruhe an und machen eins nach dem anderen», erzählen sie.
Hohe Ziele gesteckt
Sie wollen eine optimale Abstimmung von Pflanzen, Boden, Tier und Mensch auf dem Betrieb. Sie wollen die Vielfalt der Bodenstrukturen verbessern, keine Pflanzenschutzmittel einsetzen, dem Tierwohl eine sehr hohe Priorität einräumen und die komplementäre Tiermedizin bevorzugen.
Sie streben zudem mit einem ganzheitlichen Ansatz eine nachhaltige Produktion an und wollen im Direktverkauf die Konsumentinnen und Konsumenten sowie ihre Gäste auf dem Hof mitnehmen auf die Reise zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Natur, der Tierwelt und den daraus hergestellten Lebensmittel.
Vom Engi- zum Känguruhof
2014 absolvierte Stefan Krapf den Haltekurs für Kängurus bei einer langjährigen Halterin im Baselbiet, mit der er bis heute einen intensiven Austausch pflegt. Schweizweit werden auf mehreren Betrieben oder von privaten Haltern kleine Gruppen von Kängurus gehalten. Einen Verband gibt es nicht.
Mit einem Männchen und drei Weibchen begann die Känguru-Geschichte. Heute, sechs Jahre später, leben drei Mütter mit ihren drei Jungen, ein Albino-Weibchen und ein weiteres Weibchen mit dem Männchen Boby zusammen auf dem Känguruhof, wie der Engihof heute heisst.
Vielfältiger Tierbestand
Zudem leben 40 Rinder auf dem Betrieb, die nach einer Haltezeit von ungefähr eineinhalb Jahren als Bio-Weidebeef geschlachtet und verkauft werden. Momentan leben auch sieben Strausse, 15 Wachteln, zwei Pommernenten, 60'000 Bienen, zwei Katzen und ein Hund auf dem Hof.
Zum Betrieb gehören auch 330 Hochstamm-Obstbäume und ein Hofladen. Dort verkauft Tamara nicht nur das eigene Bio-Weidebeef und Straussenfleisch, ihre Spezialität sind vor allem selber hergestellte Sirups und Konfitüren mit äusserst exotischen Namen, dazu selber gerührte Seifen und vieles mehr. Aber auch Kurse in Naturfloristik führt sie durch.
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Vegetarischer Bauernbrunch zum 1. August
Ein weiteres Standbein beschäftigt das Paar im Moment. Sie haben angefangen, auf dem Känguruhof Events durchzuführen. Sie organisieren Feierlichkeiten zu Geburtstagen, Hochzeiten oder Geschäftsessen und beherbergen ihre Gäste im Freien oder auch mal im Kuhstall mit blütenweisser Tischwäsche, erzählt Tamara eifrig. Den Muttertagsbrunch und weitere Anlässe mussten sie wegen Covid 19 absagen, doch jetzt freut sich das Paar auf den 1. August-Brunch, den sie als vegetarische Variante anbieten und damit bei den traditionellen Brunchanlässen der Schweizer Bauern ziemlich exotisch gelten. «Auch wenn wir selber Fleisch produzieren sind wir eher in die Kategorie Flexitarier einzuordnen und essen nicht täglich Fleisch. «Deshalb wagen wir den Versuch mit einem vegetarischen Brunch und schauen mal, was unsere Gäste dazu sagen,» lacht Stefan Krapf.
Und schliesslich noch die Kunst
Nebst den verschiedenen Tätigkeiten auf dem Hof arbeiten beide an einzelnen Tagen auswärts. Tamara Krapf stellt bei einem Online-Händler Geschenkkörbe her, ihr Mann arbeitet bei der Kunstgiesserei Hutter in Amriswil und könnte sich vorstellen, sich auf diesem Gebiet noch stärker zu engagieren. Kunst interessiere ihn und vieles könnte er sich auf diesem Gebiet noch vorstellen, sagt er. «Ein Glück, dass wir mit Hof und Land viel Platz haben und so die Möglichkeiten nutzen können, uns auf verschiedenen Ebenen zu verwirklichen.